turi2 edition #10: Viktoria und Heiner Lauterbach übers Gründen.
28. Januar 2020
Er ist ein Macho, sie ist der Boss in der neuen Firma:Heiner Lauterbach und seine Frau Viktoria sprechen im großen Doppel-Interview für die turi2 edition #10 mit Peter Turi und Heike Reuther über den ewigen Kampf der Geschlechter, neue Rollenbilder und ihre Lust aufs Gründen. (Fotos: Selina Pfrüner)
Sie beide sind für uns als Paar ein Role Model für ein neues Jahrzehnt: Viktoria ist mit 47 Jahren eine Frau mit Ideen und Drive, Heiner mit 66 vermutlich klüger denn je. Und gemeinsam haben Sie ein Startup für digitales Lernen gegründet. Woher kommt diese Energie, Viktoria?
VIKTORIA: Ich will etwas ganz Neues schaffen, will dafür jeden Tag nutzen. Ich versuche als Frau neben einem sehr erfolgreichen Mann erfolgreich zu sein.
Auf Instagram sind Sie heute schon erfolgreicher als Heiner – vor allem mit Backrezepten. Warum jetzt der Ausbruch aus dieser klassischen Rolle?
VIKTORIA: Vielleicht möchte ich mir, Heiner und der Welt ein bisschen was beweisen.
Heiner, was gibt Ihnen die Energie, mit 66 nochmal ein ganz neues Business zu starten?
HEINER: Ich ziehe die Energie aus meiner Frau. Wir geben uns beide sehr viel Energie, beflügeln uns gegenseitig. Und wenn der eine mal weniger Energie hat, dann baut ihn der andere auf. So ist das in guten Partnerschaften.
Wer hat zu Hause das Sagen? Und wer in dem neuen Business?
VIKTORIA: Bei uns ist es ganz einfach: Jeder tut das, was er am besten kann. Ich manage Heiner schon seit vielen Jahren.
Ich liebe Zahlen, deshalb landet alles Kaufmännische auf meinem Tisch. Heiner ist eher der kreative Kopf. Ich kenne Heiner mittlerweile so gut, dass ich genau weiß, was in ihm vorgeht, was er gern mag und was nicht. Wir haben in vielen Dingen denselben Geschmack.
Und wenn Sie mal nicht einer Meinung sind?
VIKTORIA: Ich kann sehr hartnäckig sein. Wenn ich etwas möchte, dann bleibe ich dran und versuche, Heiner von meiner Idee zu überzeugen. Es gelingt mir nicht immer. Es ist ganz wichtig zu spüren, wann der Moment da ist, dass er es nicht so möchte wie ich. Dann muss ich sein Nein akzeptieren.
Paargespräch im Ministerzimmer des Bayerischen Hofs: Heike Reuther und Peter Turi lauschen Viktoria und Heiner Lauterbach
HEINER: Im Zweifelsfall ziehen wir auch mal die Kinder zu Rate, die sind jetzt 12 und 17. Wo der nächste Urlaub hingehen soll, entscheiden wir ganz demokratisch zu viert. Es ist ja auch schön, wenn man den anderen von etwas überzeugen kann. In einer guten Gemeinschaft braucht es auch immer einen Gegenpol. Einer ist etwas vorsichtiger, der Bedenkenträger, der andere der Visionär. So war es jetzt auch bei unserer neuen Geschäftsidee – da war ich der Bedenkenträger.
Ist es ein Vergnügen, mit der eigenen Frau ein Business aufzuziehen?
HEINER: Ich hatte ja auch vorher das Vergnügen, eng mit Viktoria zusammen zu arbeiten. Sie ist meine beste Beraterin. Als absolute Quereinsteigerin ins Filmbusiness bringt sie etwas Tolles mit – so eine Art Mainstream-Geschmack. Sie erkennt Dinge, wo wir Profis den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen. Sie hinterfragt Zusammenhänge im neuen Drehbuch, erkennt, wann ein Film ein Erfolg wird oder nicht. So ein Barometer zu haben, ist Gold wert. Ich ziehe sie zu Rate wie noch nie eine Partnerin zuvor. Wir reden manchmal die ganz Nacht über unsere Arbeit.
Wo bleibt da die Work-Life-Balance?
HEINER: Davon halten wir gar nichts. Es gibt Leute, die leben lieber das klassische Modell mit einer klaren Trennung von Beruf und Privatem. Bei uns ist das anders: Wir sind rund um die Uhr erreichbar.
