Stars zu vermieten: Wer von EM und Olympia profitiert – und wer nicht.
6. Juni 2024
Big, big business: Sport, speziell das Milliardengeschäft Fußball, lebt vom Dreiecksverhältnis zwischen Marken, Medien und Athleten. Wer von wem profitiert, was man von Dirk Nowitzki und Jürgen Klopp lernen kann – und welche Summen sie bewegen, hat Roland Karle im Rahmen der Themenwoche Sport ermittelt.
Sein ganzes Fußballer-Leben lang war Manuel Neuer die Nummer eins – unter den bestverdienenden Sportlern in der Werbung muss sich der Nationaltorwart jedoch mit dem zweiten Platz zufriedengeben. Neuer erzielt zwar seit mehr als zehn Jahren mit Marken wie Adidas, Audi und Coca Cola Zero als Testimonial Millionensummen. Laut Sportbusiness-Experte Peter Rohlmann dürfte Neuer Werbeeinkünfte von jährlich bis zu 8 Millionen Euro erzielen. Viel und doch zu wenig, um Jürgen Klopp den Goldrang streitig zu machen. “An Klopp kommt kein anderer deutscher Sportler heran“, sagt Rohlmann. Dabei verdient Klopp sein Geld fast im Sitzen. Und jetzt tauscht er den Bank-Platz auch noch gegen ein Sabbatical auf dem Sonnenberg, dem Wiesbadener Millionärshügel.
Top-Verdiener. Zuletzt überwiesen Klopps Werbepartner, unter anderem die DVAG Deutsche Vermögensberatung, Erdinger und Nivea, geschätzt um die 20 Millionen Euro pro Jahr. Laut DFB-Vizepräsident Ralph-Uwe Schaffert könnten es sogar 26 Millionen Werbe-Euro sein, die neben seinem fixen Trainergehalt von 24 Millionen Euro auf Klopps Konto landen. Allein die DVAG soll sich das 2020 bis 2025 mit Kloppo verlängerte Engagement wohl eine Jahresgage von etwa 5 Millionen Euro kosten lassen.
Gesichtsvermietung lohnt sich. Die Summen hierzulande wirken im Vergleich mit den Deals internationaler Superstars allerdings bescheiden. Laut “Forbes”-Liste kommen die zehn Top-Verdiener in der Saison 2023/24 auf insgesamt knapp 1,4 Milliarden US-Dollar – rund 1,3 Milliarden Euro. Davon entfallen etwa 30 Prozent auf Einnahmen außerhalb des Sports. Werbe-Weltmeister mit 80 Millionen US-Dollar ist US-Basketballer Lebron James, gefolgt von Fußballer Lionel Messi, 70 Mio, und dem griechischen Basketballer Giannis Antetokounmpo, 65 Mio. Deutsche sind nicht unter den Top 50.
Sportdividende. Ob die Sportpromis ihr Geld wert sind, lässt sich auf Euro und Cent kaum berechnen. Aber “wenn Sportler zur Marke passen, können sie wie ein Werbe-Turbo wirken”, sagt Peter Rohlmann. Zu den wichtigsten Faktoren, die sie mit in die Partnerschaft bringen sollten, gehören Medienpräsenz, Persönlichkeit und Emotionalität. Dann winkt eine ordentliche “Sportdividende”, nach der die Agentur OMG Fuse, Teil der Omnicom Media Group, in einer groß angelegten Studie mit 13.500 Probanden aus vier Ländern geforscht hat. Emotionen wurden acht unterschiedlichen Kategorien von “wütend“ bis “glücklich“ zugeordnet. Ergebnis: Auf einer Skala von 1 bis 6 erzielt Werbung mit Bezug zum Sport ein Rating von 3,8 Sternen, alle Werbemaßnahmen zusammen nur einen Durchschnitt von 2,4. Sprich: Sport löst deutlich positivere Emotionen aus, erst recht bei Sportinteressierten.
Großevents. Bei sportlichen Großereignissen wie der Fußball-EM oder Olympischen Spielen hoffen vor allem Ausrüsterfirmen wie Adidas auf Werbeturbo und Sportdividende. “Durch Wettbewerbe wie die Fußball-EM erwartet Adidas ungefähr 400 Millionen Umsatz“, so Aktienanalyst Christian Salis von Hauck Aufhäuser Investment Banking. Die Sponsoring-Ausgaben des Unternehmens lassen sich, wenn überhaupt, dadurch nur knapp refinanzieren. Adidas zahlt an die UEFA über den EM-Zyklus von vier Jahren geschätzt 120 Millionen Euro, außerdem an den DFB inklusive zur Verfügung gestellter Waren für sämtliche Nationalteams jährlich rund 60 Millionen Euro. Obwohl sie durch die Großevents keine großen Gewinne machen, übertreffen sich die Sportartikler im Wettbewerb um Ausrüster- und Sponsorenrechte, wie der spektakuläre Deal des DFB zeigt: Der Wechsel von Adidas zu Nike spült dem Verband dem Vernehmen etwa das Doppelte in die Kasse.
