Sommer, Sonne, Suchtmittel: “Geo Epoche Drogen” in der Blattkritik.
4. Juli 2025
turi2-Chefredakteur Markus Trantow liest die jüngste Ausgabe des Geschichtsmagazins “Geo Epoche”. Seit vor zweieinhalb Jahren die Einstellung des renommierten Magazins drohte, ist er Abonnent des Blattes. In seiner Blattkritik im Rahmen unserer Themenwoche Zeitschriften teilt er erhellende Erkenntnisse über Bier, Gin und Coca-Cola – und begegnet zum Thema LSD einem echten “Geo”-Urgestein.
Wie im Rausch liest sich die neue Ausgabe von “Geo Epoche” – das Thema des Heftes Nr. 133: “Drogen”. Auf 164 Seiten tauchen Redakteurin Kirsten Bertrand und ihr Team ein in “Rausch, Sucht und Verbrechen”. Ich konsumiere das Heft auf der griechischen Insel Samos, u. a. Heimat des antiken Philosophen Epikur, dessen Lehre das Streben nach Lust und die Vermeidung von Schmerz in den Mittelpunkt stellt. Ganz passend, da doch viele heutige harte Drogen einst als Wundermittel galten, um die Leiden der Menschen zu lindern – und zum Teil bis vor 100 Jahren noch frei in der Apotheke erhältlich waren.
Dass das auch für Coca-Cola gilt, sind die Autorinnen und Autoren von “Geo Epoche” überzeugt. Demnach hat die erste vom Coca-Cola-Erfinder John Pemberton ab 1886 in Verkehr gebrachte Rezeptur anderthalb Jahrzehnte lang eine kleine Menge Kokain enthalten. Die Coca-Cola-Company, so “Geo Epoche”, widerspreche dem allerdings bis heute. Ein Teil der Erfolgsgeschichte der braunen Brause sei zudem die im Sommer desselben Jahres in den USA in Kraft getretene Prohibition, die den Amerikanern den Alkohol vergällen sollte.
Überhaupt, der Alkohol. Die heute wohl akzeptierteste Alltagsdroge, die hier auf der griechischen Insel meist in Form von Ouzo oder Retsina fließt, behandelt das Heft gleich an mehreren Stellen: Es packt etwa das Bier bei seinen antiken Wurzeln und macht den Durst der frühen Menschheit nach dem vergorenen Getreidesaft mit für deren Sesshaftwerdung verantwortlich.
Der Gin, der im 18. Jahrhundert in London in Strömen fließt, steht dagegen für die dunkle Seite der Trinkerei: Das Magazin beschreibt London in dieser Zeit in einer Art Dauerrausch. Positiv und angemessen fällt hier (und auch an anderen Stellen im Heft) der Gebrauch von geschlechtergerechter Sprache auf, wenn etwa sowohl von “Trinkern” als auch von “Trinkerinnen” die Rede ist.
In einem anderen Text erfahre ich, dass der Tabak erst vor rund 500 Jahren aus Amerika nach Europa kam. Dass ein rauchfreies Europa allerdings ein mittelalterliches Europa mit all seinen Nachteilen ist, lässt die Euphorie des lebenslangen Nichtrauchers wieder etwas sinken.
Ein angenehmes Wiedersehen gibt es übrigens kurz nach der Heftmitte mit “Geo”-Altmeister Peter-Matthias Gaede. Er war vor zweieinhalb Jahren eine der starken Stimmen, die die Zerschlagung von Gruner + Jahr offen und öffentlich scharf kritisiert haben. Sicher ist es auch seinen starken Worten zu verdanken – neben dem Engagement vieler treuer Leser –, dass es das Geschichtsmagazin “Geo Epoche” heute überhaupt noch gibt. Im aktuellen Heft schreibt er auf neun Doppelseiten über LSD, den “Stoff der (Alb-)Träume”.
Bei all den Abgründen, in die “Geo Epoche” Nr. 133 blickt, kommt das Heft übrigens weder mit erhobenem Zeigefinger daher, noch gibt es sich genussfeindlich. Ganz im Gegenteil: Am Ende des Hefts kommt mit Historikerin Helena Barop eine vehemente Gegnerin von Drogenverboten in einem großen Interview zu Wort.
Geo Epoche “Drogen” ist seit Anfang Juni im Handel und online erhältlich.