“Ein Teil unseres Erfolgs ist, dass die Stimmung bei uns besser ist als anderswo” – “Abendblatt”-Chefredakteur Lars Haider über Zeitungen und Zukunft.
11. September 2024
Hart am Wind: “Eine Redaktion, in der die Menschen einander vertrauen und gern zusammenarbeiten, ist ein gutes Fundament für alles andere”, sagt Lars Haider, der seit 13 Jahren Chefredakteur des “Hamburger Abendblatts” ist. Im Interview zur Themenwoche Zeitungen mit turi2-Chefredakteur Markus Trantow erklärt Haider, warum er trotz Zeitungskrise positiv in die Zukunft blickt. Einen wichtigen Grund für den Erfolg des “Hamburger Abendblatt” sieht er darin, “dass wir in den vergangenen Jahren nahezu alles verändert und viele Dinge ausprobiert haben”. Unter seiner Leitung stieg die Zeitung zum größten Podcast-Anbieter unter den Regionalzeitungen auf. Nun hat das “Abendblatt” seine erste Video-Doku-Serie veröffentlicht. Inzwischen könnte das Blatt ganz ohne Print-Erlöse leben – warum Haider trotzdem “für immer” eine gedruckte Zeitung anbieten will.
Lars Haider, du bist Chefredakteur des “Hamburger Abendblatts”, was ich mir als Job vorstelle, der den Arbeitstag gut ausfüllt. Du bist aber auch Autor politischer Bücher, von Kriminalromanen und Podcast-Moderator. Sind Zeitungschefredakteure heute nicht mehr ausgelastet?
Alles, was ich mache, passiert in meiner Rolle als Chefredakteur des “Hamburger Abendblatt” – abgesehen von den Kriminalromanen. Die gehen zu Lasten meines Urlaubs. Andere liegen im Urlaub am Strand oder spielen Golf, ich schreibe halt für mein Leben gern.
Immer, wenn Medienjournalisten über Zeitungen sprechen, ist das Wort “Krise” nicht weit. Du bezeichnest dich selbst nicht unbedingt als Krisenmanager, sondern zuletzt in einem Podcast als “Feelgood-Manager”. Gibt es beim “Hamburger Abendblatt” keine Zeitungskrise?
Zumindest hat es beim “Hamburger Abendblatt” in den vergangenen fast 14 Jahren keine betriebsbedingte Kündigung gegeben – und das, obwohl wir auch Stellen abgebaut haben. 2011 bestand die Redaktion noch aus mehr als 200 Personen, jetzt sind es 160. Und natürlich sind auch wir vom Rückgang der gedruckten Auflage betroffen. Ich habe hier mit 250.000 Exemplaren angefangen, heute drucken wir noch um die 100.000. Trotzdem ist das Abendblatt damals wie heute eine gesunde, erfolgreiche Zeitung, die nie auch nur in die Nähe einer bedrohlichen wirtschaftlichen Situation gekommen ist. Und was den “Feelgood-Manager” angeht: Das ist ein komischer Begriff. Was ich sagen wollte, ist: Ein Teil unseres Erfolgs ist, dass die Stimmung bei uns besser ist als anderswo. Ich sehe es als eine meiner Aufgaben, meinen Kolleginnen und Kollegen das Vertrauen zu geben, dass es trotz aller Krisen gut mit dem Abendblatt weitergeht, dass die Zeitung auch in zehn, 15 oder 20 Jahren das ist, was sie heute ist. Auf so einer Vertrauensbasis können die Leute ganz anders arbeiten, als wenn das Gefühl vorherrschen würde, am Abgrund zu stehen. Was wir, ich wiederhole mich, zum Glück noch nie getan haben.
Gute Stimmung allein verkauft aber noch keine Zeitungen oder Abos.