VIKTORIA: Wir legen das Handy aber auch schon mal weg.
HEINER: Wir haben genügend Freizeit – aber eben nicht zwingend am Wochenende. Kreativität lässt sich nicht planen.
Bei der neuen Firma sind Sie die Chefin, Viktoria.
VIKTORIA: Eigentlich sehe ich mich nicht als Chefin, sondern als Teil des Teams. Gestern hat eine Marketing-Mitarbeiterin gesagt: “Meine Chefin ruft.” Das war für mich ganz neu. Aber Heiner hat ein halbes Jahr Theater gespielt und direkt im Anschluss einen Film gedreht. Ich musste vieles allein machen. Ich habe Heiner täglich berichtet, was in der neuen Firma passiert. Und die Produktion der Videos und die Freigabe der Master Books, das liegt weiter in seiner Hand. Aber das Management – das ist meins.
HEINER: Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn jemand Viktoria als Chefin sieht. Es kommt vor, dass es klingelt, ich öffne die Tür, die Handwerker kommen rein, schieben mich zur Seite und fragen nach der Chefin. Das Haus ist nunmal Viktorias Terrain.
Gut gelaunt vor Goldfolie: Die quirlige Viktoria bringt Bewegung ins Bild und den brummeligen Herrn Lauterbach zum Schmunzeln
Warum hatten Sie Bedenken, “Meet your Master” zu starten?
HEINER: Die erste Frage war: Kann ich etwas zum Erfolg beitragen, zur Qualität der Filme? Das war schnell beantwortet. Ich kann meine Erfahrung aus 40 Jahren als Filmschauspieler und meine Kontakte einbringen. Die zweite Frage: Glaube ich an den Erfolg der Geschäftsidee? Da – das muss ich zugeben – hat Viktoria nachgeholfen. Ihre Argumente haben mich überzeugt: Digitales Lernen ist die Zukunft. Das sagen auch alle Experten.
Viktoria, hätten Sie Ihre Idee auch ohne Heiner umgesetzt?
VIKTORIA: Das wäre schwierig geworden. Heiners Kontakte sind wichtig, auch seine Bekanntheit. Wir wollten zum Beispiel Jürgen Klopp haben, als Experten für Motivation und Teamplay. Wir kannten ihn beide nicht persönlich. Aber als Heiner bei Klopp anrief, lief die Sache sehr schnell. Das wäre anders gewesen, wenn ich angerufen hätte. Am Ende bin ich froh, dass ich Heiner überzeugt habe, mitzumachen.
Wie kamen Sie überhaupt auf die Idee, eine Video-Plattform für Persönlichkeitsbildung zu gründen?
VIKTORIA: Ich beobachte seit Jahren, mit welcher Freude und welchem Elan Heiner unseren Kindern oder seinen Studenten Dinge beibringt und wie gern er Erfahrungen weitergibt. Ich selbst lerne viel von Heiner und bin sein größter Fan. Da kam die Idee, dieses Wissen vielen Menschen zugänglich zu machen.
HEINER: Mir schreiben viele Leute, dass sie meine Biografie gelesen und daraus Kraft gezogen haben, ihr Leben zu ändern. Das berührt mich sehr. Das Gefühl, Menschen geholfen zu haben, übertrifft alles – auch jedes Lob für meine Schauspielarbeit. Als ich wieder mal am Rechner saß, um auf die Mail eines jungen Mannes zu antworten, meinte Viktoria, dass ich meine Ratschläge einmal zusammenfassen müsste, denn einiges wiederholt sich ja doch.
VIKTORIA: Da kam mir die Idee mit den YouTube-Videos. Aus einer persönlichen Erfahrungen heraus: Immer wenn ich nicht weiter weiß, gehe ich auf YouTube und schaue mir Videos an – seien es Gebrauchsanweisungen oder Schminktipps oder Anleitungen fürs Backen. Und ich habe festgestellt: Bei YouTube fühlt man sich der Person, die etwas erklärt, sehr nahe.
Gründer mit Glamour: Heiner und Viktoria Lauterbach wollen “Meet your Master” als digitale Lernplattform etablieren
Jetzt haben Sie “Meet your Master” mit vielen großen Namen gestartet: Til Schweiger, Alfons Schubeck, Sebastian Fitzek, Nico Hofmann, Jonas Kaufmann. Wo bleiben die Frauen?
