Blattkritik: Christian Bollert, Geschäftsführer von Detektor.fm, über “Kreuzer”.

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Christian Bollert, Geschäftsführer von Detektor.fm, liest das Leipziger Stadtmagazin Kreuzer nicht nur, wenn turi2 ihn darum bittet. Im Prinzip ist der Leipziger “Online- und Radiomensch” mit dem Heft ganz zufrieden, findet nur, dass die Redaktion manchmal zu tief in den Farbeimer greift und zu wenig über Politik schreibt.

Der Blick in das Leipziger Stadtmagazin ist für mich eher der Normalfall als die Ausnahme. Denn der Kreuzer ist für mich als Online- und Radiomensch das einzige lokale Print-Medium, das ich seit Jahren wirklich regelmäßig lese. Unabhängige Stadtmagazine gibt es ja in Deutschland leider generell kaum noch. Umso schöner, dass sich der “Kreuzer” immer wieder neu erfindet und weiterentwickelt. Ich habe auch den Eindruck, dass dem Team unter dem aktuellen Chef Andreas Raabe noch einmal ein Sprung nach vorn gelungen ist.

Ein Beispiel dafür ist die aktuelle Titelgeschichte zum skurrilen Fall des Leipziger Kulturbürgermeisters, den irgendwie aus der Kulturszene keiner mag, den viele Lokal-Politiker, inklusive des Oberbürgermeisters, schnell wieder absägen wollten und der nun nach knapp sieben Jahren Hängepartie in den kommenden Wochen abgelöst werden soll. Seit Jahren schon arbeitet sich der “Kreuzer” am Kulturbürgermeister ab. Das gehört zwar zu den Aufgaben eines Stadtmagazins, gelingt aber ausgesprochen gut.

Mir gefällt die generelle Struktur des Heftes. Mit “Zwölf aus Einundreißig” bekomme ich gleich einen schnellen Überblick über wichtige Veranstaltungen, in den Ressorts gibt’s längere Besprechungen und Kurzkritiken und der obligatorische Terminteil sortiert übersichtlich die Veranstaltungen des Monats. Die Kreuzer-Macher leisten hier nicht nur die Pflicht eines Stadtmagazin, ich habe den Eindruck, dass die Redaktion auch die Kür sauber absolviert. Denn sie ist dicht an den Themen der Leipziger dran. In der Märzausgabe ploppt da die neue Biomarktinitiative genauso auf wie die gerade gehypte Kneipe im Leipziger Westen. Im Politikteil werden das Verhältnis der AfD zu rechten Straßenbewegungen wie Legida und Pediga, praktische Alternativen zur Flüchtlingsunterbringung oder die Aufwertung von Stadtteilen diskutiert. Da für mich der “Kreuzer” das einzige Print-Lokalmedium ist, würde ich mir persönlich noch deutlich mehr Stadtpolitik wünschen.

Freude machen mir in dieser Ausgabe außerdem die absurden Zeichnungen von Michael Ludwig im Terminteil, die Erkenntnis, dass “knallige Farbakzente, Cortenstahl und Anflüge von Ornamentik nicht zusammenpassen” in der Architekturkolumne oder das Aha-Erlebnis, dass der ehemalige Trainer meines Heimatvereins SV Babelsberg 03 nun bei Chemie Leipzig in der sechsten Liga gelandet ist. Ungewöhnlich für ein Stadtmagazin sind die zwei Seiten zu Computerspielen. Ich kann mir vorstellen, dass das nicht alle Leser gut finden. Ich jedoch freue mich jeden Monat auf die Rubrik “Der Klassiker”.

Vielleicht sollte die Redaktion ab und an mal etwas weniger Farbe einsetzen, das erschlägt mich manchmal. In dieser Ausgabe beispielsweise in der Titelgeschichte mit dem Glücksbärchen-Style oder auf der letzten Seite. Die jeweils zweiseitige alphabetische Auflistung von Filmen oder Platten finde ich persönlich auch etwas aus der Zeit gefallen. Außerdem habe ich mich gefragt, wieso man als Stadtmagazin im März im eigentlichen Heft dem wichtigsten lokalen Kulturereignis des Jahres, der Leipziger Buchmesse, so wenig Aufmerksamkeit schenkt. Klar gibt es eine ausführliche Beilage – auf die könnte man jedoch vielleicht im Heft etwas prominenter hinweisen. Wird doch die Stadt während der Buchmesse besonders lebendig, besonders offen und besonders spannend.

Zum Schluss noch der schon vergangene Woche vom Kreuzer-Chef gelobte Blick in die Kleinanzeigen zu den abseitigen Perlen eines jeden Stadtmagazins: Männer, die sich als Sklaven anbieten, treffen hier auf den Duft der Lebensgeister und eine Kennenlern-Plattform für naturnahe, umweltbewegte, tierfreundliche und sozial denkende Menschen.

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Die Blattkritik erscheint jeden Sonntag bei turi2.de und folgt dem Prinzip des Reigens.

In der Vorwoche hat Andreas Raabe, Chefredakteur des Leipziger Stadtmagazins “Kreuzer”, das Berliner Stadtmagazin “Zitty” kritisiert.

In der Reihe Blattkritik erschienen bisher Beiträge über: 11 Freunde, art, auto motor und sport, B.Z., Bild der Wissenschaft, Capital, chrismon, Cicero, Clap, c’t, Donna, Dummy, Eltern, Emotion, Enorm, Euro am Sonntag, Fit for Fun , Gala, Geo Wissen Gesundheit, Hohe Luft, Horizont, Kicker, Kontext Wochenzeitung, Kreuzer, Landidee, L’Officiel Hommes, manager magazin, Merian, National Geographic, People, Playboy, ramp, Séparée, Sneaker Freaker, Spektrum der Wissenschaft, SZ am Wochenende, t3n, taz.de, Tichys Einblick, Titanic, Vice, Walden, Women’s Health, Yps, Zeit-Magazin, Zitty.