Das stimmt. Aber eine Redaktion, in der die Menschen einander vertrauen und gern zusammenarbeiten, ist ein gutes Fundament für alles andere. Darüber hinaus hat uns geholfen, dass wir in den vergangenen Jahren nahezu alles verändert und viele Dinge ausprobiert haben. Nehmen wir mal das Beispiel der Podcasts: Als wir damit vor sieben Jahren angefangen haben, hat es einige gegeben, die sich gefragt haben, warum wir das als Tageszeitung überhaupt machen. Heute sind wir mit etwa 30 Podcasts unter den Regionalzeitungen der größte Podcast-Anbieter und verdienen Geld damit. Unsere besten Podcasts haben pro Folge sechsstellige Hörerzahlen. Ein anderes Beispiel: Wir haben die Zahl der Menschen in der Redaktion, die etwas mit dem Print-Produkt zu tun haben, radikal reduziert, damit so gut wie alle online arbeiten können. Das ist gelungen, ohne dass die Zeitung darunter gelitten hat. Im Gegenteil: Selbst die Umstellung vom Nordischen Format aufs kleinere Rheinische Format in diesem Sommer hat funktioniert. Am Ende gab es vor allem Lob von den Leserinnen und Lesern dafür, dass das “Abendblatt” jetzt so handlich ist.
Jede dieser Entscheidungen war eine Wette auf die Zukunft. Das hätte auch schiefgehen können.
Was man aber erst weiß, wenn man es ausprobiert hat. Das machen wir gern und viel. Dabei gibt es Dinge, die gleich oder gar nicht funktionieren, genauso wie solche, die für eine bestimmte Zeit erfolgreich sind. Vor gut zehn Jahren haben wir damit begonnen, Hochglanz-Magazine über Hamburger Themen zu machen. Das hat eine Weile irre gut funktioniert. Wir haben Hefte für zehn Euro pro Exemplar hunderttausendfach verkauft und bis zu 25 Stück pro Jahr herausgegeben. Heute ist das wirtschaftlich vor allem wegen der deutlich höheren Herstellungs- und Papierkosten nicht mehr ganz so vielversprechend, weshalb wir die Zahl der Magazine reduziert haben. Dafür haben wir in den vergangenen Monaten an unserer ersten Doku-Serie gearbeitet. Die Serie ist seit dieser Woche online und wir hoffen, damit viele neue Abonnenten zu gewinnen.
(Foto: Screenshot Abendblatt.de)
5 Learnings: So verdient das “Hamburger Abendblatt” mit Podcasts Geld.
Fast 40 Podcasts listet das “Hamburger Abendblatt” aktuell als eigene Produktionen auf seiner Website auf. Es geht um Themen wie Gesundheit und Geschlechtsidentität, Reisen und Royales, Kultur und Crime, Politik und People, Sport und Sex. Damit ist das “Abendblatt” der größte Podcast-Produzent unter den Regionalzeitungen. Laut Chefredakteur Lars Haider sind die für Hörerinnen und Hörer kostenfreien Produktionen auch für die Zeitung ein gutes Geschäft.
1. Egal ob Entscheider treffen Haider oder Das Scholz-Update – in den Podcasts laufen Werbespots.
2. Viele Podcasts haben einen Presenter. Ein Beispiel von Lars Haider ist der True-Crime-Podcast Dem Tod auf der Spur, der bis zu 100.000 Hörende pro Folge erreicht. Werbepartner war eine Zeitlang ein Hamburger Bestattungsunternehmen.
3. Das “Abendblatt” produziert auch bewusst mit großen Partnern Podcasts, etwa mit der Hamburger Kunsthalle. Laut Haider teilen sich die Zeitung und die Kunsthalle die Kosten für die Produktion und mögliche Erlöse.
4. Dass sich Podcasts auch für den Verkauf eignen, zeigt Vier Flaschen – einer der erfolgreichsten Wein-Podcasts Deutschlands. Partner ist Hawesko: Der Weinhändler bietet die vorgestellten Weine als Paket zum Kauf an, die Zeitung bekommt beim Verkauf eine Provision. In der Spitze wurden in der Vergangenheit bis zu 300 Weinpakete pro Folge verkauft.
5. Nicht zu unterschätzen seien zudem Veranstaltungen im Rahmen von Podcasts. Im Gespräch mit turi2 berichtet Haider von einem ausverkauften Abend mit Markus Lanz im Thalia Theater – 1.000 Besucherinnen und Besucher haben jeweils 20 Euro Eintritt bezahlt.
Das Entscheidende, so Haider, sei aber auch, dass sich die Podcasts inhaltlich nutzen lassen: für Newsletter, Online- und Print-Texte, Insta-Reels und vieles mehr.
