Frank Behrendt, Serviceplan: “Grinsend ‘Ist gut, könnt ihr kaufen’ in die Kamera zu sagen, ist nicht mehr der Hit.”
7. Juni 2023
Bloß kein Kanye: Eistee und Tiefkühlpizza von Capital Bra – Produkte wie diese werden wir künftig häufiger in den Regalen sehen, meint Frank Behrendt, Marken-Experte und Senior Advisor bei Serviceplan. Ziel sei “echtes glaubwürdiges Involvement”, es reiche nicht mehr, wenn Promis Dinge einfach nur noch in die Kamera hielten und sie lächelnd lobten, so Behrendt. Schief gehen könne die Sache mit den Markenbotschafterinnen natürlich auch – Behrendt empfiehlt einen intensiven Vorab-Check der Kandidatinnen. Im Marke sucht Mensch-Fragebogen für die turi2 edition #21 sagt er außerdem, warum Social Media und Wurst für ihn gut zusammenpassen und wie Brad Pitt auf dem Motorrad mit Kaffee harmoniert.
Wer sind heute die einflussreichsten Botschafterinnen für eine Marke?
Alle Nutzer:innen von Sozialen Netzwerken, die weltweite Social Audience. Wenn es eine Marke schafft, mit einem Clip, einem Testimonial, einem Song auf Instagram, TikTok und Co einen Hype auszulösen, der sich durch immer weiter multiplizierendes Teilen des Inhalts rasend verbreitet, ist das die härteste Währung. Dabei kommt es nicht allein auf die Prominenz der Botschafter:innen an, sondern auf die Kreativität der Inszenierung. Am Ende sorgen die besten digitalen Inszenierungen für Marken heute immer stärker dafür, dass sie Erfolg haben. Denn nur was die Audience interessiert, ist relevant und nur was relevant ist wird geteilt, geliebt und gekauft.
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Wie hat sich das Bild der Markenbotschafterin in den letzten Jahren verändert?
Das Bild hat sich vor allem dahingehend verändert, dass die reinen Präsenter:innen nicht mehr gefragt sind. Nur ein Produkt ins Bild zu halten und grinsend mit Daumen hoch “Ist gut, könnt ihr kaufen” in die Kamera zu erzählen, ist nicht mehr der Hit. Heute geht es um echtes glaubwürdiges Involvement. Der Trend geht dahin, dass Creator:innen nicht nur Stories, Clips und Bilder kreieren, sondern auch Produkte. Die Mega-Erfolgsstories von Erfrischungsgetränken, Pizza und anderen Fast-Moving-Consumer-Goods, die von und mit Rapper:innen auf den Markt gebracht wurden, sind dafür ein gutes Beispiel. In Zukunft werden wir in allen Bereichen Sonder-Editionen erleben, die Markenbotschafter:innen gemeinsam mit Markenpartner:innen auf den Markt bringen. Die Reichweite der Influencer:innen/Creator:innen ist dabei ein zusätzlicher Werbe- und Vertriebskanal und damit auch spannend für die Hersteller:innen als Partner. Gerade wenn es um die Ansprache der attraktiven jungen Zielgruppen geht, die auf klassischen Wegen immer schwerer zu erreichen sind. Aber auch hier ist Vorsicht geboten. Kanye West und Adidas dienen als mahnendes Beispiel, wie schnell Millionen versenkt werden können, wenn ein Markenbotschafter, mit dem man gemeinsame Sache macht, durch sein Fehlverhalten den seriösen Markenpartner in ernste Bedrängnis bringen kann.
Wie findet man die perfekte Passung zwischen Person und Marke?
