Mal eben per Telefon eine fundierte Auskunft von einer Pressestelle erhalten? Das wird immer schwieriger, beobachtet Steffen Grimberg. Der Leiter des KNA-Mediendienstes mutmaßt in unserer Medienkolumne “Kurz und KNAckig” dass einige Pressestellen aus dem ÖRR-Kosmos – ähnlich wie freie Journalisten nach Zeile – nach “anfallenden Aktenmetern bezahlt” werden. Anders kann er sich die Wagenburg-Mentalität, die bei einigen PR-Profis – auch außerhalb des ÖRR – herrscht, nicht erklären.
Die Kolumne “Kurz und KNAckig” vom KNA Mediendienst erscheint alle 14 Tage donnerstags bei turi2. weitere Beiträge
von Steffen Grimberg, KNA
Früher war Medienjournalismus ganz einfach. Wenn es eine Frage an einen öffentlich-rechtlichen Sender, zum Beispiel den SWR, gab, wurde zum Telefon gegriffen und die Pressestelle angerufen. Das war so schön wie schlicht. Heute begreifen sich viele Sender mehr denn je als Anstalten. Denn sie machen keine Anstalten, Fragen direkt zu beantworten. Auch nicht solche, bei denen es sich nicht um Raketentechnik oder schlimm Investigatives handelt. Nein, wenn das Anliegen geschildert ist, folgt heutzutage fast immer der Standardsatz “Können Sie das nochmal bitte per Mail schicken?”. Auf solche Mailanfragen, selbst auf extra locker formulierte, folgt dann meistens eine schriftliche Antwort im schönsten Nominalstil.
Es ist zwar putzig, so der Bürokratie beim Wachsen zuzusehen. Aber woran liegt das? Am Sicherheitsbedürfnis, ja nicht zu viel zu sagen und sich am Ende gar noch zu verquatschen? Oder an der besseren Dokumentierbarkeit des so ja anstelle eines kurzen Gesprächs entstehenden “Vorgangs”? Ist was dran am Verdacht, dass nicht nur im Journalismus nach Zeile, sondern auch in den Anstaltspressestellen nach anfallenden Aktenmetern bezahlt wird?
Die Steigerung dieser Marotte ist die “Was wollen Sie denn von….?”-Replik. Da ruft man dann bei der auf der Pressemitteilung mit Namen und Nummer angegeben Sprecherin an, jemand anderes im Büro geht dran und fragt: “Was wollen Sie denn von….” Ja, was wollen denn Journalisten, die bei der Pressestelle anrufen?
Ich wollte zum Beispiel vom SWR wissen, was denn mit dem “Tatort”-Haus passiert, wenn der Sender ab 2026 seine “Tatorte” nicht mehr selbst produziert, sondern als Auftragsproduktion nach außen gibt. Das hatte der SWR am Dienstag per Pressemitteilung bekanntgegeben. Was a) eine echte News ist und b) ein bisschen lustig, weil das große Jahres-Pressegespräch des SWR erst am Donnerstagvormittag ist. Also Anruf bei der mit Namen und Nummer angegebenen Person. Jemand anderes geht dran und sagt, dass der Sender eigentlich Fragen nur schriftlich entgegennimmt.
Was passiert, wenn man den Spieß umdreht, ist auch hübsch. Auf meine Bitte, das dann auch schriftlich zu bekommen, kam nämlich – nichts. Und später eine Mail mit der Bitte um “Verständnis, dass sich unsere Pressesprecherinnen derzeit in Terminen befinden und daher nicht persönlich für Sie zur Verfügung stehen. Gerne können wir einen Termin vereinbaren – dann unterbreiten Sie doch bitte mehrere Terminvorschläge im Laufe dieser Woche. Wenn Sie die Antwort schneller benötigen, bieten wir Ihnen an, die Anfrage schriftlich einzureichen.”
Das klingt ein bisschen nach Einschreiben mit Rückschein, ist aber eine fatale Entwicklung. Sie verkompliziert den Austausch und rückt längst nicht nur den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in ein schiefes Licht. Denn der SWR ist kein Einzelfall, auch in völlig anderen Branchen spielen die eigentlich für Kommunikation Zuständigen gerne mal Wagenburg. Für eine Gesellschaft, die angesichts der aktuellen Herausforderungen mehr denn je auf fairen, offenen Dialog angewiesen ist, ist das eine bedenkliche Entwicklung. Professionalität funktioniert auch mündlich. Also macht euch mal ‘n bisschen locker!
Dieser Text ist Teil der neuen Kolumnen-Reihe “Kurz und KNAckig”, die alle 14 Tage erscheint. weitere Beiträge