“Den zivilen Dialog befördern” – Ein epd-Interview mit dem scheidenden “RTL-Aktuell”-Moderator Peter Kloeppel.
23. August 2024
Abschied eines Welt-Einordners: “Wir wissen, was unser Kompass ist, und messen uns nicht ständig mit der ‘Tagesschau’ oder mit ‘Heute'”, sagt Peter Kloeppel im Gespräch mit epd Medien. Gut drei Jahrzehnte lang war er das Gesicht der Nachrichten bei RTL, heute um 18:45 Uhr moderiert Kloeppel “RTL Aktuell” zum letzten Mal. Die Redaktion beobachte zwar Online-Trends, aber brauche “die sozialen Medien nicht, um zu entscheiden”, welche Themen sie aufgreife, erzählt Kloeppel. Eine Nachrichtensendung sollte “nicht Mechanismen der Empörungswelt bestätigen”. Im Interview mit Diemut Roether spricht Kloeppel auch über das Bedürfnis der Menschen nach Information, die Polarisierung in den Köpfen und die Alpträume von Nachrichtenjournalisten. turi2 veröffentlicht das komplette Interview mit Kloeppel in der Reihe Das Beste von epd Medien bei turi2.
Interview von Diemut Roether
Wissen Sie, wie viele Sendungen Sie in Ihrem Leben moderiert haben?
Ich kann nur schätzen. Ich denke, es sind an die 6.000 – also alles zusammen: “RTL Aktuell”, Kurznachrichtensendungen und Sondersendungen. Aber der ganz große Teil war natürlich “RTL Aktuell”.
Fehlt Ihnen was an den Tagen, an denen Sie nicht moderieren? Werden Sie gegen 18.30 Uhr nervös?
Nein. Das habe ich mir in den letzten Jahren weitgehend abtrainiert. Denn ich habe mir gesagt, du musst irgendwann aus diesem Flow rauskommen: Ich fange morgens an, mich mit der Sendung zu beschäftigen, arbeite acht, neun, manchmal zehn Stunden auf die Sendung hin und weiß, dass ich um 18.45 Uhr wach und konzentriert sein muss. Ich habe mir fest vorgenommen, dass ich auch im Ruhestand nicht das Gefühl haben möchte, ab halb zehn Uhr morgens ist “Arbeitszeit”, sondern dass ich ganz entspannt in den Tag starte mit anderen Dingen, die mir auch Spaß machen. Vom Zeitunglesen werde ich aber nicht die Finger lassen können.
Was ist das für ein Gefühl, wenn die Sendung vorbei ist? Haben Sie dann den Tag für sich geordnet?
Ja, und das hat mir eigentlich immer am meisten Spaß gemacht: den Tag zu beobachten, die Ereignisse zu gewichten, in eine Reihenfolge zu bringen und so zusammenzufassen, dass wir das Gefühl hatten, wir haben die Nachrichtenlage so gut wie möglich abgebildet. Gleichzeitig wissen wir immer, dass wir den Tag nie in seiner Gänze darstellen können. Journalismus ist immer auch ein Auswahlprozess, bei dem vieles hinten runterfällt, das auch noch spannend gewesen wäre. Aber die Sendung ist nur 22 Minuten lang, und da gibt es nur Platz für zwölf Nachrichtenstücke, zwei bis drei Sportbeiträge und ein paar Wortmeldungen. Wenn man sich aber anschaut, wie viele Hundert Meldungen allein die Nachrichtenagenturen jeden Tag rausbringen, tut es einem manchmal weh, weil man nicht alles untergebracht hat. Trotzdem ist es immer ein erleichterndes Gefühl, wenn wir ein fertiges und in sich schlüssiges Produkt abgeliefert haben.
Wenn ich mir Nachrichtensendungen im Vergleich anschaue, habe ich den Eindruck, jede Nachrichtensendung erschafft ihre eigene Welt. Das hat natürlich auch mit Sportrechten zu tun: Als RTL die Rechte an der Formel 1 hatte, gab es viel Formel 1 zu sehen, bei der “Tagesschau” ist es die Bundesliga, inzwischen werden auch in den Nachrichtensendungen viele Themen präsentiert, die andere Redaktionen in den Sendern recherchiert haben, also journalistische Eigenleistungen. So entstehen unterschiedliche Nachrichtenwelten.
