Zweierlei Maß? – Mathias Döpfner führt Springers Verhaltenskodex ad absurdum, urteilt Diemut Roether.
22. April 2023
Das Private ist politisch: Wenn Mathias Döpfner den “Bild”-Boss anstachelt, die FDP zu pushen, “ist dies eigentlich keine ‘private Nachricht’, sondern vielmehr eine berufliche Frage an den Chefredakteur”, konstatiert Diemut Roether bei epd Medien. Den Abgang von Julian Reichelt hat der Konzern damit begründet, dass er “Privates und Berufliches nicht klar getrennt hat”. Damit habe auch Döpfner ein Problem, liest Roether aus dessen Umgang mit seinen Chats. Noch in Döpfners Reaktion auf die Leaks im Springer-Intranet widerspreche er dem hauseigenen Code of Conduct. Der besagt, dass “die Geschäftsleitung journalistische Entscheidungen allein der Redaktion überlässt”. Döpfner hingegen hofft “doch sehr”, Einfluss auf “Bild zu nehmen: “Das ist als CEO und Miteigentümer mein Job.” turi2 veröffentlicht den Beitrag in der wöchentlichen Reihe Das Beste von epd Medien bei turi2.
Es ist also wieder passiert. Wieder einmal sind vertrauliche Nachrichten, die der Vorstandsvorsitzende von Axel Springer, Mathias Döpfner, an vermeintliche Freunde oder Vertraute geschickt hat, öffentlich geworden. Wieder einmal hat der Verleger Reue bekundet. “Ich bitte um Entschuldigung dafür, dass ich mit meinen Worten viele gekränkt, verunsichert oder verletzt habe”, schrieb er bei “Bild.de”. Diesmal ging es um den Satz: “Die ossis sind entweder Kommunisten oder faschisten.”
Auch im Oktober 2021 bat Döpfner um Entschuldigung für eine öffentlich gewordene private Nachricht, die er an den Autor Benjamin von Stuckrad-Barre geschickt hatte. Darin hatte Döpfner geschrieben, der damalige “Bild”-Chefredakteur Julian Reichelt sei “halt wirklich der letzte und einzige Journalist in Deutschland, der noch mutig gegen den neuen DDR Obrigkeits-Staat aufbegehrt”.
Hier ist kein Platz, aus den vielen vertraulichen Nachrichten und Mails zu zitieren, über die die “Zeit” nun berichtet hat, in denen sich Döpfner außer über Ossis auch herabwürdigend über Merkel, Söder sowie “intolerant muslims und das ganze Gesochs” geäußert hat. Manche dieser Nachrichten und Mails wurden laut “Zeit” “frühmorgens oder zu nachtschlafener (!) Zeit” geschrieben.
In seiner bei “Bild.de” veröffentlichten Entschuldigung schrieb Döpfner von “privaten Nachrichten”. Auch in einer “Nachricht von Mathias zur aktuellen Medienberichterstattung”, die bei Axel Springer im Intranet veröffentlicht wurde, war von “angeblichen Gesprächen oder Zitaten privater Textnachrichten” die Rede. Und genau hier offenbart sich ein massives Kulturproblem im Hause Springer. Wenn Döpfner an “Bild”-Chefredakteur Julian Reichelt schreibt: “Kann man noch mehr für die FDP machen? Die sollten 16 Prozent mindestens kriegen”, ist dies eigentlich keine “private Nachricht”, sondern vielmehr eine berufliche Frage an den Chefredakteur.
Was sagt es über die Führungskultur im Hause Springer, wenn “Mathias” sich mit “Menschen, denen ich sehr vertraue”, wie er bei “Bild.de” schrieb, umgibt, denen er zu jeder Tages- und Nachtzeit “private” Nachrichten schreibt? Die jeweiligen Empfänger scheinen das geduldet zu haben, womöglich fühlten sie sich sogar geschmeichelt, dass der Chef ihnen so viele “Worte” schickte, die, wie Döpfner schrieb, “‘ins Unreine’ gesagt oder getippt sind”.
Der “Code of Conduct”, den es seit 2013 im Hause Springer gibt und der nach der Kündigung von “Bild”-Chefredakteur Julian Reichelt überarbeitet wurde, hält fest, die Führungskräfte seien “in der Verantwortung, eine Kultur im Unternehmen zu fördern und selbst vorzuleben, in der das Verhalten eines jeden ethisch verantwortlich und von persönlichen Interessen und Beziehungen unbeeinflusst ist”.
Als der Medienkonzern Axel Springer sich im Oktober 2021 von “Bild”-Chefredakteur Reichelt trennte, teilte das Unternehmen mit, dass dieser “Privates und Berufliches nicht klar getrennt und dem Vorstand darüber die Unwahrheit gesagt hat”. Döpfners Chats und sein Umgang mit ihnen offenbaren nun, dass auch der Chef selbst ein Problem damit hat, Berufliches von Privatem klar zu trennen.
Was das Berufliche angeht, hält der Code of Conduct fest: “Die Geschäftsleitung überlässt journalistische Entscheidungen allein der Redaktion und mischt sich in diese nicht ein. Als Journalisten handeln und entscheiden wir redaktionell unabhängig.” Auch diese Regel scheint für den Chef nicht zu gelten. In der Mitteilung im Intranet schrieb er: “Zur These, Mathias Döpfner nehme Einfluss auf ‘Bild’, kann ich nur sagen: ich hoffe doch sehr. Das ist als CEO und Miteigentümer mein Job.”