CEO oder Klassensprecher? Diemut Roether über die Rollen des ARD-Vorsitzenden.
1. Juli 2023
Wer bin ich – und wenn ja, wie viele? ARD-Chef Kai Gniffke scheint sich nicht ganz klar zu sein über die Rolle, die er in der ARD spielt, beobachtet Diemut Roether bei epd Medien. Mal bezeichne er seinen Job als “Klassensprecher”, mal als “CEO”. Eine Rollenklärung sei dringend nötig, schreibt Roether und stellt schon mal fest, dass sich die ARD nicht wie ein Konzern von einem CEO führen lässt. Und auch die Aufsichtsgremien sind nicht in der Lage, das “große Konstrukt wirksam zu kontrollieren”. Das habe nicht zuletzt der RBB-Skandal gezeigt. Dieser Beitrag ist Teil der Reihe Das Beste von epd Medien bei turi2.
Von Diemut Roether / epd Medien
Zwei Tage haben die Intendantinnen und Intendanten in Stuttgart getagt. Nach der Sitzung verbreitete die ARD eine Pressemitteilung unter dem Titel “ARD stellt Weichen für den Reformweg: jetzt wird es konkret”. Doch – die Überschrift ließ dies bereits befürchten – die ARD hatte wenig Konkretes mitzuteilen. Bereits im Februar hatte die ARD angekündigt, dass für einzelne Themen sogenannte Kompetenzzentren gebildet werden sollen, doch hier scheint der Senderverbund noch nicht viel weiter gekommen zu sein. Noch immer ist nicht geklärt, welche ARD-Anstalt künftig für welches Thema eine besondere Verantwortung übernehmen will und soll. Klarer Fall für die Wiedervorlage im September. Dann, kündigte der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke an, soll aber wirklich beschlossen werden.
Auch zu einem gemeinsamen Mantelprogramm für die Dritten Programme scheint die ARD sich nicht durchringen zu können. Stattdessen soll es nun “modulare Baukästen” für die Dritten geben, aus denen diese sich dann bedienen können. Bei den Kulturwellen wiederum ist von einem “sogenannten Kulturregal” die Rede, einem “Content-Pool” für die Kulturinhalte, der dazu beitragen soll, “Kräfte für neue Themen und Zielgruppen freizusetzen”. Und auch was die angekündigte Abschaffung eines digitalen Fernsehkanals angeht, ist die ARD noch keinen Schritt weiter. Sie verweist auf Anfrage auf die komplizierte juristische Lage und darauf, dass der Dritte Medienänderungsstaatsvertrag, der dies ermöglicht, erst am 1. Juli in Kraft tritt. Anschließend werden sich die Gremien mit der Frage befassen müssen.
In der Pressekonferenz nach der Intendantensitzung kündigte der ARD-Vorsitzende außerdem an, dass der Senderverbund “die CEO-Kommunikation stärken” wolle. Er wolle sich “direkt den Fragen von Menschen stellen”, erläuterte er, in Formaten wie “Ask me anything” oder “Insta Live”. Warum er das CEO-Kommunikation nennt? – “Weil ich der CEO bin.” Fünf Minuten zuvor hatte Gniffke noch gesagt, er wolle das A in der ARD stärken, das für “Arbeitsgemeinschaft” steht. Und wenig später sagte er dann, dass er als ARD-Vorsitzender “so was wie der Klassensprecher” der Intendanten sei.
Hier scheint eine Rollenklärung dringend geboten. CEO oder Klassensprecher? Konzern oder Arbeitsgemeinschaft? Gemessen an den sechs Milliarden Euro, die die ARD aus dem Rundfunkbeitrag erhält, ist der Senderverbund in der Tat ein Konzern, und kein kleiner. Im Ranking der 100 größten Medienkonzerne der Welt, das das Institut für Medienpolitik erstellt, liegt sie mit geschätzten 7,25 Milliarden Euro Umsatz immerhin auf Platz 33; unter den deutschen Medienkonzernen nimmt sie nach Bertelsmann sogar den zweiten Platz ein.
Kein Wunder also, dass die ARD kommuniziert wie ein Konzern und Pressemitteilungen voller Buzzwords heraushaut. Dennoch ist sie als öffentlich-rechtlicher Senderverbund alles andere als ein Konzern oder eine Aktiengesellschaft. Sie ist, wie der Bundesgerichtshof vor acht Jahren noch einmal festgestellt hat, in Rechtsstreitigkeiten nicht einmal parteifähig. Sie gehört der Allgemeinheit, also uns allen, aber die Aufsichtsgremien, das hat sich nicht zuletzt beim RBB-Skandal gezeigt, sind nicht in der Lage, dieses große Konstrukt wirksam zu kontrollieren.
Auch Gniffke, der für zwei Jahre den ARD-Vorsitz hat, kann die Arbeitsgemeinschaft nicht lenken wie ein CEO einen Konzern, und er kann Reformen nicht von oben verordnen. Die Kompetenzzentren können ein erster Schritt sein. Im kommenden Jahr muss sich zeigen, ob sie in der Wirklichkeit funktionieren oder ob am Ende die ARD-internen Rivalitäten und Eifersüchteleien obsiegen. Wirksam werden kann die Reform nur, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einbezogen werden und sie mittragen.