Natürlich hat jede Redaktion ihre Lebens- und Erfahrungswelt und ihre Präferenzen bei der Nachrichtenauswahl, und natürlich hat jede Nachrichtensendung über die Jahre und Jahrzehnte ihren eigenen Stil entwickelt. Die “Tagesschau” sagt von sich, dass sie eine sehr politische Sendung sei, in der politische Themen aus dem In- und Ausland ein größeres Gewicht haben. Für uns ist Politik ebenfalls wichtig und fast immer der Aufmacher, aber es gibt noch andere Themen, die die Menschen beschäftigen. Diese Themen nehmen bei uns einen größeren Raum ein als bei der “Tagesschau”. “Heute” liegt in der Auswahl ein bisschen dazwischen. Das Schöne ist, dass man sich alle drei Sendungen anschauen und vergleichen kann. Allerdings machen das die wenigsten Leute. Die Zuschauer haben sich über die Jahrzehnte ein Lieblingsmedium erarbeitet. Wir wissen, was unser Kompass ist, und messen uns nicht ständig mit der “Tagesschau” oder mit “Heute”.
Aber Sie vergleichen die Sendungen?
Nicht wirklich. Allein schon deshalb, weil wir zeitlich vor der Konkurrenz laufen. Wir haben aber ein ziemlich gutes Gefühl dafür, was die anderen vermutlich in der Sendung haben werden und was nicht. Vielfalt belebt das Geschäft.
(Foto: Oicture alliance / dpa / Oliver Berg)
Früher waren die Fernsehnachrichten für viele Menschen die Hauptinformationsquelle. Heute können wir uns den ganzen Tag über im Internet, in den sozialen Netzwerken informieren. Wie hat sich “RTL Aktuell” dadurch verändert?
Wir wissen, dass die meisten Menschen tagsüber mit vielen Informationen versorgt werden, aber nicht jeder kann den ganzen Tag aufs Handy schauen. Und es gibt viele, die bewusst sagen: Ich habe zwar mitgekriegt, dass etwas passiert ist, aber ich habe nur drei Zeilen dazu gelesen und will abends mehr wissen. Wir wollen diesen Menschen einen Mehrwert liefern, Informationen, die sie nicht über Push-Nachrichten oder soziale Netzwerke bekommen. Zusammenzufassen, zusätzliche Information zu liefern, in die Tiefe zu gehen, war immer unsere Zielsetzung. Wir wissen, die Menschen schalten unsere Sendung um 18.45 Uhr ein, weil sie mehr erfahren wollen.
Sie wollen Einordnung?
Ja, das Einordnen gehört dazu, Kommentierungen von unseren Reportern, auch der weitende Blick auf ein Thema, bei dem wir sagen: Das ist heute wirklich wichtig, da sollten wir uns mehr Zeit gönnen als eine Minute 50. Da kommen vielleicht noch zwei Schalten dazu oder ein erklärendes Stück. Während Covid haben wir viele Sendungen fast monothematisch gestaltet, weil wir wussten, dieses Thema beschäftigt die Menschen jetzt am meisten. Wir sind eine Sendung, von der sie Einordnung erwarten, und das heißt manchmal auch, unangenehme Wahrheiten zu übermitteln.
Wie pflegen Sie den Dialog mit dem Publikum? Gibt es noch Zuschauerzuschriften oder läuft das inzwischen alles über soziale Netzwerke?
Geschrieben wird nicht mehr viel. Ich bekomme zwar immer noch Briefe, aber da geht es nur selten um Inhalte der Sendung. Wir bekommen auch Anrufe von Menschen, die sich geärgert haben über eine vermeintlich fehlerhafte Darstellung. Über soziale Medien bekommen wir ebenfalls Reaktionen, positive wie negative, aber ich habe nicht den Eindruck, dass die Zuschauer ständig mit der Redaktion in Kontakt treten wollen. Natürlich machen wir Zuschauerbefragungen. Einmal im Jahr stellen wir Fokus-Gruppen zusammen, mit denen wir über Inhalte unserer Sendung diskutieren. Aber im Endeffekt müssen wir als Journalisten einschätzen können, welche Themen den Menschen wichtig sind, und wir bekommen durch die Beobachtung anderer Medien und der Diskussionen in sozialen Medien mit, was die Leute umtreibt.