In der Doku geht es um den Eimsbütteler TV, einen Hamburger Fußballverein, der vor einem Jahr in die Regionalliga auf- und unmittelbar wieder abgestiegen ist. Spektakulär, aber auf den ersten Blick keine Erfolgsgeschichte. Was lässt dich an den Erfolg der Serie glauben?
Ich habe sie gesehen 😊
Wollt Ihr nach dem größten Podcast-Produzenten unter den Zeitungen nun auch das Netflix des Nordens werden? Warum braucht eine Tageszeitung Video?
Wie gesagt: Wir probieren gern Neues aus und das müssen wir auch. Neulich hat eine Volontärin kritisiert, dass sie sehr viel über das Schreiben von Texten bei uns lernt, aber zu wenig über das Produzieren von Bewegtbild/Filmen. Das sei aber wichtig, weil ihre Generation sich vor allem darüber informiere. Die Kunst und die Herausforderung ist es, Neues zu machen, das Alte nicht zu vernachlässigen und dabei immer Hamburg in den Mittelpunkt zu stellen. Wir haben etwa gerade die Kampagne “Hamburg für immer” gestartet. Das ist unser Versprechen: Wir sind immer für unsere Leser, User, Hörer, Zuschauer da, auf den Plattformen, auf denen sie uns haben wollen.
“Für immer”? Ganz schön mutig, wenn es um Print geht.
Wir wollen damit sagen, dass wir das gedruckte “Abendblatt” anbieten, solange jemand es auf Papier lesen will – das sind aktuell laut MA immerhin 580.000 Menschen. Wir hätten die Schließung der Springer-Druckerei in Ahrensburg, in der das “Abendblatt” 76 Jahre lang hergestellt wurde, auch nutzen können, die Print-Ausgabe einzustellen – einen Grund hätten wir gehabt. Aber wir wollten das nicht. Die Leser sollen ihr “Abendblatt” so erhalten, wie sie sich das wünschen. Auch, wenn es für uns in vielen Punkten einfacher wäre, nur digital zu arbeiten. Und wirtschaftlich könnten wir die Redaktion heute schon allein aus den digitalen Erlösen finanzieren.
Einmal Regionalliga und zurück: Das “Hamburger Abendblatt” hat den Fußballclub Eimsbütteler TV ein Jahr lang begleitet. Herausgekommen ist eine siebenteilige Doku-Serie, für die auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf lobende Worte findet. >>> Zur Doku(Foto: Screenshot Abendblatt.de)
Du sagst, dass ihr spätestens seit vergangenem Jahr komplett digital arbeitet. Was hat sich dadurch geändert, vielleicht abgesehen davon, dass ihr nicht mehr alles auf die Print-Veröffentlichung ausrichtet?
Alles? Wir richten so gut wie nichts mehr auf die Print-Veröffentlichung aus. Und wir wissen genau, was unser Publikum lesen will und was nicht, können diese Wünsche gezielt bedienen. Dadurch erreichen wir mehr Leserinnen und Leser und das zahlt sich auch in Abos aus: Wir werden zum Jahresende bei den Digitalabos um etwa 20 bis 25 Prozent über dem Vorjahr liegen, das Wachstum liegt deutlich über unseren Erwartungen. Jeder Redakteur, jede Redakteurin hat jetzt ein Dashboard und kann verfolgen, wie seine Texte gelesen werden – und das wirkt sich auf die Arbeit aus: Wenn wir früher am Mittwoch eine Immobiliengeschichte im “Abendblatt” gebracht hätten, wäre in den Tagen danach erstmal keine weitere erschienen. Heute wissen wir, dass man gar nicht genug Texte über Mieten, Häuser oder Wohnungen in Hamburg machen kann. Jede einzelne wird von mindestens 5.000 Menschen gelesen, in der Spitze kommen wir auf hohe fünfstellige Zahlen. Deswegen machen wir jetzt deutlich mehr davon. Genauso ist das mit Konzertkritiken. Früher hätten wir nicht zu jedem Konzert jemanden hingeschickt, heute wissen wir, dass Kritiken eigentlich immer Abos bringen.
