Blattkritik: Christoph Amend, Chefredakteur “Zeit Magazin”, über “Women’s Health”.

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Christoph Amend, Chefredakteur des Zeit Magazins, liest Women’s Health und fragt sich: “Ist das Leben nicht schon anstrengend genug, um sich auch dann noch anzustrengen, wenn es gar nicht nötig ist?”

Bestens gelaunt schreibt der Kollege von turi2 in seiner Mail: “Das Objekt der Kritik ist diesmal ‘Women’s Health’ – das verspricht einen schönen Kontrast”. Ich verstehe, ein “Zeit”-Redakteur bei “Women’s Health”-Lektüre, mal sehen, was da passiert.

Gleich beim Blick auf den Titel erschrecke ich kurz: “Weg mit den letzten drei Kilos” steht da. Aber wenn die weg sind, denke ich, was dann? Der “Zeit”-Redakteur in mir sagt: Erst wenn die letzten Kilos verschwunden sind, wird die Menschheit verstehen, dass man… aber stopp, “Women’s Health”-Leserinnen wissen, dass das anders gemeint ist. Es geht, so steht’s im Innenteil, um “diese verflixten 3 Kilos!”, die einfach da bleiben, “egal, was man tut!”

Beim Hineinblättern ins Heft fällt dann ein interessanter blattmacherischer Kniff auf: Die Texte in Women’s Health sind ultrakurz, so als ob jede Zeile zu viel eine Extrakalorie wäre. Deshalb können auf einer einzigen Inhaltsseite gleich zehn “Coverstorys” angekündigt werden: von “Bunte Vitaminbomben” bis “Zeigen Sie Zähne”, von “Fit für die Party” bis zu “Flirttipps mit Erfolgsgarantie: Mann, ist der lecker!” Auf dem Titel ist dasselbe Thema noch etwas direkter angekündigt: “So flirten Sie sich in sein Herz (oder wahlweise gleich ins Bett).”

Man blättert weiter und weiter, und das soll man auch: “Women’s Health” hat so viele Listen, dass selbst BuzzFeed-Redakteure neidisch werden.

Dieses Magazin verfolgt konsequent ein Ziel: “Women’s Health” will das Leben seiner Leserinnen verbessern und zwar auf allen verfügbaren Oberflächen. Mehr Sport machen, gesünder essen, sich besser kleiden, smarter reisen, weniger arbeiten und den Traummann kennenlernen: So wenig ist das ja nicht.

“Women’s Health” ist also eine Art “Cosmopolitan” ohne Psychologie, aber mit dem unbedingten Willen zum “exemplarisch schönen Body”, wie es in einer zehn Titelgeschichten heißt.

Der Zweifel an sich muss bei einem solchen Konzept natürlich ausgeblendet werden: Alle sehen perfekt aus, lächeln perfekt, haben wirklich überhaupt keine Probleme. Die einzige Frau ohne exemplarisch schönen Body wird in der Rubrik “Die Heldin der Waage” vorgestellt, in der es um die Frage geht: “Wie gewann Sie den Kilo-Kampf?” Das Leben wird von “Women’s Health” erzählt als Kampf gegen sich selbst, als ständiger Selbstoptimierungsprozess.

Am Ende der Lektüre bleibt nur eine Frage: Ist das Leben nicht schon anstrengend genug, um sich auch dann noch anzustrengen, wenn es gar nicht nötig ist?

Im Blattkritik-Reigen schrieb in der vergangenen Woche Wolfgang Melcher, Chefredakteur von “Women’s Health” über “11 Freunde”.

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