HEINER: Ich hab‘s vorher schon gewusst: Das haut uns die Presse um die Ohren. Die wittern da gleich einen Geschlechterkampf, vermuten Frauenfeindlichkeit. Ich bin dazu von einigen Journalistinnen mit einem Gesichtsausdruck und einem Unterton in der Stimme befragt worden, wie wenn es ein Polizeiverhör wäre. Die Polizei fragt aber zuerst nach dem Motiv. Welches Motiv sollte ich dafür haben, Frauen zu vernachlässigen? Ich liebe Frauen, das ist hinlänglich bekannt. Und was unser Geschäftsmodell betrifft, so wäre es extrem unklug, auf Frauen zu verzichten.
VIKTORIA: Wir haben genauso viele Frauen angefragt wie Männer. Ganz tolle Frauen, nur sind die viel zurückhaltender. Steffi Graf hat genauso abgesagt wie Jil Sander. Männer sind schneller in ihrer Entscheidung: “Super Idee, finde ich toll, ich mache mit.” Jetzt haben wir aber auch Zusagen von einigen Frauen. Es sollen aber noch mehr werden.
Für wen ist “Meet your Master” gedacht?
VIKTORIA: “Meet your Master” ist für alle, die Bock haben, etwas zu lernen von Koryphäen – in Kinoqualität. Auch bei den Berühmten ging es nicht immer bergauf, die sprechen auch über ihre Tiefpunkte. Das ist spannend und macht Spaß.
HEINER: Die Filme müssen mehr sein als ein Leitfaden zum kommerziellen Erfolg. Das steht bei mir nicht an der ersten Stelle, sonst hätte ich die Firma meines Vaters übernommen. Die Filme sollen auch Anleitung für ein glückliches Leben sein – der Beruf ist da nur ein Aspekt.
In welche Richtung soll sich “Meet your Master” entwickeln?
VIKTORIA: Wir haben mit den ganz berühmten Leuten anfangen, aber wir wollen breiter fächern, die Koryphären ihres Fachs vorstellen, die vielleicht nicht ganz so berühmt sind…
HEINER: … mit Sicherheit nicht so berühmt sind, aber genauso gut.
VIKTORIA: Wir wollen einerseits die Speerspitze, aber auch wie du immer so schön sagst, dass eben ein Vater seinem Kind zum Abitur… Ach, sag du es doch mal.
HEINER: Jetzt hast du es so durcheinander gebracht, dass ich es fast nicht mehr reparieren kann.
VIKTORIA: Er ist frech – das ist der Macho in ihm! (alle lachen)
Haben Sie den nicht abgelegt?
VIKTORIA: Es sieht nach außen so aus, als hätte er den Macho abgelegt. Hat er aber nicht – ohne dass ich jetzt näher darauf eingehen möchte. Das muss ich leider so sagen. (Sie lächelt ihn an; er lächelt zurück, nickt und zuckt mit den Schultern)
HEINER: Unsere Vision bei “Meet your Master” ist es, dass wir eines Tages die Meister unter den Landschaftsgärtnern, Maskenbildnern und Schreinern an Bord haben und die ihre Kunst weitergeben. Ich fände es schön, wenn ein Vater zu seinen 18-jährigen Kindern sagen würde: Ihr wisst nicht, was ihr machen sollt? Hier ist ein Abonnement von “Meet your Master”, da ist alles drin, was ihr braucht an Anregungen und Elan. Quasi eine Schule des Lebens.
Heiner, Sie könnten sich doch jetzt auf Ihrem Erfolg ausruhen. Andere gehen mit 66 Jahren in Rente – warum tun Sie sich ein Startup an?
HEINER: Das denke ich auch manchmal. Gerade gestern: Wir waren ganz früh aufgestanden, hatten in Düsseldorf ein Investorengespräch bei einer Bank. Um Vorbild zu sein in der Firma, sind wir Economy mit dem letzten Flieger zurückgeflogen. Und wie eigentlich immer, wenn ich Economy fliege, habe ich den Mittelplatz abbekommen. Wir waren früh aufgestanden, der Tag war anstrengend. Da sage ich zu meiner Frau: “Wir könnten jetzt auch schön in Ibiza am Strand liegen.”
VIKTORIA: Aber das wäre doch langweilig!
HEINER: Ach, da gibt es schöne Golfplätze. Ich weiß nicht, ob mir so langweilig wäre.
VIKTORIA: Mir wäre aber langweilig!