Lauft ihr mit diesem, ich sage mal, abogetriebenen, populären Ansatz nicht Gefahr, thematisch in einer Situation zu landen, wo man früher in Clickbait-Zeiten schon mal war? Damals ging es ja auch darum, nur das zu machen, was populär ist und gut klickt.
Die Gefahr besteht nicht. Denn wir wollen nicht nur Laufkundschaft, die einmal vorbeischaut, sondern zahlende Abonnenten, die dabeibleiben und immer wieder reinschauen. Deswegen werden wir in Überschriften auch nichts versprechen, was wir im Text nicht halten können. Und wir bewegen uns auch zahlenmäßig in ganz anderen Dimensionen als Reichweiten-Portale. Wir freuen uns natürlich über hohe Zugriffszahlen – aber entscheidend ist, dass wir jeden Tag so 50 bis 60 neue, zahlende Abonnenten digital gewinnen. Unsere Herangehensweise führt dabei zu einem Journalismus, der mit Clickbaiting gar nichts zu tun hat. Gut laufen – neben der Lage auf dem Immobilienmarkt und Konzertkritiken – u.a. Themen wie Verkehrspolitik und innere Sicherheit.
Früher wurde der Erfolg eines Chefredakteurs vor allem daran gemessen, wie hoch die gedruckte Auflage war, wie viele Leserinnen und Leser er an sein Blatt binden konnte. Wie misst du heute deinen Erfolg als Chefredakteur?
Da hat sich nicht viel geändert. Heute ist der Fokus auf die Zahlen und Daten womöglich sogar stärker. Allerdings geht es jetzt um die digitale Auflage und die digitalen Erlöse bis hin zu der Frage, wie lange die Nutzerinnen und Nutzer auf abendblatt.de bleiben. Alles das fließt in die Bewertung von Chefredakteuren, aber auch von Ressortleiterinnen und -leitern ein.
Vor fast 14 Jahren bist du beim “Hamburger Abendblatt” angetreten. Seitdem hat sich die Auflage mehr als halbiert, die Redaktion ist um rund 50 Mitarbeitende geschrumpft. Trotz der wirtschaftlich soliden Lage, von der du sprichst, und den digitalen Erfolgen: Fühlt sich deine Arbeit nicht dennoch manchmal wie die Verwaltung eines Niedergangs an?
Ich habe vor drei Jahren privat ein altes Haus saniert. Komplett entkernt, alles neu, nichts blieb mehr, wie es war, außer die Mauern. Hat sich das wie ein Niedergang angefühlt? Nein, überhaupt nicht. Es war anstrengend, manchmal sind Dinge schiefgelaufen, manchmal hätte man schreien können – aber am Ende hat sich die Arbeit gelohnt. Das Haus steht wie eh und ja, sieht aber viel besser aus und ist auf einmal wieder zeitgemäß. So war und ist das mit der Transformation auch. Der einzige Niedergang, den wir sehen, ist der der Print-Auflage. Während die Print-Kurve nach unten geht, geht aber die der Digital-Abos nach oben. Und das gibt mir die Sicherheit, dass es das “Abendblatt” auch in 20, 30 oder 40 Jahren noch geben wird, weitere Modernisierungsmaßnahmen inklusive. Die Daten unterstreichen das: Die Zeitung ist in der Stadt und darüber hinaus extrem wichtig. Wir erreichen täglich mehr als eine Million Menschen mit unserem Journalismus, wir haben ordentliche Umsätze und wirtschaftliche Ergebnisse. Und wir haben allein in den vergangenen beiden Jahren 21 neue junge Leute eingestellt, und damit meine ich nicht die Volontäre.
Als du Mitte der 90er Jahre mit dem Journalismus anfingst, war die Medienwelt dennoch eine ganz andere: Es gab noch keine Videos und Podcasts, Aktualität wurde bei der Zeitung in Tagen, nicht in Stunden oder gar Minuten gemessen. Sehnst du dich manchmal in diese alten Zeiten zurück?
