Kurz und KNAckig: Wenn die KI-Blase platzt, bleibt Inklusion auf der Strecke.
2. Oktober 2025
Selbst wenn die KI-Blase irgendwann platzen würde, würde KI nicht einfach wieder verschwinden, schreibt KNA-Redakteurin Jana Ballweber in unserer Kolumne Kurz und KNAckig und erinnert an die Dotcom-Blase im Jahr 2000. Auch damals hätten Unternehmen Unsummen in eine neue Technologie gesteckt, für die es keine Geschäftsmodelle gab. Eine platzende Blase bedeute in der Wirtschaft oft, dass nur die größten Player überleben und sich auf die lukrativsten Geschäftsmodelle beschränken. Geld, das etwa in sinnvolle technische Inklusionsprojekte für die Teilhabe von Menschen mit Behinderung fließt, würde wohl als Erstes wegfallen, warnt sie.
Die Kolumne “Kurz und KNAckig” vom KNA Mediendienst erscheint alle 14 Tage donnerstags bei turi2. weitere Beiträge
von Jana Ballweber, KNA
Künstliche Intelligenz hat längst das Potenzial gewonnen, die Gesellschaft zu spalten. Da sind die Traditionalisten, die aus Angst oder Überzeugung noch nie ein Sprachmodell angefasst haben, und jene, die ohne gar nicht mehr können. Da sind die Zauderer, die vor Desinformation, Monopolmacht oder ökologischer Zerstörung warnen, und jene, die sich von der Technik einen Schub versprechen, ganz gleich in welche Richtung, Hauptsache nach vorne.
Diese scheinen auf den ersten Blick die Fakten auf ihrer Seite zu haben. Eine Studie im Auftrag des Verbandes für Internetwirtschaft eco zeigte in dieser Woche, wie sehr KI der deutschen Wirtschaft Beine macht. Analysten der Deutschen Bank schrieben ihren Kunden jüngst, dass einzig und allein die Investitionen in KI-Infrastruktur die US-Wirtschaft vor einer Rezession bewahre.
Ist also alle tippitoppi im digitalen Garten Eden? Wohl kaum, erwidern die neuzeitlichen Maschinenstürmer und prophezeien, dass die ganze schöne Euphorie sehr bald wie eine Seifenblase zerplatzen werde.
Vermutlich nicht ganz zu Unrecht. Denn die Analysten schreiben weiter, dass es höchst unwahrscheinlich sei, dass die großen Tech-Firmen weiterhin auf diesem Niveau Geld in die Branche pumpen werden. Ein Grund dafür: Ihr Umsatz reicht Berechnungen zufolge nicht einmal aus, um die Rechenkapazität zur Verfügung zu stellen, die KI-Anwendungen in Zukunft brauchen werden.
Warum investieren sie dann trotzdem immer noch wie verrückt? Es ist das alte Spiel des digitalen Kapitalismus. Du brauchst so lange kein funktionierendes Geschäftsmodell wie deine Investoren glauben, dass in deinem Produkt richtig was drinsteckt. Dann musst du nur noch länger durchhalten als die Konkurrenz.
Dieses Spiel spielen auch die KI-Unternehmen, im vollen Vertrauen darauf, dass die derzeitige US-Regierung ihnen da ganz sicher keinen Strich durch die Rechnung macht und auch noch alles dafür tut, dass auch die EU sich nicht traut. Die KI-Kritiker hingegen bauen darauf, dass dieses Spiel so nicht mehr lange weitergeht und sich die KI-Probleme von selbst erledigen.
Es stimmt natürlich: Von allen möglichen Unternehmen nur aus Prinzip in völlig sinnlosen Anwendungsbereichen mit Chatbots konfrontiert zu werden, nervt tierisch. Und doch gibt es Communitys, die Hoffnungen in die Technik (nicht in die dahinterliegenden Geschäftsmodelle und Unternehmenspraktiken) legen. Für Menschen mit Behinderung bedeutet KI zum Beispiel Zugang zu Bereichen, deren barrierefreie Gestaltung der Mehrheitsgesellschaft bisher zu aufwendig oder zu teuer war – sei es mit fortgeschrittener Prothetik, automatisierten Bildbeschreibungen oder Untertiteln.
Natürlich wäre es besser, wenn Menschen mit Behinderung nicht auf fehlerhafte Technik mit ökologischer und kolonialer Gewaltgeschichte angewiesen wären. In der Realität bringt sie aber individuellen Menschen dort Teilhabe, wo die Gesellschaft bisher versagt.
Wer hofft, mit dem Platzen der Blase würde KI einfach wieder verschwinden, dem sei ein Blick in die jüngere Geschichte empfohlen. Es war im Jahr 2000, als eine andere Blase platzte. Auch hier hatten Unternehmen in eine neue Technologie, für die es keine Geschäftsmodelle gab, enorme Summen gesteckt. Die Dotcom-Blase ging in die Geschichte ein – und seien wir ehrlich, wer hat seitdem nochmal was von diesem Internet gehört?
Eine platzende Blase bedeutet in der Wirtschaft oft, dass nur die größten Player überleben und sich auf die lukrativsten Geschäftsmodelle beschränken. Das Geld, das bisher in sinnvolle technische Inklusionsprojekte fließt, würde also als erstes wegfallen. KI-Kritiker wären gut beraten, diese Dimension bei ihren Untergangsfantasien mitzudenken.
Das Internet ist nach der Dotcom-Blase nicht verschwunden, es ist stattdessen noch kommerzieller geworden. Will man verhindern, dass sich die Fehler der Vergangenheit wiederholen, sollte man sich nicht immer nur Gedanken machen, was man alles nicht will, sondern stattdessen Ideen fördern und weiterentwickeln, die etwas an den Grundlagen ändern. Das wird mit den Wachstumswünschen der Digitalpolitik nicht unbedingt kompatibel sein. Doch sich immer wieder in die nächste Blase hineinzusteigern, ist keine Alternative.
Dieser Text ist Teil der Kolumnen-Reihe “Kurz und KNAckig”, die alle 14 Tage erscheint. weitere Beiträge