Wie die rechte Regierung in Italien den Rundfunk auf Linie bringt.
12. August 2023
Bella ciao: In Italien herrscht eine “beispiellose Säuberungswelle im Staatsrundfunk”, beobachtet Birgit Schönau bei epd Medien. Bekannte und erfolgreiche Medienschaffende würden gezwungen, zu gehen. Stattdessen hieve die rechte Regierungschefin Giorgia Meloni Gefolgsleute auf Chefposten. Der Rundfunk ist “vollkommen auf Regierungslinie, in einem Ausmaß, das noch zu Zeiten Berlusconis undenkbar gewesen wäre”.
Von Birgit Schönau / epd Medien
Vor einigen Jahren arbeitete ich ein paar Monate lang mit Roberto Saviano zusammen. Wir trafen uns an wechselnden Adressen in Rom, die ich immer erst kurz vor dem Termin erfuhr. Denn Roberto schwebte in dauernder Lebensgefahr. Seit sein 2006 erschienenes Buch “Gomorrha” zum Bestseller geworden war, verfolgte ihn die neapolitanische Camorra. Was das bedeutete, konnte ich bei unseren Arbeitstreffen erahnen: Die Wohnungen waren abgedunkelt, Fenster und Läden geschlossen. Vor der Tür standen zwei Carabinieri mit Maschinenpistolen.
Unsere Treffpunkte hatte der Verlag Mondadori angemietet, bei dem “Gomorrha” erschienen war. Damals wie heute gehörte Mondadori zum Konzern von Silvio Berlusconi, dessen älteste Tochter Marina leitete ihn. Als Saviano den Politiker Berlusconi immer härter kritisierte, distanzierte sich Marina Berlusconi von ihrem Autor. Savianos nächstes Buch brachte 2013 der Feltrinelli-Verlag heraus. Da war der 1979 in Neapel geborene Schriftsteller schon eine der berühmtesten literarischen Stimmen Italiens, mit Preisen überhäuft. Er arbeitete auch höchst erfolgreich für das Fernsehen: Sein Programm “Vieni via con me”, im November 2010 auf RAI 3 ausgestrahlt, sahen bis zu neun Millionen Zuschauer. Mehr und mehr wurde Saviano vom Antimafia-Schriftsteller zu einer Galionsfigur der italienischen Linken.
Drohung von rechts
Seit Jahren wird Saviano von der Rechten politisch bekämpft. Als der Vorsitzende der rechtspopulistischen Lega, Matteo Salvini, 2018 Innenminister wurde, drohte er Saviano, ihm die Leibwache zu entziehen. Die Ankündigung wurde nicht wahrgemacht, aber sie war ein starkes Signal, nicht nur für Saviano. Rund 250 italienische Journalistinnen und Journalisten stehen derzeit unter Polizeischutz, weil Mafiaorganisationen oder Rechtsextreme sie bedrohen. Ein Innenminister, der erwägt, ihnen aus politischen Gründen den Schutz zu entziehen, arbeitet ihren Verfolgern in die Hände und höhlt die Meinungsfreiheit aus.
Darüber hinaus verklagte Salvini Saviano wegen Verleumdung. Der Schriftsteller hatte ihn “Ministro della Malavita” genannt, “Malavita” heißt schlechtes Leben, ist inzwischen aber auch ein Synonym für Mafia. Kürzlich hat Saviano den Lega-Mann, der inzwischen Transportminister ist, noch einmal so genannt – jetzt sorgte Salvini dafür, dass die RAI den Schriftsteller vor die Tür setzte. Vier bereits bezahlte Folgen des für den Herbst geplanten Programms “Insider – Faccia a faccia con il crimine” (“Auge in Auge mit dem Verbrechen”), in dem es um die Mafia gehen sollte, wurden abgesetzt.
Säuberungswelle im Staatsrundfunk
Saviano ist das prominenteste Opfer einer beispiellosen Säuberungswelle im Staatsrundfunk. Man kann es nur so nennen, wenn bekannte und erfolgreiche Journalisten und Moderatoren – darunter die frühere Senderchefin Lucia Annunziata – gezwungen werden zu gehen, weil ihre Verträge nicht verlängert oder ihre Sendungen ohne Angabe von Gründen abgesetzt werden. Die RAI ist vollkommen auf Regierungslinie, in einem Ausmaß, das noch zu Zeiten Berlusconis undenkbar gewesen wäre.
Regierungschefin Giorgia Meloni will das “unerträgliche Klima der Intoleranz” beenden, das die RAI angeblich bis dato beherrscht hat, und hievt entsprechend Gefolgsleute auf die Chefposten. Allen voran Geschäftsführer Giampolo Rossi, einen Putin-Adepten und Verbreiter antisemitischer Verschwörungstheorien. Für die Opposition ist da kein Platz mehr, weder für Saviano noch für Bianca Berlinguer, eine Tochter des kommunistischen Politikers Enrico Berlinguer (1922-1984). 34 Jahre lang hatte Berlinguer für die RAI gearbeitet, nun wechselt sie zum Berlusconi-Sender Mediaset. Der Meinungsfreiheit wegen. Besser Berlusconi als die RAI, das sind die Zeiten.