Kurz und KNAckig: Die Informationsfreiheit zwischen den Rädern der Koalition.
3. April 2025
Aus Philipp Amthors Rhetorik “trieft das Misstrauen gegenüber der Zivilgesellschaft, den Medien und den Bürgern”, schreibt Jana Ballweber zur Forderung der Union nach einer Abschaffung des Informationsfreiheitsgesetzes. Angesichts der “Beziehung voller Missverständnisse” zwischen Nancy Faeser und dem IFG will Ballweber in der Frage auch keine großen Hoffnungen auf die SPD setzen. In unserer Medienkolumne “Kurz und KNAckig” beschreibt sie, weshalb nun selbst die “Krawallschachteln” von “Frag den Staat” “die Bewahrung des Bewährten” anstreben und wie wenig Amthors angedeutetes Verständnis für die Wünsche von Medienschaffenden wert ist.
Die Kolumne “Kurz und KNAckig” vom KNA Mediendienst erscheint alle 14 Tage donnerstags bei turi2. weitere Beiträge
von Jana Ballweber, KNA
Dass ausgerechnet die Krawallschachteln von “Frag den Staat” mal den Status quo der Informationsfreiheit in Deutschland verteidigen würden, hatten wohl die wenigsten auf ihrer Bingokarte für 2025. Eigentlich war die Wunschliste der Transparenzaktivisten für eine Reform des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) lang: keine Kosten für Auskünfte, Möglichkeit zu anonymen Anfragen, kürzere Bearbeitungszeiten, ein IFG auch für Geheimdienste. In den kühnsten Träumen malten sie sich sogar ein Deutschland aus, in dem Behörden Informationen proaktiv veröffentlichen, so dass die Daten nicht mehr – von Antragstellern wie Behördenmitarbeitern – mühsam aus den Mühlen der Bürokratie befreit werden müssen.
Stattdessen steht nun erst mal die Bewahrung des Bewährten an. Denn heimlich, still und leise versuchte die CDU in Person des zuständigen Verhandlers Philipp Amthor einen Satz in den Koalitionsvertrag zu schmuggeln, der in der vergangenen Woche wie eine Bombe eingeschlagen ist: “Das Informationsfreiheitsgesetz in der bisherigen Form wollen wir hingegen abschaffen.” Im Verhandlungspapier aus der Arbeitsgruppe “Bürokratierückbau, Staatsmodernisierung, Moderne Justiz”, die streng nach einem deutschen Department of Government Efficiency riecht, war der Satz zwar noch als offener Streitpunkt zwischen Union und SPD markiert. Schaut man sich aber an, welche Beziehung voller Missverständnisse die Noch-SPD-Innenministerin Nancy Faeser in der vergangenen Legislatur mit dem IFG geführt hat, dürften die Hoffnungen in die Sozialdemokraten als Prellbock zwischen der Informationsfreiheit und der Union nicht allzu groß sein.
Im Koalitionsvertrag hatte die SPD sich seinerzeit mit Grünen und FDP sogar auf die Schaffung eines echten Transparenzgesetzes einigen können, das die Informationsfreiheit deutlich gestärkt hätte. Dass es nicht dazu kam, lag dann ausgerechnet an Faeser, die als Innenministerin für den Gesetzesvorschlag zuständig gewesen wäre. Das Innenministerium als Bremse hat – parteiübergreifend – fast schon Tradition. Als das IFG vor etwa 20 Jahren auf Bundesebene beschlossen wurde, kam die Initiative dafür aus den Reihen des Parlaments, nicht von der Bundesregierung. Die sogenannte Ministerialbürokratie hatte da schon jahrelang gegen mehr Informationsfreiheit gekämpft.
Nun soll die Schraube also wieder zurückgedreht werden. Zwar ruderte Amthor angesichts des öffentlichen Aufschreis mit wehenden Armen zurück und stellte klar, dass das IFG gar nicht ersatzlos wegfallen soll. Stattdessen spricht er vage von “Harmonisierung”. Da aber Bayern und Niedersachsen bis heute überhaupt kein Informationsfreiheitsgesetz haben und gerade Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auch keinerlei Anstalten macht, daran etwas zu ändern, dürfte Harmonisierung zwischen Bund und Ländern mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit eine Verschlechterung bedeuten.
Die Folgen für den Journalismus wären verheerend. Zahlreiche spektakuläre Skandale sind seit Inkrafttreten des IFG nur an die Öffentlichkeit gekommen, weil Ministerien oder Behörden verpflichtet waren, Informationen freizugeben. Darunter fiel pikanterweise auch der Skandal um die Lobbyaktivitäten eines seltsamen IT-Start-ups namens Augustus Intelligence, was Philipp Amthor seinerzeit fast die Karriere gekostet hätte.
Dass Journalisten überhaupt so vom IFG abhängig sind, liegt auch daran, dass es bis heute kein Presseauskunftsrecht auf Bundesebene gibt. Das kritisiert sogar Philipp Amthor, wenn er darauf hinweist, dass das IFG Otto Normalverbraucher inzwischen teils mehr Informationsrechte einräumt als Journalisten oder Abgeordneten mit den eigentlich für sie gedachten privilegierten Informationszugängen. Aber natürlich ist das auch für Amthor kein Anlass, sich in den Koalitionsverhandlungen für ein solches Auskunftsrecht für Journalisten gegenüber Bundesbehörden und -institutionen einzusetzen.
Stattdessen trieft aus Amthors Rhetorik das Misstrauen gegenüber der Zivilgesellschaft, den Medien und den Bürgern. Schon 2019 unterstellte er “sogenannten Aktivisten”, das IFG zu missbrauchen, um “unsere Behörden vorzuführen”. Misstrauen gegenüber seiner eigenen Person hält er dem NDR zufolge hingegen für unangebracht: “Daraus jetzt hier irgendwie so eine Märchenstunde zu machen, dass irgendwelche Informationsrechte beschnitten werden sollen, das hat mit der Realität leider gar nichts zu tun”. Ob das so ist, bleibt abzuwarten, wäre eine Lieblingsfloskel von Journalisten, die an dieser Stelle im Normalfall folgen könnte. Doch wer zu lange abwartet, wird dann vielleicht gar nicht mehr via IFG im Innenministerium erfragen können, wie eine Einschränkung der Informationsfreiheit konkret zustande gekommen ist.
Dieser Text ist Teil der neuen Kolumnen-Reihe “Kurz und KNAckig”, die alle 14 Tage erscheint. weitere Beiträge