Gar nicht. Wenn man allein mal schaut, wie sich der Journalismus und unsere Arbeit auch verändert hat: Früher wurde in Redaktionen viel geraucht und gern Alkohol getrunken, Frauen und junge Kolleginnen und Kollegen wurden oft nicht gerade wertschätzend behandelt. Chefs haben sich über die Größe ihrer Büros definiert oder über die PS-Zahl ihres Dienstwagens, die hierarchischen Strukturen waren anstrengend. Danach sehne ich mich nun wirklich nicht zurück. Man vergisst leider oft, was alles viel besser geworden ist. Die Zahl der neuen Möglichkeiten im Digitalen ist einfach genial.
Nun konkurriert das “Abendblatt” aber auch mit allen anderen Angeboten im Internet – angefangen vom “Spiegel” oder der “Zeit”, die alle ja auch aus Hamburg berichten – bis zum NDR.
In Hamburg ist vor allem der NDR unser Hauptkonkurrent, der uns mit seiner großen Dominanz im Netz wirklich zu schaffen macht. Zum Beispiel, wenn in Hamburg ein Popstar wie Taylor Swift ein Konzert gibt, und der NDR mit mehreren Teams in verschiedenen Formaten darüber berichtet.
Das “Abendblatt” stirbt nie: Im Jahr 2012 ließ sich Lars Haider von der dpa vertieft in sein “Hamburger Abendblatt” ablichten. Auch zwölf Jahre später verspricht er, dass es die Zeitung “für immer” gedruckt geben wird – oder so lange sie jemand auf Papier lesen will. Im redaktionellen Alltag ist die Print-Ausgabe längst ein Nebenprodukt. (Foto: picture alliance/dpa/Marcus Brandt)
Was die Bereitschaft, Digital-Abos abzuschließen, angeht, habt ihr es in einer reichen Metropolregion wie Hamburg vermutlich leichter als eine Regionalzeitung in der Lausitz. Eine staatliche Zustellförderung für Zeitungen und Zeitschriften ist gerade gescheitert. Brauchen privatwirtschaftliche Medien aus deiner Sicht staatliche Unterstützung, um die Transformation zu wuppen?
Es mag vielleicht hart klingen, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass Politiker zwar gern betonen, wie wichtig ihnen die Pressefreiheit und die lokale Berichterstattung sind. Tatsächlich ist es einigen aber mindestens gleichgültig, wenn Medien verschwinden. Es soll auch in Hamburg wichtige Politiker geben, die es eigentlich ganz komfortabel finden, dass es hier nur noch den NDR und das “Abendblatt” als wirklich große lokale Medien gibt. Dann bleibt mehr Zeit für die eigenen Profile auf Instagram oder TikTok, wo man sich keinen kritischen Fragen stellen muss.
Das heißt, die Politik hat kein Interesse daran, dass der Lokaljournalismus überlebt?
Das Mitleid mit strauchelnden Medien hält sich jedenfalls in Grenzen. Es war schon fast respektlos, wie die Politik die mehrfach zugesagte Presseförderung bei der Zustellung heimlich, still und leise wieder kassiert hat. Aber für mich passt das ins Bild: So richtig interessieren sich Politiker für die Zukunft der freien Presse nicht.
Welches sind aus deiner Sicht die wichtigsten Eigenschaften, die Lokaljournalisten heute brauchen, um den Wandel zu meistern?
Das hat sich eigentlich gar nicht so sehr verändert. Wir nennen das heute nur alles anders. Was heute die viel beschworenen “user needs” sind, war früher die Frage: “Welches Problem meiner Leserinnen und Leser löse ich mit meinem Beitrag?” Dieses Gespür zu haben, ist nach wie vor unglaublich wichtig. Heute haben wir für die Beantwortung dieser Frage zum Glück, anders als früher, viele Daten zur Verfügung. Außerdem hilft es, dass du die Stadt oder die Region, über die du schreibst, kennst und magst. Was bei Hamburg und Umgebung nicht schwerfällt.
Das heißt, du könntest deinem Sohn auch heute noch guten Gewissens empfehlen, in deine Fußstapfen zu treten und Journalist zu werden?
Auf jeden Fall! Ich finde, mit das Schönste am “Hamburger Abendblatt” ist der Stellenwert, den unsere Zeitung in der Stadt hat: Wenn es das “Abendblatt” nicht mehr geben würde, würde es auch ein Stück Hamburg nicht mehr geben.
(Titelfoto: Axel Heimken / dpa / Picture Alliance)
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