Preisexplosion. Grund für das Wettbieten: Die großen Turniere im Fußball stellen alles andere in den Schatten. Bei der vorherigen Europameisterschaft 2020 verfolgten mehr als fünf Milliarden TV-Zuschauer die 51 Spiele live, allein 328 Millionen das Finale. FIFA und UEFA sind als Veranstalter von WM und EM quasi Monopolisten. Die großen Sportmarken wollen, ja dürfen bei diesen Mega-Events nicht fehlen. Das verringert ihren Verhandlungsspielraum und erklärt die seit Jahrzehnten explodierenden Preise. Auch die Nicht-Ausrüster stehen Schlange, erneut werben 14 Unternehmen als weltweite Sponsoren der UEFA Euro 2024. Auch wer kein offizieller Rechtepartner ist, nutzt die gewaltige Aufmerksamkeit. So hat zum Beispiel der Sporthändler 11teamsports kurz vor der EM die DFB-Kicker Niklas Füllkrug und Leroy Sané in seine WhyWePlay-Werbekampagne berufen.
Dreiecksverhältnis. Um die wirtschaftliche Dimension zu verdeutlichen: Zwischen 2004 und 2020 haben sich die Erlöse durch die veräußerten Medienrechte auf 1,1 Milliarden Euro gut verdoppelt, bei den kommerziellen Rechten (Sponsoring, Merchandising) auf 521 Millionen Euro verdreifacht. Rund 88 Prozent der Einnahmen aus der Fußball-EM 2020 brachte der Rechteverkauf. Die Kosten, die dadurch bei den Partner-Unternehmen auflaufen, rechnen sich kaufmännisch kaum. Das seien häufig “strategische Preise”, so Peter Rohlmann. Sie werden gezahlt, um Wettbewerber zu verdrängen. All das verdeutlicht, wer im Dreiecksverhältnis zwischen Marken, Medien und Sport den Ton angibt. Clubs und Verbände erzielen Umsatzrekorde, die Fußballer profitieren durch exorbitant gestiegene Gehälter und Werbeeinkünfte. Ein Ende der Preisspirale zeichnet sich nicht ab, das gilt auch für die Olympischen Spiele. Für die Spiele in Peking 2022 (Winter) und in Paris 2024 (Sommer) konnte das IOC die Medien- und Sponsoreneinnahmen auf rund 7,8 Milliarden Euro (plus 13 Prozent) steigern.
Sportler in der Werbung: Worauf es ankommt
Exklusivität. Die Lehrbuch-Regel lautet: Promis sollen nur für wenige Marken werben, weil sie dann unverwechselbar und glaubwürdig erscheinen. Bei Jürgen Klopp sieht’s anders aus: Er hat in den vergangenen Jahren für über 15 Marken geworben, weshalb Abnutzungserscheinungen und Streuverluste drohen. Was für Klopp spricht: Unter den wahrgenommenen Promis in der Werbung gehörte er laut Innofact-Daten mehr als zehn Jahre lang zu den Top 10 mit hohen Sympathiewerten, die selbst nach dem Ende eines Engagements noch auf Marken strahlte, zum Beispiel für Opel.
Nachhaltigkeit. Im Idealfall ist Sponsoring langfristig angelegt. Paradebeispiel: Basketballer Dirk Nowitzki ist seit 2003 Werbegesicht der ING-Bank. Die Partnerschaft begann, als die Bank noch ING Diba hieß und mit dem Jingle “DiBa Diba Du” warb. 2017 wurde ein unbefristeter Vertrag (“Lifetime Partnerschaft”) über die Sportlerkarriere hinaus geschlossen – und seit Oktober 2023 steht eine Dirk-Nowitzki-Statue vor dem Frankfurter ING-Hauptsitz.
Persönlichkeit. Adidas hatte mit Kanye West sogar eine Schuhkollektion (“Yeezy“) entworfen und Milliardenerlöse erzielt. Doch der US-Rapper geriet wegen öffentlicher Ausfälle immer stärker in die Kritik. Nach antisemitischen Äußerungen und Hassreden trennte sich der Konzern von ihm, musste mit hohen Restbeständen umgehen und der Aktienkurs litt.
Risiken. Schon fast zehn Jahre her, aber unvergessen: Nationalspieler Marco Reus warb für kleine und große Autos, Opel brachte sogar eine Sonderedition seines Modells Adam heraus. Dann kam heraus: Reus hatte gar keinen Führerschein – und seine Karriere als Werbefigur war erstmal gestoppt.
Marken-Fit. Passen Mensch und Marke zusammen, stimmen Werte, Verhalten, Eigenschaften überein? Am Ende muss der viel zitierte “Marken-Fit” passen. Oder wie Innofact-Geschäftsführer Christian Thunig sagt: “Testimonials sind in gewisser Weise wie Aktien. Man kann sie vorher prüfen, aber die Wertentwicklung ist längst nicht immer sicher.”