Damit es optimal zwischen Mensch und Marke passt, muss man im Vorfeld intensiv analysieren und abchecken, ob es wirklich ein perfektes Match ist, oder ob man sich eher von der Prominenz hat blenden lassen. Auch auf das gute alte Bauchgefühl zu hören, ist nicht immer empfehlenswert. Wir nutzen bei Serviceplan verschiedene digitale Analyse-Tools, mit denen wir die vorgesehenen Personen intensiv unter die Lupe nehmen. Alle relevanten Personen sind heute im Netz vertreten, man findet alles, was sie gesagt haben, was über sie gesprochen wird, was Medien berichtet haben. Die Treffer werden dann nach zuvor definierten Indikatoren der Marke untersucht, damit die Kernwerte der Marke mit dem Verhalten und den Aussagen der Person übereinstimmen. So wäre es zum Beispiel kontraproduktiv, wenn eine Marke viel Wert auf Nachhaltigkeit legt und ein:e mögliche:r Markenbotschafter:in einen Verbrenner-Fuhrpark in der Garage hat oder dauernd just for fun in der Weltgeschichte herumfliegt. Hier wird oft nicht genug in der Tiefe geforscht, was sich später schnell rächen kann. Die digitale Welt ist maximal transparent und vergisst nicht. Viele investigative Journalist:innen oder engagierte Konsument:innen warten nur darauf, eine Marke und ihre prominenten Botschafter:innen zu überführen.
Welche Paarung zwischen Mensch und Marke fanden/finden Sie persönlich unglaubwürdig oder unpassend? Welche besonders gelungen?
Ich bin ein positiv tickender Mensch, daher richte ich meinen Fokus lieber auf die guten Beispiele. Sehr gelungen fand ich die Zusammenarbeit der Rügenwalder Mühle mit Model, Autorin und Influencerin Marie von den Benken aka @Regendelfin für das vegetarische Sortiment. Die reichweiten- und meinungsstarke Social-Media-Ikone war schon vorher bekannt für das Thema, hatte sich oft dazu geäußert und auch darüber geschrieben. Als sie dann mit smarten Beiträgen in den sozialen Netzwerken die Produkte der Marke mit der Mühle präsentierte, hatte man überhaupt kein Störgefühl, sondern hat ihr das zu 100 Prozent abgekauft. Auch ich habe die Produkte – von ihr inspiriert – mit meiner Familie gekauft und getestet – wir waren begeistert und sie sind heute Stammgäste in unserem Kühlschrank. Top finde ich auch die Kombi vom Kaffeemaschinen-Hersteller DeLonghi und Hollywoodstar Brad Pitt. Wie er im Spot mit seinem Motorrad der Sonne entgegen cruist und später entspannt eine frisch gemahlene Kaffeespezialität genießt, das ist schon perfetto, um im Film zu bleiben.
Was sind die Vor- und Nachteile, wenn man als Marke auf Influencer/Creators als Botschafter*innen setzt?
Vorteil: ganz klar Reichweite und Interaktion. Früher hat man mit Testimonials Spots gedreht, sie auf Anzeigen und Plakaten platziert und, wenn es besonders witzig sein sollte, sie im Handel auch noch als Pappfigur aufgestellt. Die Kund:innen sollten die vom Testimonial angepriesenen Waren kaufen, weil man auf den Bekanntheits- und Vertrautheitstransfer hoffte. Das hat auch oft gut funktioniert. Günther Jauch ist so ein Beispiel, dem hätten die meisten Deutschen alles abgekauft. Heute haben wir es mit ganz anders tickenden Konsument:innen zu tun, gerade die Digital Natives. Die sind mit Social Media und ihren Stars groß geworden, folgen ihnen, betrachten sie als Teil ihrer Community. Was die posten ist für viele Gesetz. Man kann sie abonnieren, liken, ihre Beiträge kommentieren, manchmal sogar direkt mit ihnen interagieren. Eine völlig neue Erlebnisebene. Für Marken bietet das dadurch auch eine ganz andere Nähe, ein direktes Eintauchen in den Community-Kosmos von Influencer:innen und ihren Fans. Wenn die Marke akzeptierter Teil dieser Gemeinschaft wird, dann dient das auch dem Abverkauf. Nachteil: Es sind Menschen und Menschen machen Fehler. Daher empfiehlt es sich, immer eine übergeordnete Werbestrategie für Marken zu haben, die in der Breite unabhängig von menschlichen Protagonist:innen ist. Diese sind hervorragende Supporter und können viel Traffic und Sales on top auslösen, aber sie können eben auch negative Vibes verursachen und damit kontraproduktiv für die Marke werden.
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