“Die Angst vor unbeabsichtigtem Greenwashing ist groß” – 3 fiese Fragen zu nachhaltigem Marketing an Ina von Holly.
22. Januar 2024
Grüngewaschenes Geschwätz? Zwischen echtem Engagement und leeren Labels: Für die Themenwoche Nachhaltigkeit stellt sich GWA-Vorständin Ina von Holly “3 fiesen Fragen”, dem neuen Kurzinterview-Format von turi2. Sie glaubt an die Kraft von “Marketing for Future”, spürt aber eine “allgemein große Unsicherheit, was wie kommuniziert werden sollte“. Um Konsum und Klimaschutz zusammenzubringen, muss sich für sie nicht nur die Kommunikation, sondern auch die Wirtschaft ändern – und “Produkte und Dienstleistungen in Kreisläufen” gedacht werden.
1. Marketing ist per se nicht nachhaltig, weil es zum Kauf von Dingen verführt, die kein Mensch braucht. Haben Sie kein schlechtes Gewissen?
Die originäre Funktion von Marketing ist Verkaufsförderung – da brauchen wir uns nichts vormachen. Werbung schafft aber auch Transparenz und Vergleichsmöglichkeiten bei Produkten und Dienstleistungen und hilft damit Verbraucher*innen, eine Auswahl zu treffen. Und Werbung belebt den Wettbewerb unter den Herstellern, was sich auf Produktqualität, Innovationen oder auch auf die Preisgestaltung positiv im Sinne der Konsument*innen auswirken kann.
Für mich ist jedoch wesentlich, die positive Kraft unter dem Aspekt “Marketing for Future” zu betonen. Neben politischen Entscheidungen sind es Unternehmen, die mit ihrer Kommunikation den Konsum in eine positive Richtung lenken können. Und mit ihnen die Agenturen. Sei es Werbung für Fleischalternativen, Ökostrom oder Refurbed-Plattformen. Es braucht “Marketing for Alternatives”, das neue, “grüne” Wege hin zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft ebnet und weiter ausbaut. Hier liegt eine große Verantwortung und die Chance, mit der Kreativität von Agenturen einen wesentlichen Beitrag auch hinsichtlich “The Great Mindshift”, wie Transformationsforscherin Maja Göpel es fordert, zu leisten.
2. “Nachhaltig” ist längst alles, Firmen schmücken sämtliche Produkte damit, von Wandfarbe bis Windeln. Wer soll das noch glauben?
Die Entwicklung ist besorgniserregend, das stimmt. Waren es früher die engagierten Ökopioniere mit umfangreichen Umweltprogrammen, sind heute fast alle “nachhaltig”, “grün” oder “klimaneutral”. Das Negativ-Stichwort der Stunde lautet “Greenwashing”. Eine Entwicklung, die für alle Seiten problematisch ist: Unternehmen verlieren zunehmend an Glaubwürdigkeit, Konsument*innen wissen immer weniger, was sie noch kaufen sollen.
Die große Herausforderung, die der GWA Green Monitor 2023 gezeigt hat: Unternehmen sehen sich in der Pflicht, nachhaltig zu handeln und dieses Engagement auch zu kommunizieren. Gleichzeitig ist die Angst vor unbeabsichtigtem Greenwashing groß. Es herrscht also allgemein eine große Unsicherheit, was wie kommuniziert werden sollte.
Was es braucht, um Vertrauen zurückzugewinnen, ist ein Standard der Nachhaltigkeitskommunikation. Diesen bringt aktuell die EU mit der Green Claims Directive auf den Weg. Damit soll sichergestellt werden, dass es sich beim beworbenen Umweltvorteil um einen echten Mehrwert handelt, der belegt und nachvollziehbar ist.
3. Kapitalismus und Klimaschutz schließen sich aus – oder können Sie als Marketingprofi uns vom Gegenteil überzeugen?
Gute Frage. Gehen wir davon aus, dass wir darunter unseren marktwirtschaftlichen Ansatz verstehen – ein ganz klares JEIN. Denn es geht immer um das WIE. Auch mit marktwirtschaftlichen Mitteln lässt sich der Klimawandel bekämpfen. Wesentlich ist, dass wir wegkommen von unserer linearen Wirtschaftsweise, dem Ansatz “produzieren, nutzen, wegschmeißen”. Wir sollten Produkte und Dienstleistungen in Kreisläufen denken. Die Aussage des “Cradle to Cradle”-Erfinder Michael Braungart bringt es auf den Punkt: “Müll ist eine menschliche Erfindung”.
Ganz egal, ob die Verbrennung von Kohle, die Entsorgung defekter Produkte oder alter Verpackungen: Für all diese bisher weitreichend linearen Entsorgungsprozesse gibt es Alternativen. Die Sonne scheint umsonst, defekte Produkte können repariert werden, aus alten Verpackungen werden neue Produkte. Zusammen mit “Marketing for Alternatives” ist das der Weg, um dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen.