Die 70er-Jahre stinken. Alkohol, Zigaretten, Männerschweiß, obendrauf Old Spice. Was heute als ungepflegt gilt, firmierte damals unter Männlichkeit. Drei Dinge braucht der Mann: Bier, Zippen und ‘n geiles Häschen.
Dieser Artikel beginnt, wo die Geschichte von Don Draper und seinem Dauerrausch endet: in der Werberszene der 70er-Jahre. Allerdings an einem so schnöden Ort wie Düsseldorf, dem damaligen Hotspot der Reklamemacher. Keine Wolkenkratzer, kein Hudson, stattdessen Wiederaufbau und die Düssel.
Die 70er-Jahre waren eine Hoch-Zeit für die deutsche Werbung. Die sexuelle Revolution der 68er hatte den Verkaufsstrategen das in ihre Agenturen gespült, was zu Alkohol und Zigaretten fehlte und was sie brauchten, um die Formel “Sex sells” zur Vollendung zu führen: die gesellschaftliche Freigabe der Frau als Objekt, mit dem sich halb nackt und in der Pose sexueller Verfügbarkeit alles viel besser bewerben ließ. Jeans, Fotoapparate, Autoreifen. Und im Angesicht der kleinen, festen Brüste, der aufgerissenen Augen und der viel versprechenden halb geöffneten Beine machte das Bewerben auch deutlich mehr Spaß.
In einem Artikel aus dem Jahr 2012 lässt der Journalist Uli Busch den weisen Stein der Werbe-Industrie, Thomas Koch, erzählen, wie der Werber von damals in den Tag startete: “Täglich Punkt zehn Uhr versammelte sich die komplette Planungscrew zum ‘Zehn-Uhr Schluck’. Jeder von uns hatte einen Whisky im Schreibtisch und war reihum dran, einen auszugeben. Erst dann konnte der Arbeitsalltag beginnen. Er wurde jedoch schon bald jäh unterbrochen. Dann rief schon die verlängerte Mittagspause (‘Mahlzeit!’) in einem der umliegenden Restaurants. Nach dem Essen zwei, drei Fernet-Branca – und der Alkoholpegel hatte wieder Niveau.” Fragt man Koch, ob das stimme oder ob der Kollege Busch da etwas sehr auf die Trommel gehauen habe, sagt Koch: “Das stimmt absolut.” Und legt nach: “Und gequalmt haben wir! Ununterbrochen.”
Jerry Della Femina, legendärer New Yorker Werber, auf dessen Erinnerungen die Serie “Mad Men” fußt, sagte im “Zeit Magazin”, er erinnere sich an eine Kampagne des Zigarettenherstellers Camel aus den 70ern, in der es hieß, “vier von fünf Ärzten sagen, Rauchen sei gesund”. Tatsächlich, so erzählt der zum Zeitpunkt des Interviews 73-Jährige, “haben wir das alle geglaubt”.
Die Ausführungen der Texter-Legende Reinhard Siemes, der in seinem 2015 posthum veröffentlichten Buch “Mein Todfreund, der Alkohol” ebenfalls die 70er-Jahre beschreibt, bestätigen das Bild von der Reklame- Agentur als Lodderbude des kreativen Mannes und erklären einmal mehr das Odeur von Alk, Tabak und Sperma, das so vielen Werbemotiven dieser Zeit anhaftet. Frauen wurden nicht nur in den Anzeigen als gefügiges Beiwerk gezeigt, auch in ihrer Anstellung als Assistentinnen wurden sie oft genug als “Extra” des Bürolebens begriffen. Die legendäre Kampagne “Ich trinke Jägermeister, weil …” war auch deshalb so erfolgreich, weil sie laut Siemes “bei Säufern genau auf den Punkt trifft”. Und weil “der Trinker, der auch Werbetexter war” – so definierte Siemes sich selbst –, weiß, wovon er redet, wenn er fadenscheinige, irrwitzige, abstruse Gründe formuliert, um das Trinken zu rechtfertigen. Säufergründe. …weiterlesen in der turi2 edition2 (Paid)