Welche Rolle spielen die sozialen Netzwerke für Sie? Sind sie Agendasetter?
Ich brauche die sozialen Medien nicht, um zu entscheiden, wie unsere Nachrichtensendung aussehen sollte. Natürlich beobachten wir, welche Beiträge online trenden. Das ist für uns aber nur eine Art Kontrollinstrument. Wir wissen selbst, dass die Absage eines Taylor-Swift-Konzerts wegen Anschlagsplänen ein Thema ist, genauso wie der Vormarsch von ukrainischen Truppen auf russisches Staatsgebiet. Da sind wir als Journalisten wach genug.
Es gibt viele Themen, die auf X oder anderen sozialen Plattformen stark diskutiert werden, weil viele Menschen sich empören. Wie gehen Sie mit solchen Empörungsthemen um?
Wenn es Themen gibt, die die Menschen kontrovers diskutieren, überprüfen wir erst mal die Relevanz, und suchen dann gegebenenfalls einen Ansatz, um konstruktiv etwas zuzuliefern. Aber wir springen nicht auf ein Empörungsthema auf, weil wir wissen, das klickt.
Haben Sie manchmal das Bedürfnis, die Wogen zu glätten? Sagen Sie auch mal, wenn die Diskussionen allzu hitzig werden, hier wollen wir gegensteuern?
Klar, wir wollen Fakten liefern und nicht Emotionen befördern. Früher haben die Seeleute Öl ins Wasser gekippt, um im Sturm die Wogen zu beruhigen, ähnlich sehen wir unsere Rolle. Wir gießen kein Öl ins Feuer. Von einer Nachrichtensendung erwarte ich, dass sie den zivilen Dialog befördert und nicht Mechanismen der Empörungswelt bestätigt.
Sie haben kürzlich gesagt, Sie sind dagegen, Kandidaten der AfD zum Kanzler-Duell einzuladen, solange die Partei keine reellen Chancen hat, den Kanzler tatsächlich zu stellen. Würden Sie das in Thüringen oder Sachsen anders sehen?
Das ist eine Entscheidung, die ich so nicht treffen muss. Was andere Medien machen, überlasse ich denen. Aber ich habe auch gesagt, wir können die AfD nicht von allen journalistischen Formaten und Dialogen ausschließen. Natürlich müssen wir mit den Rechten Gespräche führen, aber wir müssen uns immer bewusst sein, dass vonseiten der AfD in solchen Gesprächen verstärkt Halbwahrheiten oder Unwahrheiten angeführt werden. Und das müssen wir als Journalistinnen und Journalisten kontern können, solche Aussagen dürfen wir nicht einfach über uns hinwegrollen lassen, um dann einen Tag später im Faktencheck zu verkünden: “Übrigens, diese Aussage war falsch.” Der Faktencheck muss unmittelbar stattfinden.
Im Moment des Interviews?
Na klar, man muss sich gut vorbereiten auf solche Interviews. Dazu gehört, dass man als Journalist vorher so viel wie möglich über die Positionen eines Interviewpartners liest und in der Lage ist, das Wissen im entscheidenden Moment abzurufen.
In den vergangenen Wochen gab es einige Sommerinterviews bei ARD und ZDF mit AfD-Politikern, wo genau das nicht passiert ist. Was denken Sie, wenn Sie das sehen?
Ich habe diese Interviews nicht gesehen. Aber ich kann nur jedem raten: Leute, bereitet euch vor, seid in der Lage zu kontern und Unwahrheiten zu benennen bei einem solchen Gespräch. Seid auch bereit, euch zu streiten. Lasst euch nicht zum Instrument machen, indem ein Politiker in einem solchen Gespräch Dinge verbreitet, die nachweisbar nicht richtig sind oder Stimmung machen. Das ist unsere Kernaufgabe als Journalisten.
