Die Art und Weise, wie die Deutsche Welle ihre neue Intendantin Barbara Massing gekürt hat, ist kaum mehr zeitgemäß, urteilt Jana Ballweber. In ihrer Kolumne “Kurz & KNAckig” kritisiert sie das “Rundfunk-Konklave” und die anschließende Kommunikation der Personalie – so ganz ohne Pressekonferenz und die Möglichkeit, der “Neuen” Fragen zu stellen – als intransparent. Dabei müsste gerade der steuerfinanzierte Auslandssender die bisher verschlossenen Türen weit öffnen, findet die KNA-Journalistin.
Die Kolumne “Kurz und KNAckig” vom KNA Mediendienst erscheint alle 14 Tage donnerstags bei turi2. weitere Beiträge
von Jana Ballweber, KNA
Eigentlich könnten es goldene Zeiten für die Deutsche Welle sein: Mehrsprachige, transnationale Expertise ist angesichts komplexer Krisenlagen so gefragt wie schon lange nicht mehr. Die zunehmend knausrige Politik ist sich weitestgehend einig, dass das Medienhaus gebraucht wird und gefördert gehört. Und auch eine neue Steuerfrau hat der Sender mit etwas Verzögerung gefunden.
Doch ausgerechnet bei Letzterem gab es Zähneknirschen. Denn so richtig überrascht war zwar niemand, dass die bisherige Verwaltungsdirektorin Barbara Massing in der vergangenen Woche als Siegerin aus dem Rundfunk-Konklave hervorgegangen war und ab Oktober die Nachfolge von Peter Limbourg antreten soll. Das war aber nicht der Transparenz im Rundfunkrat oder im Medienhaus selbst zu verdanken, sondern der Recherche von Medienjournalisten anderer Häuser. Offiziell bestätigt wurde vor der finalen Wahlsitzung des Rundfunkrates gar nichts. Dass die Deutsche Welle am vergangenen Freitag deutlich vor der Bekanntgabe des Wahlergebnisses wohl ein bisschen zu früh aufs Knöpfchen gedrückt und ein neues Pressefoto der künftigen Intendantin in seine Bilddatenbank geladen hat, war allenfalls für findige Recherchefüchse ein kleiner, unbeabsichtigter Hinweis durch die Hintertür.
Auch nach der Wahl gab es keine Möglichkeit, die “Neue” zu erleben oder gar in einer Pressekonferenz zu befragen. Stattdessen wurde eine Pressemeldung mit Statements verschickt.
Und so war zwar über die Personalentscheidung selbst kaum etwas Negatives zu vernehmen. Der ganze Prozess selbst ist aber kaum noch zeitgemäß. Öffentliche Sitzungen der Aufsichtsgremien sind bei öffentlich-rechtlichen Anstalten inzwischen Standard geworden. Die ganz hippen Sender bekommen sogar einen Livestream hin. Doch ausgerechnet das oberste Gremium des Auslandssenders, der in Deutschland verhältnismäßig wenig bekannt ist und sich ja doch irgendwie für die Verwendung von Steuergeldern legitimieren müsste, tagt hinter verschlossenen Türen.
Es ist eigentlich undenkbar, dass diese Praxis aufrechterhalten werden kann, wenn der Sender tatsächlich in die Lücke hineinwächst, die der Kahlschlag bei US-amerikanischen Auslandssendern wie Voice of America hinterlassen hat. Mehr Steuergeld in ein Medienhaus, das sich vor allem an Menschen außerhalb Deutschlands richtet: Das ist erklärungsbedürftig – zumal in Zeiten, in denen sich nicht mehr allzu viele Menschen daran erinnern können, welche herausragende Rolle der Auslandsrundfunk vor Ende des Kalten Kriegs besonders in ehemaligen Ostblock-Staaten gespielt hat. Angebote wie Radio Free Europe hatten dort Legendenstatus, weil sie nicht nur dringend benötigte Informationen abseits der strengen Zensur kommunistischer Regime verteilen, sondern auch Sehnsüchte nach westlicher Kultur bedienen konnten.
In Zeiten, in denen die Digitalisierung einerseits die Zensur erleichtert, andererseits aber auch die Untergrund-Medienarbeit in autokratischen Staaten, braucht es eine klare Strategie, wofür es die Deutsche Welle braucht und welche Ziele mit Deutschlands auswärtiger Medienarbeit erreicht werden sollen. Soll die Deutsche Welle die Rolle von Voice of America und Co. übernehmen und die selbsternannte Stimme der Freien Welt werden, mit allen unschönen Konnotationen, die dieser Anspruch bei der Bevölkerung von Staaten wie Irak, Afghanistan oder neuerdings dem Iran auslösen dürfte? Oder soll der Anspruch ein echter Dialog auf Augenhöhe sein, mit unabhängiger Kritik auch an der deutschen Außenpolitik und einer kritischen Begleitung der Dekolonisierung?
Über diese Fragen wird Barbara Massing als neue Intendantin der Deutschen Welle grübeln müssen. Sie wäre gut beraten, die Öffentlichkeit einzuladen, diese Richtungsentscheidungen gemeinsam mit ihr, ihrem Haus und ihren Aufsichtsgremien zu treffen. Transparenz durch die Hintertür reicht schon lange nicht mehr aus.