Kurz & KNAckig: Was Springer sein Musk, ist der ARD ihr Mischke – Warum die Causa “ttt” eine Causa ARD ist.
9. Januar 2025
Die ARD spielt gerade mal wieder ‘Rappelkiste’, analysiert Steffen Grimberg in unserer Medienkolumne Kurz und KNAckig mit Blick auf die Mischke-Debatte. Er fragt sich, wer in der ARD “zwischen Weihnachtsgansüberfüllung und Silvesterkater” mit wem was gesprochen hat. Schließlich habe der Sender sich vor Silvester “nochmals ausdrücklich” hinter Thilo Mischke als “ttt”-Moderator gestellt,”um ihn dann kurz nach Neujahr zu versenken”. Der Leiter des KNA-Mediendienstes kann zudem nicht ganz nachvollziehen, warum ausgerechnet Programmdirektorin Christine Strobl nun für die ARD in die Bütt geht – mit der Verpflichtung Mischke dürfte sie nur wenig zu tun gehabt haben.
Bei der ARD wechselt alle zwei Jahre der Vorsitz. Seit einer Woche ist nun der Hessische Rundfunk dran, dessen Intendant Florian Hager in diesem und im nächsten Jahr den Laden führt. Übrigens in einer gewissen Aufgabenteilung mit Radio Bremen, was ein Novum in der ARD-Geschichte ist – und der Beweis dafür, dass sich etwas bewegt. Natürlich wäre jetzt interessant zu erfahren, was der HR und Hager vorhaben und wie das mit Radio Bremen laufen soll.
Doch dafür ist keine Zeit, denn die ARD spielt gerade mal wieder “Rappelkiste”, auch wenn die anarchische Kindersendung seinerzeit im ZDF lief. Es gehört eben zu den schönen Regelmäßigkeiten im ARD-Eigenleben, dass neue Vorsitzanstalten gleich zu Beginn ein Problem vor die Tür gekippt kriegen, was ihnen eher mal andere eingebrockt haben. Was Springer sein Musk, ist der ARD also ihr Mischke.
Die Fakten sind eigentlich gar nicht so kompliziert: Thilo Mischke hat erheblichen Mist über Frauen bzw. das Verhältnis von Männern und Frauen geschrieben, der nicht allein als Jugendsünde abgetan werden kann. Ob er sich darüber wirklich weg- und fortbewegt hat, ist umstritten. Er hat – vor allem bei ProSieben – gezeigt, dass er journalistisch harte und schwierige Themen angehen und so verhandeln kann, dass sie auch breitere und vor allem jüngere Zielgruppen erreichen. Für die ARD war er auch schon am Start, sogar im Kulturbereich, zum Beispiel letztes Frühjahr im Rahmen der “Kafka und ich”-Reihe zum 100sten Todestag des großen Schriftstellers.
Mischke sollte nun neben der wunderbaren Siham El-Maimouni das neue Gesicht von “ttt” werden, was angeblich einstimmig von den zuständigen Kulturchefinnen – und -chefs der an “ttt” beteiligten Anstalten beschlossen ward. Dass die darüber auch mit den zuständigen Redaktionen gesprochen haben, wäre zu vermuten. Oder auf jeden Fall eine gute Idee gewesen. Denn dass es mit Mischke reichlich Konfliktpotential gab, hätte allen Beteiligten klar sein müssen. Weshalb die ARD ihn vor Silvester nochmals ausdrücklich stützte, um ihn dann kurz nach Neujahr zu versenken.
Das ist gefundenes Fressen für den Rest der Medienblase. Wer wüsste nicht gerne, wer wirklich mit wem zwischen Weihnachtsgansüberfüllung und Silvesterkater was gesprochen hat? Der “Spiegel” bietet dieser Tage sogar eine Neuropsychologin auf, die die ARD ganz menschlich analysiert – um festzustellen, dass es mit Dialog und Fehlerkultur wie im wahren Leben auch in der Anstalt so eine Sache ist.
Den Dialog für die ARD nach außen übernimmt derweil Programmdirektorin Christine Strobl vom Ersten, die bei von mehreren ARD-Anstalten gemeinsam verantworteten Sendungen wie “ttt” aber genauso viel zu sagen hat wie Florian Hager als ARD-Vorsitzender den einzelnen Landesrundfunkanstalten. Also eher mal weniger. Was im Umkehrschluss nochmal den Befund des Zukunftsrats unterstreicht, dass es der ARD bei ihren gemeinsamen Unternehmungen mit einer zentralen Führung und Verantwortlichkeit vielleicht besser ginge.
So gibt es Koordination statt Führung, und die liegt in Sachen Kultur beim MDR und seiner Programmdirektorin Jana Brandt. Weshalb der MDR genauso schön (und klug?) stillschweigt wie der Vorsitzende Hager, zumal Brandt und Strobl auch nicht immer einer Meinung sind und Strobl jetzt schließlich die Kastanien aus dem Feuer zu holen versucht.
Weil das in guter ARD-Tradition aber heißt, dass die anderen schuld sind – Strobl kritisiert ja ausdrücklich die “sehr aufgeregte” Diskussion, die eine Debatte unmöglich mache –, ist die Stimmung reihum vergiftet. Interessant ist dabei auch, dass Strobl nach eigenen Angaben gar nicht in den Entscheidungsprozess in Sachen Mischke einbezogen war, jetzt aber die Krisenmanagerin gibt. Fehlt nur noch die Position von Mischke, der sich bislang ebenfalls bedeckt hält und sich laut ARD nach gemeinsamer Aufarbeitung später aber melden will.
Vielleicht geht es bei der Aufarbeitung auch um die Frage, was der Spaß die Beitragszahler kostet. Denn die Tinte unter den Verträgen für die “ttt”-Moderation und einen zusätzlichen, jetzt aber auch nicht mehr stattfindenden Podcast dürfte längst trocken gewesen sein.
Dafür wäre dann in der medialen Arbeitsteilung der Bundesrepublik wahrscheinlich wiederum Springers “Bild” zuständig. Obwohl – “Mischke: Jetzt redet der Abgesägte” könnte mittlerweile auch die “Welt” titeln, die ja auch immer unberechenbarer wird. Musk macht’s eben möglich.
Dieser Text ist Teil der neuen Kolumnen-Reihe “Kurz und KNAckig”, die alle 14 Tage erscheint. weitere Beiträge