Den Fernsehsendern wird manchmal vorgeworfen, dass sie die AfD mit groß gemacht haben, indem sie der Partei die Bühne bereitet haben, auch durch Auftritte, wo die Moderatoren nicht gut auf solche Unwahrheiten reagiert haben.
Wer erhebt diesen Vorwurf? Meiner Meinung nach ist die AfD auf andere Weise populär geworden. Wir Medien gehören natürlich zum Kosmos der Demokratie dazu. Wir berichten, stellen Dinge richtig, wir zeigen, was gut oder nicht gut läuft, auch wo die etablierteren Parteien versagt haben. Vielleicht haben die Bürger an der einen oder anderen Stelle das Gefühl, man hört ihnen nicht zu, man nimmt ihre Sorgen nicht ernst, man bügelt Dinge ab. Da kann eine Partei, die verkündet, sie würde das alles ganz anders und vermeintlich besser machen, erfolgreich reinstoßen. Die Bürger müssen entscheiden, ob sie das glauben oder nicht.
Sie leben auch in den USA und beobachten den Wahlkampf dort, der ja lange sehr von Trump und seinen Auftritten beherrscht wurde. Was können deutsche Medien aus der Berichterstattung über den Wahlkampf in den USA lernen?
Eines möchte ich vorausschicken: Wir haben hier eine ganz andere politische Situation. Wir haben kein Zwei-Parteien-System, wir haben kein Mehrheitswahlrecht, wir haben nicht diese Fokussierung auf zwei Personen, nicht so eine starke Polarisierung der Gesellschaft. Wenn ich in den USA Fernsehen schaue, geht mir auch die mediale Polarisierung ziemlich gegen den Strich. MSNBC und CNN zum Beispiel sind sehr pro Demokraten, Fox News, Newsmax und OAN sehr pro Republikaner. Das erleben wir in Deutschland so zum Glück nicht. Ich finde unsere politische Landschaft zwar in Teilen unübersichtlich und kompliziert, Koalitionen zu bauen und zu halten ist auch kompliziert, aber immer noch besser als einfach zu sagen: die oder der.
“Natürlich können wir alles sagen, aber wir müssen dann auch mit Widerrede rechnen.”
Sie haben vorhin gesagt, dass die Menschen in der Regel nur eine Nachrichtensendung schauen, das liegt vermutlich daran, dass sie dieser Sendung vertrauen. Haben Sie den Eindruck, dass das Vertrauen in die Medien verloren geht?
Ich sehe, dass wir klassischen Medien – also Print, Rundfunk und TV – eine zwar fragile, aber immer noch sehr große Vertrauensbasis haben in der Gesellschaft. Und ich tue alles dafür, dass es so bleibt. Aber dieser Aufgabe müssen wir Journalisten uns jeden Tag stellen. Indem wir realitätsgetreu berichten und einordnen und kein Agendasetting betreiben. Denn sonst wandern die Menschen ab in die Filterblasen, in denen sie nur noch die Realitäten und Einschätzungen vorfinden, die den eigenen Vorstellungen entsprechen. Gleichzeitig wünsche ich mir, dass wir als Bürger auch mit uns selbst in einem kritischen Dialog bleiben und uns fragen: Wo habe ich diese Meinung her? Bin ich bereit, eine andere Meinung zu hören? Bin ich bereit zu streiten oder verabschiede ich mich in dieses Gefühl des “man darf ja gar nichts mehr sagen” und verschließe mich allem? Natürlich können wir – wenn es im gesetzlichen Rahmen bleibt – alles sagen, aber wir müssen dann auch mit Widerrede rechnen.
“Ich würde mir wünschen, dass wir versuchen, die Polarisierung in den Köpfen runterzufahren.”
Früher wurde auch hart diskutiert. Vielleicht sogar noch härter. Wenn man sich alte Bundestagsdebatten anhört, ging es da ganz schön zur Sache …
Ich lese gerade ein Buch über Abraham Lincoln. Was 1850, 1860 in manchen Zeitungen publiziert wurde an Angriffen gegen einen Präsidenten, der das Sklaventum abschaffen und die Einheit der USA erhalten wollte, war schon unfassbar. Und hat sicher auch dazu beigetragen, dass Lincoln von einem radikalen Südstaaten-Anhänger ermordet wurde. Diese Polarisierung, dieses Zuspitzen, das ist nicht neu.
