Meinung: Warum die Presseförderung nicht das drängendste Problem des Lokaljournalismus ist.
25. November 2023
Unverzichtbar? Auch 2024 wird es von der Bundesregierung wohl keine Zustellförderung für Zeitungen geben. Die Verleger argumentieren, dass Lokalzeitungen wichtig für den Erhalt einer gesunden Demokratie sind, hohe Kosten machen die Zustellung der gedruckten Zeitung jedoch unwirtschaftlich. Das wirklich drängende Problem liegt aber woanders, urteilt Ellen Nebel bei epd Medien und fragt: “Wo gibt es den wirklich guten, kritischen Zeitungslokaljournalismus denn eigentlich noch?” turi2 veröffentlicht ihren Text in der Reihe Das Beste aus epd Medien bei turi2.
Von Ellen Nebel / epd Medien
Der Geldregen, auf den die deutschen Presseverleger seit gut einem halben Jahrzehnt warten, bleibt voraussichtlich wieder mal aus. Die bittere Nachricht von der Sitzung des Haushaltsausschusses am 16. November lautet: Die Bundesregierung wird 2024 voraussichtlich keine Mittel für eine Zustellförderung für Zeitungen bereitstellen. Seit Jahren lobbyieren die Verleger, allen voran der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV), intensiv bei der Politik um finanzielle Unterstützung zum Erhalt ihres Geschäftsmodells. Hoher Kostendruck bei Papier, Transport und Druck mache die Zustellung der gedruckten Zeitung unwirtschaftlich, so die Begründung.
Immer wieder betonen die Verleger dabei, wie wichtig gerade die regionale Tagespresse für den Erhalt einer gesunden Demokratie sei. Tatsächlich ist ein fundierter, kritischer Journalismus auch in lokalen Öffentlichkeiten selbstverständlich grundlegend wichtig. Und, ja: In Zeiten von Fake News und übermächtigen US-amerikanischen Internetplattformen ist er wichtiger denn je. Aber – wo gibt es den wirklich guten, kritischen Zeitungslokaljournalismus denn eigentlich noch?
Qualitätsverlust
Vor Jahrzehnten galt der “Einzeitungskreis” als Schreckgespenst der Pressevielfalt, heute ist er großflächig Realität. Und zwar auch deshalb, weil sich Verlage ihre Gebiete untereinander mancherorts regelrecht aufgeteilt haben. In der Folge befeuerte mangelnder Konkurrenzdruck die ohnehin vorhandene Tendenz, Lokalredaktionen verschiedener Städte zusammenzulegen und kleinzusparen.
Den Lesern blieb der damit einhergehende Qualitätsverlust nicht verborgen, viele bestellten ihre Lokalzeitung ab. Nach Angaben der Auflagenkontrolle IVW verloren die deutschen Tageszeitungen allein im dritten Quartal 2023 fast neun Prozent ihrer verkauften Auflage im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Im Schnitt setzten sie, einschließlich der Sonntagsausgaben, von Juli bis September 11,46 Millionen Exemplare ab. Innerhalb von zehn Jahren hat sich ihre verkaufte Auflage damit fast halbiert: Im dritten Quartal 2013 hatte sie noch bei 20,36 Millionen Exemplaren gelegen.
Zustellung der gedruckten Zeitung eingestellt
Erste Zeitungsverlage ziehen drastische Konsequenzen und verabschieden sich in ländlichen Gebieten ganz von der morgendlichen Zustellung der gedruckten Zeitung. So stellte etwa die Funke Mediengruppe die tägliche Zustellung der “Ostthüringer Zeitung” im vergangenen Frühjahr in Teilen des Landkreises Greiz ein – betroffen waren von dieser Entscheidung nach Unternehmensangaben gerade noch rund 300 Abonnentinnen und Abonnenten.
Immer weniger Leser sind bereit, mehrere hundert Euro im Jahr für etwas auszugeben, das kaum noch einen Mehrwert für sie hat. Um es mit den Worten einer 80-jährigen treuen Lokalzeitungsleserin aus dem Taunus zu sagen: “Die Zeitung kostet inzwischen fast 680 Euro jährlich, dafür kann ich eine Woche in den Westerwald fahren.” Sie gehört zu den Glücklichen, die sich den stolzen Preis überhaupt leisten können, hat ihr Abo aber inzwischen gekündigt. Denn im Gegensatz zu früher findet sie heute kaum noch relevante Informationen aus ihrer 50.000-Einwohner-Stadt in der Zeitung, die keine eigene Lokalredaktion mehr vor Ort hat.
Unter dem Strich erhalten die Leserinnen und Leser an vielen Orten schlechtere journalistische Qualität bei steigenden Abopreisen. Hinzu kommt eine andere, längst absehbare Entwicklung: Im digitalen Zeitalter pflegen inzwischen auch die meisten der heute Über-70-Jährigen einen versierten Umgang mit Handy und Tablet und können sich überregional auch auf den Portalen von “Spiegel” oder “Zeit” informieren. Gedruckt und zugestellt oder nicht: Das wirklich drängende Problem ist das großflächige Verschwinden des Lokaljournalismus.