Kurz & KNAckig: TikTok, Trump und der Gummihammer – Amerikas Netzpolitik ist chaotischer denn je.
23. Januar 2025
Die USA regulieren ihre Digitalwelt nach dem Prinzip “ganz oder gar nicht”, urteilt KNA-Medienjournalistin Jana Ballweber. In unserer Medienkolumne “Kurz und KNAckig” analysiert sie das Hin und Her rund um das TikTok-Verbot, das schon in Trumps erster Amtszeit eingefädelt und am Ende durch ihn wieder gekippt wurde. Für Ballweber ist dieses Chaos kein Zufall: Es spiegelt die planlose Netzpolitik eines Präsidenten, der weniger auf Strategie setzt als auf seine persönliche Laune. Dass Trump nun TikTok begnadigt, Meta aber unter Druck setzt, verkehrt die Verhältnisse noch weiter ins Absurde.
Die Reihe “Kurz und KNAckig” vom KNA Mediendienst erscheint alle 14 Tage donnerstags bei turi2. weitere Beiträge
von Jana Ballweber, KNA
Jetzt haben sie also den Salat. Biden ist weg, Trump wieder da, TikTok ist verboten, war kurz weg, aber dann nach nur zwölf Stunden auch wieder da – inklusive Dank an den neuen alten Präsidenten. Denn der war so sehr Teufelskerl, dass er das Verbot zurückgenommen hatte, ohne überhaupt schon Präsident zu sein. Die Nutzer freut’s: Die Pause war lang genug, um die App zu vermissen, aber kurz genug, um nicht auf den Trichter zu kommen, was man mit der ganzen schönen Bildschirmzeit sonst so anstellen könnte.
Wie es weitergeht, ist unklar. Die offenen Fragen rund um die chinesische Kurzvideoplattform stören nur beim MAGA-Taumel nach der Amtsübergabe. Auf welcher rechtlichen Grundlage die App betrieben wird, was mit den Daten in Zukunft geschehen soll, bleibt so im Fragezeichenmodus. Denn anders als die EU kennen die USA nur ganz oder gar nicht. Keine DSGVO, kein Digital Services Act: Anstatt zu feilen, zu regeln und zu korrigieren, können Kongress und Parlament nur mit dem Gummihammer auf Digitalangebote draufhauen oder sie weitestgehend ungestört gewähren lassen. In der Praxis bedeutete das in der Vergangenheit: Narrenfreiheit für US-Konzerne, Gummihammer für die Konkurrenz von außen.
Das zeigt, dass die Sorge um die Vielleicht-oder-vielleicht-auch-nicht-Weitergabe von Daten ins Reich der Mitte immer nur ein Vorwand war. Denn einerseits stand schon das zunächst ergangene Verbot auf tönernen Füßen, weil die Vorwürfe gegen den Konzern nie belegt, aber oft mit rassistischen Ressentiments untermalt wurden. Andererseits ist die Aufhebung des Verbots durch Trump rechtlich genauso wenig sattelfest, sodass der TikTok-Mutterkonzern Bytedance sich einzig auf Trumps Zusicherung verlassen muss, sie nicht weiter zu belangen. Schließlich hatte der Supreme Court das Verbot aufrechterhalten, und die App feierte ihr Comeback schon vor Trumps fragwürdigem Dekret zur Fristverlängerung. Ein Abhängigkeitsverhältnis, das anderen Digitalkonzernen offenbar zu heikel war, weswegen Apple und Android die App beispielsweise zunächst nicht wieder ins Programm genommen hatten.
Was für ein heilloses Durcheinander. Natürlich war es auch ein merkwürdiger Stunt, bei der Verabschiedung des Gesetzes im vergangenen Jahr eine Frist für einen Verkauf festzusetzen, die einen Tag vor der Amtsübernahme des künftigen Präsidenten endet. Auch die Biden-Regierung, die bislang sturmfest hinter dem Verbot stand, hatte wohl Angst vor der eigenen Courage und wollte das Verbot nicht mehr vollstrecken.
Das erledigte TikTok dann selbst. Zu verlockend die Gelegenheit, alle 170 Millionen Nutzer nochmal darauf aufmerksam zu machen, wem sie ihr Vergnügen zu verdanken hatten: Trump, dem Retter in der Not.
Dabei haben sie bloß vergessen, dass eigentlich er es war, der die Idee eines TikTok-Verbots ursprünglich einmal aufgebracht hatte. Damals, als er in seiner ersten Präsidentschaft rhetorisch scharf gegen die geopolitische Konkurrenz aus und in Fernost geschossen hatte. Bevor er sich mit Elon Musk einen Berater anlachte, der in China beste Geschäfte macht. Bevor er sich mit Mark Zuckerberg im eigenen Vorgarten einen Gegner geschaffen hat, dem er woke Meinungszensur vorwarf und der mit seinen weniger hippen Plattformen Facebook und Instagram von einem TikTok-Verbot am allermeisten profitieren würde. Denn Trump verkehrte das Prinzip Gummihammer einfach ins Gegenteil: TikTok soll schalten und walten dürfen, Meta hingegen verrenkte sich schon prophylaktisch und warf die firmeninterne Politik bei Moderation und Faktenchecks einmal komplett über den Haufen, weil man vor den Drohungen des Präsidenten zu zittern gelernt hatte. Dafür stand Mark Zuckerberg jetzt bei der Vereidigung am Montag stolz mit Jeff Bezos und Elon Musk gleich hinter Trumps Familie in der Ehrenkurve.
Jetzt ist Trump wieder da und alle buckeln nach bestem Wissen und Gewissen. Wem das am Ende nützt, wer in seiner Gunst steigt und fällt, weiß vermutlich nicht einmal der Präsident selbst. Mit einer ausgefuchsten netzpolitischen Strategie ist er bislang weder in seiner ersten Amtszeit noch im Wahlkampf aufgefallen. Was mit Nutzern und Plattformen in den USA passiert, welche Firmen womit Geld verdienen dürfen, welche Richtung das Internet für die gesamte Welt nimmt, all das hängt in Zukunft wieder von den Launen und Interessen eines unberechenbaren Ideologen im Weißen Haus ab.
Dieser Text ist Teil der neuen Kolumnen-Reihe “Kurz und KNAckig”, die alle 14 Tage erscheint. weitere Beiträge