Und auch damals wurden schon Nachrichten erfunden.
Auch damals wurde gelogen und es wurden abstruse Thesen über Gegenkandidaten verbreitet. Ich würde mir wünschen, dass wir versuchen, die Polarisierung in den Köpfen runterzufahren.
Die Medienwissenschaft hat in den letzten Jahren die Nachrichtenverweigerer entdeckt. Das sind Menschen, die keine Nachrichten mehr aufnehmen wollen, weil sie sagen, es gibt zu viele negative Informationen und sie können das nicht mehr verarbeiten. Müssen wir uns als Journalisten mehr um diese Menschen bemühen?
Nachrichtenverweigerung kommt ja dann zustande, wenn wir das Gefühl haben, wir werden vor allem über unsere Mobiltelefone unkontrolliert mit Informationen überschüttet. Das haben wir aber selbst in der Hand. Ich kann mein Handy so einstellen, dass ich möglichst wenig Nachrichten bekomme. Dass man ansonsten der ständigen “Benachrichtigung” überdrüssig wird, kann ich nachvollziehen. Ich verstehe auch, wenn jemand sagt: Es ist einfach zu viel Information, ich steige nicht mehr durch. Umso wichtiger ist unsere Rolle als Zusammenfasser des Tages, dass wir den Menschen, die tagsüber bewusst Nachrichten vermeiden, einen Grund liefern, unsere Sendung einzuschalten. Dass sich manche Menschen aber ganz aus dieser Nachrichtenwelt verabschieden, akzeptiere ich nur in Grenzen. Es bringt einen nicht weiter, wenn man die Augen verschließt vor dem, was in der Welt passiert.
Wir hatten noch nie so viele Möglichkeiten uns zu informieren wie heute. Trotzdem sind Sie optimistisch, dass die Menschen auch in Zukunft Nachrichtensendungen sehen wollen?
Ich weiß aus Gesprächen mit unseren Zuschauerinnen und Zuschauern, dass sie informiert werden wollen aus verlässlichen Quellen und dass sie kompakt und zusammenfassend Einordnungen bekommen möchten. Es wird immer ein Bedürfnis nach Information geben. Wir konkurrieren jetzt mit Plattformen, die schneller sind, aber dann müssen wir halt unsere Stärken ausspielen. Die alte Journalistenfaustregel gilt: Wenn der andere schneller ist, musst du besser sein und wenn der andere besser ist, musst du schneller sein.
“Ich gucke fast nicht mehr auf X. Als Informationsquelle hat es seinen Zenit überschritten.”
Sie sind auch persönlich auf der Plattform X, früher Twitter. Warum?
Ich war auf Twitter und wurde dann auf X rübergeschubst, aber ich bin nicht aktiv auf X. Ich war auch auf Twitter so gut wie nicht aktiv.
Warum sind Sie damals auf Twitter gegangen?
Weil ich wissen wollte, was dort passiert. Es war für mich vor allem eine Informationsquelle, denn alle für uns wichtigen Personen und Institutionen haben die Plattform genutzt. Am Anfang habe ich noch gedacht, es könnte auch mir Spaß machen, aus meinem Leben zu berichten, ich habe aber festgestellt, dass das nicht mein Ding ist. Ich habe 80.000 oder 90.000 Follower, das ist lächerlich wenig, wenn man sich die großen Multiplikatoren anschaut. Aber ich gucke jetzt fast gar nicht mehr auf X, weil ich es in Teilen nur noch skurril finde. Als Informationsquelle hat es seinen Zenit überschritten. Ich bin auch nicht auf Instagram aktiv, obwohl ich einen Instagram-Account habe. Der ist aber auf privat geschaltet, weil ich lediglich wissen möchte, was andere posten. Ich muss mich nicht mitteilen über soziale Medien, das ist nicht mein Ding.
