turi2 edition #10: Florian Haller über Work-Life-Integration, Nachhaltigkeit und Diversität.
25. Februar 2020
Neugier als Grundlage: Agenturchef Florian Haller führt in zweiter Generation die Werbeagentur Serviceplan. Im Interview mit Peter Turi für die turi2 edition #10 spricht er über das Verlangen der jungen Generation nach Work-Life-Integration und Nachhaltigkeit und darüber, wie diverse und neugierige Teams Innovationen hervorbringen.
Sie sind Chef der größten inhabergeführten Kommunikationsagentur in Deutschland. Dieses Jahr wird Serviceplan 50. Was gibt’s zu feiern?
Auf jeden Fall die faszinierende und begeisternde Wachstumskurve. Die begann schon bei den beiden Männern, die diese Agentur 1970 gegründet haben: meinem Vater Peter Haller und Rolf Stempel. Heute sind wir 4.250 Leute in der Gruppe. Das ist schon was Besonderes.
Würden Sie der Agentur heute noch mal so einen langweiligen Namen geben wie Serviceplan?
Der klingt im ersten Moment vielleicht uncool. Aber er ist anders. Und wenn man weiß, dass es Anfang der 70er tatsächlich einen Serviceplan gab, der schon damals für integrierte Kommunikation stand, dann ist das allemal besser als Haller, Stempel & Partner.
Wo liegen heute die Herausforderungen?
Die erste ist eine deutlich eingetrübte Konjunktur. Und ich rede nicht von einer kleinen Konjunkturdelle, wir kommen weltweit in raues Fahrwasser. USA, England, Europa, Asien – überall geht die Konjunktur runter. Damit müssen wir die nächsten drei Jahre rechnen. Die zweite große Herausforderung ist die strukturelle Veränderung, die in den Medien begonnen hat und mittlerweile die ganze Branche mitreißt.
Also die Digitalisierung.
Ja. Mit der Entwicklung von Werbekampagnen alleine ist kein Geschäft mehr zu machen. Du musst Kampagne, geeignete Medien, Daten und Technologie zusammenbinden. Leichter gesagt als getan. Das ist intellektuell und strukturell eine ganz andere Herausforderung, als nur eine reine Werbekampagne zu machen. Dafür braucht es die richtigen Leute und eine neue Unternehmenskultur.
Kriegen Sie die besten Leute?
Das ist keine leichte Aufgabe. Einerseits kommen weniger junge Menschen und damit weniger Talente auf den Arbeitsmarkt. Andererseits sind unsere Wettbewerber nicht mehr nur andere Agenturen, sondern Amazon, Google oder Boston Consulting. Employer Branding ist eine zentrale Aufgabe und wir arbeiten stetig daran, ein attraktives, junges und modernes Umfeld zu bieten. Wir brauchen Leute mit der Begeisterung für die Aufgabe, an Marken und Kommunikation zu arbeiten.
Woher kommt die Inspiration für Neues? Aus New York, Peking, dem Internet?
Innovation kommt vor allem dadurch, dass wir neugierig sind, egal, wo wir leben. Neugier ist die Grundlage für Innovation. Deshalb ist Neugier einer unserer Grundwerte. Auch glaube ich zutiefst, dass Teams, die international arbeiten und divers sind, interessanter, spannender und erfolgreicher sind als eine Monokultur.
Wächst eine neue Generation heran – mit anderen Werten?
Absolut. Wir sehen, dass jüngere Menschen in einigen Punkten anders ticken: Arbeit ist nicht mehr Zentrum des Lebens. Sie wollen nicht nur Work-Life-Balance, sondern eine Work-Life-Integration. Dann verlangen sie Nachhaltigkeit. Das ist keine Modewelle, sondern ein Thema, das alle Marken beantworten müssen. Der dritte Punkt, ein bisschen die Kehrseite der modernen Welt, in der wir alles sofort bekommen: Junge Menschen sind oft weniger geduldig, oft schneller frustriert und geben dann auf. Und junge Menschen fordern definitiv Diversität in jeder Hinsicht, eine Buntheit der Teams in Sachen Geschlecht, Herkunft oder Orientierung.
Wirkt sich das auch aufs Marketing aus?
Absolut. Der Kern einer Marke muss heute eine Haltung transportieren. Welchen Sinn stiftet das Produkt, welche Emotionen transportiert es?
Aber Karen Heumann sagt: Nicht jeder Joghurt braucht eine Haltung.
Da widerspreche ich: Gerade die Landwirtschaft muss sich in Sachen Tierhaltung positionieren. Die wirklich guten Milchprodukte haben eine Haltung: Regionalität, Nachhaltigkeit, Qualität.
Welche Unternehmen werden überleben?
Früher hat man gesagt: Die Großen fressen die Kleinen. Das hat sich durch Digitalisierung und Social Media fast rumgedreht. In einer sich schnell verändernden Welt ist Größe heute oft ein Manko. Wenn eine Bank 20.000 Filialen in Deutschland hat, könnte das ein Problem werden. Überleben wird, wer schnell ist, anpassungsfähig, flexibel, relevant.
Lesen Sie alle Geschichten der turi2 edition #10 – direkt hier im Browser als E-Paper.