“Artikel zum Thema Wechseljahre sehen immer fürchterlich aus” – Bettina Billerbeck über Menopause und Medien.
6. Dezember 2022
Zeit für Veränderung: Die Werbebranche übersieht die Zielgruppe der 50 plus häufig, sagt Bettina Billerbeck, Geschäftsführerin von Beautiful Minds Media, Verlag hinter der Zeitschrift “Madame”. Mit der Initiative Meno-Mission will das Magazin gezielt Frauen in den Wechseljahren ansprechen und der Menopause “den Schrecken nehmen”. Im Interview mit turi2-Chefredakteur Markus Trantow erzählt Billerbeck, warum Frauen in den Wechseljahren eine Lobby brauchen und was sie an der Darstellung ihrer Generation in vielen Medien stört.
Bettina Billerbeck, “Madame” setzt sich mit ihrer Meno-Mission für die Bedürfnisse von Frauen in den Wechseljahren ein. Was läuft in unserer Gesellschaft schief, dass dieser völlig normale Vorgang der weiblichen Biologie eine Lobby braucht?
Das fängt damit an, dass Frauen gar nicht richtig beraten werden. Selbst in der Gynäkologie wird das Thema Wechseljahre in der medizinischen Ausbildung nur gestreift. Wenn Frauen keine Kinder mehr bekommen können und auch nicht sehr krank sind, dann ist es offenbar egal, wie es ihnen geht. Da frage ich mich schon, was das über unser Frauenbild aussagt.
Ich habe immer gedacht, Männer sind die schlecht Untersuchten, die nie zum Arzt gehen und deswegen Schwierigkeiten haben.
Das Problem ist, dass Frauen meistens gar nicht wissen, wie früh die Begleiterscheinungen der Menopause einsetzen, weil immer nur über die klischeehaften Hitzewallungen gesprochen wird. Es kann schon ab Anfang 40 beginnen mit Symptomen wie Stimmungsschwankungen, Konzentrationsstörungen und Schlafstörungen bis hin zu wirklich depressiven Episoden. Diese Frauen landen dann vielleicht bei ihrem Hausarzt oder ihrer Hausärztin und die sehen die Ursache gar nicht. Im worst case verschreiben sie Schlafmittel oder Antidepressiva, obwohl der Hintergrund eigentlich ein hormoneller ist.
Ihre Mittel, dieses Thema in das Bewusstsein der Menschen zu rücken, sind ja publizistische. Was machen Sie konkret?
Das Erste, was wir gemacht haben, ist einen zweiwöchentlichen Newsletter zu launchen, der mittlerweile 5.000 Abonnentinnen hat. Anfang 2023 starten wir unsere Webseite neu. Darauf kommen dann die Newsletter-Inhalte und Geschichten aus der “Madame”-Redaktion, verbunden mit E-Commerce-Angeboten.
Was erfahren denn die Leserinnen – und womöglich auch Leser – was sie von ihrer Ärztin nicht erfahren?
Wir geben vor allem Expertinnen eine Bühne. Das können Ärzte sein, aber auch Leute, aus dem Bereich Human Resources. Autorinnen von Büchern zum Thema, wie zum Beispiel Miriam Stein, bekommen bei uns eine Stimme. Gleichzeitig gibt es auch Kolumnen, in denen es darum geht, den Wechseljahren den Schrecken zu nehmen – auch mit einer guten Portion Humor.
Frauenzeitschriften setzen sehr auf Jugend als Schönheitsideal. Sehen Sie eine Mitschuld der Medien am schlechten Image der Wechseljahre?
Ich würde da nicht die Schuld bei den Medien suchen. Das Problem ist eigentlich ein anderes: Artikel zum Thema Wechseljahre sehen immer fürchterlich aus. Da zeigt man zum Beispiel Frauen, die angeblich so alt sind wie ich – ich bin jetzt 50 geworden – das sind aber weißhaarige Rentnerinnen, die Nordic Walking machen oder eine Tasse Tee umklammern. Ich fühle mich davon überhaupt nicht angesprochen.
Sollten auch Männer sich über die Menopause informieren?
Ja, unbedingt. Das ist ein Thema, was eine Partnerschaft belasten kann. Und es ist auch wichtig für Kollegen und Vorgesetzte, ob jetzt männlich oder weiblich. Frauen mit Mitte 40 sind ja meistens auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Wenn es ihnen schlecht geht und sie meinen, sie könnten ihren Job nicht mehr und sie schmeißen vielleicht sogar hin, hat auch die Wirtschaft ein Riesenproblem.
Wie sehr ist das, was Sie machen, auch monetär getrieben? Sehen Sie eine Marktlücke?
Wir werden keine speziellen Wechseljahre-Produkte machen. Im Moment sind wir noch dabei, die Community aufzubauen. Wir merken aber, dass es Interesse gibt, zum Beispiel aus der Kosmetikindustrie, bei uns im Newsletter Werbung zu schalten. Das funktioniert gut und ich kann mir vorstellen, dass das auch noch wächst. Und, ja, ein hochwertiges Content-Commerce-Angebot für Frauen um die 50 ist auch eine Marktlücke.
“Madame” ist ein Luxus-Magazin: richtig Hochglanz, das schöne Leben. Wie passt ihre Meno-Mission dazu?
Luxus schützt vor Wechseljahren nicht. Egal wie viel Geld man ausgibt für Schmuck, Kleidung und teure Beauty-Produkte. Man hat trotzdem das gleiche Problem.
Hat die Werbebranche da womöglich über lange Zeit etwas übersehen?
Ich glaube, dass die Werbebranche diese Zielgruppe häufig übersieht. Es hieß lange Zeit: Die Werberelevanten seien die Menschen zwischen 14 und 49. Ich also schon mal nicht mehr. Da kann was nicht stimmen. Wir sind wahnsinnig viele. Diese Generation muss auf den richtigen Kanälen und auch zu den richtigen Themen angesprochen werden. In einem Stil, der zur Zielgruppe passt.
Früher waren ältere Frauen in der Werbung und in den Medien fast unsichtbar. Hat sich da schon etwas verändert?
Das verändert sich zum Glück. Das sieht man zum Beispiel an dem Comeback von “Sex and the City” und “And just like that …”. Die Frauen dort sind alle 50 plus und wahnsinnig toll. Und in der dänischen Fernsehserie “Borgen” kämpft die Hauptdarstellerin mit den Wechseljahren und trifft dadurch auch politische Fehlentscheidungen. Das fand ich sensationell gut.
Oft wird ja eine Konkurrenz zwischen den jüngeren und älteren Frauen aufgemacht. Braucht es mehr Solidarität zwischen den Generationen?
Unbedingt. Ich merke auch bei uns im Unternehmen, wie gut das tut. Wir arbeiten in gemischten Teams, vor allem an der Schnittstelle zwischen Agentur und Verlag. Ich lerne Dinge von jüngeren Kolleginnen, und die von mir. Davon abgesehen, wäre es beim aktuellen Fachkräftemangel ja auch grob fahrlässig, auf seniorige Kolleginnen zu verzichten.
Foto: David Maupilé
Dieses Interview ist Teil der Agenda-Wochen von turi2: Bis zum 18.12. blicken wir jeden Tag auf die Themen, die die Kommunikationsbranche zum Jahreswechsel bewegen.