Sind sie auf TikTok aktiv?
Ich habe einen TikTok-Account, aber wann habe ich das letzte Mal dort reingeschaut? Schon länger her.
Ihr Kollege Armin Wolf vom ORF ist auf X sehr meinungsfreudig. Sie halten sich mit Ihren Meinungen sehr zurück. Warum?
Ich war immer der Auffassung, dass ich als Nachrichtenübermittler kein Meinungsübermittler sein sollte. Ich finde, Armin Wolf macht das toll, er hat aber auch eine andere Sendung als wir. Da passt das. Bestimmt gibt es hier im Haus Menschen, die gesagt haben, der Kloeppel sollte auch präsenter sein auf Social Media, aber ich habe für mich entschieden: Das mache ich nicht.
Haben Sie sich nie bezüglich Ihrer Social-Media-Strategie beraten lassen?
Natürlich gab es immer wieder Gespräche. Ich habe dort meine Position klargemacht, und keiner hat gesagt: Du musst. Ich musste nie.
Sie waren von 2004 bis 2014 zusätzlich zu Ihrer Funktion als Moderator auch Chefredakteur von RTL, haben diese Funktion dann aber abgegeben. Warum?
Die zehn Jahre Chefredakteur waren eine gute, aber auch lange Zeit. Die Doppelbelastung aus Chefredaktion und Moderation konnte ich zehn Jahre gut verkraften, aber dann habe ich gemerkt, das eine oder das andere leidet. Die Aufgaben in der Chefredaktion wurden damals so vielfältig, dass ich bewusst gesagt habe: Ich gebe diese Verantwortung ab, aber die Moderation will ich weitermachen.
Sie haben im Jahr 2001 die RTL-Journalistenschule mitgegründet. Sind Sie dort auch weiterhin aktiv?
Ich habe sie mitgegründet und war in den ersten zehn Jahren recht aktiv, bis ich auch da gemerkt habe, ich kann nicht alles gleichzeitig gut machen. Ich habe das Grundkonzept mit erarbeitet, bin gern in der Schule und helfe auch gern mit, neue Schülerinnen und Schüler auszuwählen, aber ich bin kein Dozent. Ich bestimme den Lehrplan nicht mit, das macht Leonhard Ottinger großartig, der die Schule gemeinsam mit mir auf die Schiene gehoben hat. Für mich war das immer ein Herzensprojekt und wird es auch in Zukunft sein. Wir müssen in die Ausbildung junger Journalistinnen und Journalisten investieren. Das ist die Generation, die unsere Arbeit weiterführt.
Was können junge Journalistinnen und Journalisten von Ihnen lernen?
Dass Journalismus viel mit Herzblut zu tun hat, mit Handwerk, mit Engagement und Leidenschaft, aber auch mit der Fähigkeit, mal die Adlerperspektive einzunehmen und Themen von oben zu betrachten. Kreativ zu sein. Bereit zu sein, mehr zu tun als andere, auch mal 10- oder 14-Stunden-Tage zu akzeptieren: Das ist kein Beruf, in dem man an Werktagen von 9 bis 17 Uhr Journalist ist. Wenn man das richtig gut machen will, ist man das im schlimmsten und besten Fall 24 Stunden.
Was können Sie von jungen Leuten lernen?
Offenheit für Themen, die ich gar nicht sehe. Sich für mehr zu interessieren als für Politik und Wirtschaft, die Lebenswirklichkeit der jüngeren Generation zu durchdringen. Klar weiß ich, dass das Leben anders aussieht, wenn man 25 oder 40 ist, und nicht 65 wie ich, aber ich will auch im Dialog bleiben. Und manchmal auch Fragen stellen: Was wollen wir der Gesellschaft zurückgeben? Wie seht ihr eure Rolle?
Sie haben als Moderator und als Politikjournalist viele historische Situationen miterlebt. Beim Mauerfall waren Sie mit Helmut Kohl in Warschau, am 11. September 2001 haben wir Sie live im Fernsehen gesehen, als die Türme des World Trade Centers in New York einstürzten – für Ihre Moderation haben Sie damals einen Grimme-Preis bekommen. Gab es jemals einen Moment, in dem Sie dachten, jetzt fühle ich mich als Moderator und einordnender Journalist überfordert?
