Kurz und KNAckig: Warum der “televisionäre Konservatismus” noch üben muss.
17. April 2025
Das neue ARD-Reportagemagazin “Klar” muss beim “televisionären Konservatismus” “‘klar’ noch üben”, schreibt Steffen Grimberg, Leitender Redakteur des KNA Mediendienstes, in unserer Kolumne Kurz und KNAckig. Beim Versuch, “eine nicht nur gefühlte Lücke im öffentlich-rechtlichen TV-Meinungsspektrum” zu schließen, bediene das Format “vielleicht unbeabsichtigt, aber ziemlich eindeutig” Narrative von “Grenzen dicht machen” bis “Asylrecht abschaffen”. Die Redaktion schmeiße “öffentlich-rechtliche Grundsätze in einer Art und Weise über den Haufen”, dass sich die Sendung ihre “hämische Resonanz” selbst zuzuschreiben habe.
Die Kolumne “Kurz und KNAckig” vom KNA Mediendienst erscheint alle 14 Tage donnerstags bei turi2. weitere Beiträge
von Steffen Grimberg, KNA
Wenn man etwas nicht kann oder lange nicht mehr gemacht hat, hilft im Allgemeinen ein bisschen Training wieder auf die Sprünge. Das gilt auch für die ARD. Sie tastet sich auch jenseits ihrer Medienmagazine Schritt für Schritt auf dem Weg voran, über Medien und Medienphänomene und damit immer auch eine ganze Menge über sich selbst zu berichten.
Beim Rundfunk Berlin-Brandenburg liegt das in der Natur der Sache beziehungsweise der Skandale der letzten Jahre. Weshalb es umso unverständlicher ist, dass das dort von Jörg Wagner seit Jahrzehnten etablierte Medienmagazin auf Radio Eins auf der RBB-Sparliste steht.
Andernorts geht vieles eher mal schief, man übt halt noch. Das “Wir über uns und die anderen” ist jenseits des kleinen medienjournalistischen Zirkels für die meisten Redaktionen eben Neuland. Und natürlich verdient die ARD auch Lob, zum Beispiel für die exzellente Doku “Masterplan – das Potsdamer Treffen und die Folgen“, die auch die mediale Debatte dazu und deren Folgen für das Recherchenetzwerk Correctiv aus allen Richtungen beleuchtete.
Wo sie – namentlich bei BR und NDR – aber “klar” noch üben müssen, ist der televisionäre Konservatismus. Die neue “Reportagereihe” gleichen Namens will eine nicht nur gefühlte Lücke im öffentlich-rechtlichen TV-Meinungsspektrum schließen. Das ist aller Ehren wert, aber “Klar” schmeißt dabei öffentlich-rechtliche Grundsätze in einer Art und Weise über den Haufen, dass sich die Sendung ihre hämische Resonanz selbst zuzuschreiben hat. “Ich bin Julia Ruhs. Und wir sagen, was falsch läuft”, fängt der Versuch eines konservativen TV-Haltungsjournalismus an. Und geht in stakkatohafter Undifferenziertheit leider so weiter.
Die Masche: Wir sagen 45 Minuten all das und lassen es so stehen, was woanders zwar auch gesagt, aber dann zusätzlich hinterfragt und eingeordnet wird. In der ersten Folge von “Klar” ging es um “Migration: was falsch läuft“. Und mal ganz abgesehen davon, welche Narrative von “Grenzen dicht machen” bis “Asylrecht abschaffen” hier vielleicht unbeabsichtigt, aber ziemlich eindeutig bedient wurden: Das ist reichlich unterkomplex und suggeriert einfache Lösungen: Keine traumatisierten Menschen aus den Kriegs- und Krisenregionen dieser Welt mehr rein, Kriminalität runter. Klar!
Natürlich lässt es sich prima darüber aufregen, dass Menschen zwar als Asylsuchende abgelehnt werden, dann aber doch den demokratischen Rechtsweg beschreiten und bleiben dürfen, weil es in ihren Heimat- oder aufnahmepflichtigen Ländern drunter und drüber geht. Aber wollen die, die sich aufregen, wirklich, dass Rechtsstaatlichkeit nur für Deutsche gilt und nicht – wie es im Grundgesetz immer noch heißt – für Menschen? Und wäre es in einer komplexen Welt nicht gerade Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Journalismus, zu erläutern, warum das so ist? Vieles ist in so einer Welt eben längst nicht “klar” – auch wenn viele es gerne so hätten.
Isabel Schayani ist eben für ihre 45 Minuten “Deutschland am Limit? Abschiebung, Abschottung, Asyl” mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet worden. Die WDR-Produktion ist in ihrer Haltung genauso klar wie “Klar”, wenn auch in eine andere Richtung. Vor allem aber sehr viel differenzierter. Aber Schayani hat ja auch schon länger geübt – es war bereits ihr dritter Grimme-Preis.
Dass “Klar” einen bekommt, darf getrost bezweifelt werden (Offenlegung: Ich saß in diesem Jahr in der Jury “Information und Kultur” des Grimme-Preises). Und auch der Umgang der Anstalten mit ihrer bewusst als Aufreger produzierten ersten Ausgabe der neuen Reihe zeigt noch viel Luft nach oben. Die Macher von “Klar” hätten sich “die erwartbare Kritik und den Populismus-Vorwurf aus dem linken Lager leider selbst zuzuschreiben”, bilanziert die “Berliner Morgenpost”. Der Mangel an Analyse sei eklatant: “Julia Ruhs und die Redaktion nutzen das neue Format vor allem dafür, Frust zu kanalisieren”. Aber auch das können die Macher von “Nius” und Co. dann doch noch besser als der öffentlich-rechtliche Rundfunk.
Der reagiert auf Kritik – die auch und gerade aus den eigenen Reihen kommt – bislang leider nicht klar, sondern kläglich – und spielt bei offiziellen Anfragen auf Zeit: “Unser Auftrag ist es, mit unseren Programmen die freie und demokratische Meinungsbildung zu fördern und zur Sicherung der Meinungsvielfalt beizutragen”, antwortete zum Beispiel der NDR den Kollegen von T-Online direkt aus der in ARD-Pressestellen gern eingesetzten ÖRR-Phrasendreschmaschine. Dazu gehöre, “regelmäßig auch neue Formate auszuprobieren”. Und weiter: “Eine Evaluation erfolgt wie üblich nach Abschluss der Pilotphase.”
Julia Ruhs darf bis dahin noch zweimal weiter üben – im Mai geht es um “Bauern”, im Juni dann um “Wirtschaft”. Mal sehen, was da falsch läuft.
Dieser Text ist Teil der Kolumnen-Reihe “Kurz und KNAckig”, die alle 14 Tage erscheint. weitere Beiträge