HEINER: Gut, wir haben das angefangen, jetzt ziehen wir es durch.
Wie sehen Sie die Zukunft für Ihre Kinder?
HEINER: Ich halte nichts von Weltuntergangsstimmung. Und ich werde den Teufel tun, in einem Interview zu sagen: “Die armen Kinder haben keine Zukunft.” Das wird sich zeigen. Ja, es gibt den Klimawandel. Ich denke: Lasst uns was tun, es kann nur gut sein, wenn wir bewusster leben und die Umwelt schonen. Aber bitte, lasst uns optimistisch zu Werke gehen.
VIKTORIA: Wir diskutieren zu Hause mit den Kindern darüber. Sie bringen das Thema ja aus der Schule mit. Wir wollen, dass sie ein gesundes Bewusstsein entwickeln für ihre Umwelt. Es sind so viele Kleinigkeiten, die man ändern kann: Wir verzichten auf Plastik, essen weniger Fleisch. Meine Tochter und ich haben uns vorgenommen, zwei Monate keine neue Kleidung zu kaufen. Unser Sohn und mein Mann wetteifern miteinander, wer das Licht ausmacht und den Wasserverbrauch beim Händewaschen senkt.
Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen – man weiß nie, was man kriegt: Anders als in der berühmten Szene aus “Forrest Gump” isst Viktoria die angebotene Praline einfach auf
Wie digital wachsen Ihre Kinder auf?
VIKTORIA: Unsere Tochter kann ihren Medienkonsum schon ganz gut selbst steuern. Bei unserem Sohn ist es schwieriger. Er ist in der 7. Klasse, da machen sie alle Hausaufgaben auf dem Computer. Ich kann nicht wirklich sehen, ob er nur für die Schule recherchiert oder nicht doch nebenbei einiges andere macht.
Wie sieht es bei Ihnen aus?
VIKTORIA: Das Handy ist mein ständiger Begleiter. Meine ganze Arbeit funktioniert darüber. Anrufe, Mails, Bildbearbeitung. Ich lese darauf zum Teil ganze Manuskripte, obwohl der Bildschirm dafür eigentlich viel zu klein ist.
HEINER: Es wäre jetzt unfair, wenn ich sagen würde, Viktoria macht zu viel auf dem Handy. Schließlich wickelt sie darüber unsere ganzen Geschäfte ab. Ich bin weniger am Handy als sie. Viktoria sagt mir immer, ich müsse mehr auf Instagram posten. Aber meine Sache ist das nicht.
VIKTORIA: Wenn du das konsequent machen würdest, dann hättest du genauso viele Follower wie Dieter Bohlen. Du bist mindestens genauso witzig wie er.
Ist Instagram heute wichtiger als ein Artikel in der “Süddeutschen Zeitung”?
VIKTORIA: Wir werden den Journalismus immer brauchen. Denn was erfährt man schon aus Social Media? Da stehen meistens Halbwahrheiten und irgendein Blödsinn in den Überschriften, nur um uns zum Klicken zu animieren.
HEINER: Ich habe mich vor kurzem mit Udo Röbel und Kai Diekmann unterhalten – der Niedergang des Gedruckten ist eindeutig. Ich sehe aber keinen generellen Qualitätsverfall im Journalismus. Es hat immer gute und schlechte Journalisten gegeben, so wie es gute und schlechte Schauspieler gibt.
Viktoria Lauterbach wurde 1972 im Libanon als Victoria Skaf geboren. Sie machte das Wirtschaftsabitur, arbeitete als Kellnerin in München und zog sich für den “Playboy” aus. 2001 heirateten Heiner und Viktoria, 2002 wurde Tochter Maya geboren, die Schauspielerin werden will, 2007 Sohn Vito. Viktoria Lauterbach arbeitet als Managerin für ihren Mann Heiner und ist die treibende Kraft hinter der gemeinsamen Firma “Meet your Master”
Heiner Lauterbach wurde 1953 in Köln geboren. Er machte eine Lehre in der Sanitärfirma seines Vaters in Köln, die zeitweise 250 Mitarbeiter beschäftigte, entschied sich dann aber für die Schauspielerei. Er überzeugte das Publikum in Kinofilmen wie “Männer” und “Rossini”, aber auch in TV-Produktionen wie “Der Verleger”, wo er Axel Springer spielte. Lauterbach gewann zahlreiche Filmpreise – und 2014 den Titel “Klavierspieler des Jahres” vom Bundesverband Klavier
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