Überfordert ist vielleicht der falsche Ausdruck. Ich habe mich aber oft sehr gefordert gefühlt. Überfordert würde ja bedeuten, ich kann mit einer Situation nicht umgehen und bin nicht in der Lage, meine Gedanken in Worte zu fassen. Das ist mir zum Glück nicht passiert. Ich hatte aber auch immer Menschen an meiner Seite, die mir geholfen haben, wenn ich an Grenzen gestoßen bin.
Die Redaktion?
Mit vielen arbeite ich seit Jahren, teilweise sogar Jahrzehnten zusammen und kann mich immer mit ihnen austauschen. Wir haben während des Tages viel Zeit zu diskutieren: Sehe nur ich das Thema? Wie siehst du das? Warum begreife ich das nicht? Dass man emotional an Grenzen stößt, ist eine andere Frage. Diese Momente finden aber in den meisten Fällen nicht on air statt. Meist sitze ich dann vor dem Computer, kann nicht fassen, was ich sehe oder lese, und frage: Wie gehen wir damit um? Ich bin extrem dankbar dafür, dass ich immer Ansprechpartner hatte und fast nie etwas allein mit mir ausmachen musste. 9/11 war das einzige Gegenbeispiel.
Weil Sie die ganze Zeit allein im Studio saßen …
Ich hatte stundenlang nur meinen Nachrichtenchef im Ohr, Michael Wulf, der mich auf Kurs gehalten hat. Er hat mich mit Informationen versorgt, mich bei Bedarf motiviert: “Das hast du gerade gut gemacht, das ist das nächste, was vor dir liegt, denk dran, dass wir dieses Thema nicht vergessen.” Das war ein Geländer, an dem ich mich festhalten konnte.
Ulrich Wickert, der am 11. September 2001 im Ersten moderiert hat, hat einmal gesagt, er hatte danach Alpträume von abstürzenden Flugzeugen. Hatten Sie das auch?
Nein, nicht zu 9/11. Das beschäftigt einen, ja, aber Alpträume hatte ich dazu nicht.
Aber Nachrichtenjournalisten haben Alpträume, das erzählen viele. Sie träumen zum Beispiel, es ist kurz vor der Sendung und sie haben den Aufmacher noch nicht fertig.
Den 18.45-Uhr-Alptraum habe ich auch. Besonders, wenn ich nicht arbeite. Wenn das Hirn sich ein bisschen entspannt, im Urlaub, dann kommen diese Träume, in denen ich ohne Hosen, ohne Blätter, ohne Zähne im Mund im Studio stehe, oder der Teleprompter ist weiß und ich muss trotzdem on air gehen. Vielleicht gehen die irgendwann mal weg.
Sie erhalten im Oktober den Sonderpreis des Robert Geisendörfer Preises, das ist eine Auszeichnung der Evangelischen Kirche. Welche Rolle sollte Ihrer Meinung nach die evangelische Publizistik heute und in Zukunft in der Gesellschaft spielen?
Erst einmal möchte ich mich ganz herzlich für diese Auszeichnung bedanken: Das ist eine große Ehre und – auch wenn ich das Ende meiner Laufbahn erreicht habe – eine Verpflichtung für meine zukünftige Arbeit, genauso wie für mein Leben. Evangelische Publizistik hatte schon immer einen hohen Stellenwert: mediale Trends und Produktionen aus einer konfessionellen Perspektive zu betrachten und zu bewerten, ist ein essenzielles Regulativ unserer Branche. Das christliche Menschenbild darf meines Erachtens auch in der medialen Darstellung nicht an den Rand gedrängt werden in einer Welt, die sich zunehmend entfernt von Werten wie Mitmenschlichkeit, Fürsorge und Zuversicht sowie der Bereitschaft, einander zuzuhören und unsere natürlichen wie auch ethischen Lebensgrundlagen zu erhalten. Je lauter und wahrnehmbarer in der breiten Öffentlichkeit diese publizistische Stimme ist, desto besser.