Effie-Rede: Maja Göpel ruft Werbebranche zum Umdenken auf.
16. November 2023
Grünes Gewissen: Wer Lebensmittel mit “Geiz ist geil” bewirbt, untergräbt ihren Wert, sagt die Transformationsforscherin Maja Göpel beim Marketing-Kongress Effie in Leipzig. Sie erinnert daran, dass Nachhaltigkeit zu Wohlstand führt, in dem sich Agenturen und Marken positionieren können. Reine Geldvermehrung könne nicht “die Story sein, die wir in Zukunft erzählen wollen”. Auch beim Thema KI sät sie einen Gedanken: “Vielleicht ist analog das neue Bio.”
Der Effie vom Branchenverband GWA zeichnet jedes Jahr effiziente Markenkampagnen aus. Und so dreht sich beim dazugehörigen Kongress im Kupfersaal in Leipzig am Mittwoch alles um Zahlen, KPIs und Reichweite – anders gesagt, ums Geld. Doch die Abschluss-Keynote von Transformationsforscherin Maja Göpel lenkt die Gedanken der Marketer in eine andere Richtung. Ein wichtiger Wohlstandsfaktor sei die Ökologie: “Wohlstand heißt saubere Luft, sauberes Wasser, gesunde Nahrungsmittel.” Von diesem Wohlstand könnten Unternehmen – und damit Agenturen – wiederum profitieren.
Göpel war Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung und wissenschaftliche Direktorin der Denkfabrik The New Institute. Mittlerweile ist sie hauptsächlich Wissenschafts-Kommunikatorin und damit Denkanstößerin. Sie plädiert in ihrem Vortrag dazu, Nachhaltigkeit nicht als “Megatrend” im Marketing zu verstehen, sondern als das, was es ist: “Realitätsveränderung”. Grüne Themen sollten nicht nur dann auf der Agenda landen, wenn sie gerade gut performen. Sie beschreibt Corporate Responsibility so: “Ich setze mich als Unternehmen dafür ein, dass sich das System verändern kann, in dem ich mich dann wiederum positionieren kann.” Marken sollten in ihrer Kommunikation verdeutlichen, welchen Wert sie für eine ökologische Zukunft beitragen können.
Sie zeigt auch ein Beispiel für eine Kampagne, die diesem Gedanken entgegen steht: Eine Edeka-Werbung mit dem Komiker Otto Waalkes aus dem Jahr 2020 mit dem Claim “Essen hat einen Preis verdient: den niedrigsten”. Zwar betonte Edeka, dass sich “Essen” auf die Stadt bezog, trotzdem stoppte die Supermarktkette die Kampagne nach Bauern-Protesten. Das sei nicht die Aufmerksamkeit, die wir erzeugen sollten, sagt Göpel. Der Wert eines Produkts hänge nicht unbedingt mit dessen Preis zusammen. Ein Beispiel seien Diamanten: Diese haben zwar einen hohen Preis, aber keinen Wert im Gegensatz zu Wasser, das für uns überlebenswichtig ist – und trotzdem günstig. Ähnlich sei es bei Lebensmitteln, die ihren Wert schon im Namen tragen. “Lebensmittel sollte man ganz bestimmt nicht unter ‘Geiz ist geil’ bewerben. Lebensmittel brauchen Wertschätzung.”
Überhaupt sollte das Narrativ der Zukunft nicht reine Geldvermehrung sein, während die Auswirkungen auf die Umwelt außen vor gelassen werden: “Nur noch Geldvermehrung ohne die Impact-Frage zu stellen, kann keine Story der Zukunft sein.” Sie ruft die anwesenden Marketer dazu auf, die “richtigen KPIs” zu finden, die nicht nur Reichweite und Umsatz spiegeln, sondern auch den Wert eines Produkts für die Gesellschaft und die Umwelt. Und auch bei KI regt sie ein neues Narrativ an. Es sei “bedrückend”, dass die Idee “einfach geschluckt wird, dass alle, die nicht auf den Hype der generative AI aufspringen, abgehängt werden.” Vielleicht sollten wir überlegen, “ob analog das neue Bio ist”.
Foto: GWA
Aus dem Archiv:
Wachstum und Wuchern – Maja Göpel im großen Interview in der turi2 edition #18 | turi2.de (Online-Text)