n-tv.de-Chefredakteur Tilman Aretz, 46, ist Durchschnittstyp aus Überzeugung. Der “Tatort”-Gucker, Fleischesser und VW-Fahrer arbeitet für den Ottonormal-User, der jeden Werktag exakt um 6:43 Uhr einen Peak in der Klick-Statistik von n-tv.de produziert. Insgeheim steht Aretz aber doch auf Experimente, verrät sein Homescreen. Überdurchschnittliche fünf Kinder halten ihn digital jung.
Das Schönste an meinem Homescreen ist das Hintergrundbild. Ich wechsle es unregelmäßig, regelmäßig fällt es mir allerdings unheimlich schwer, mich vom bisherigen Foto, mit dem ich ja stets einen besonderen Moment verbinde, zu verabschieden. Es kommt mir ein bisschen wie ein Verrat vor. Vielleicht muss ich mir doch mal eine Wallpaper-App besorgen, um beliebig viele Hintergrundbilder abzulegen, die dann nach Zufallsprinzip oder Stimmung – schließlich kennen mich Apple und Google ja fast so gut wie meine Frau (wollte schon besser schreiben) – angezeigt werden.
Aber das wäre vielleicht auch nur ein fauler Kompromiss. Also, so ein neues Hintergrundbild ist immer eine klasse Sache. Man hat dann praktisch das Gefühl, ein neues Handy in der Hand zu haben. Es ist ein Anfang. Sie wissen schon.
Der hier abgebildete Homescreen zeigt das Gipfelkreuz auf der Rotwand. Das ist der höchste Berg im bayerischen Teil des Mangfallgebirges und auch der höchste Gipfel im Spitzingsee-Gebiet. Aufgenommen Anfang Mai. Im Tal 20 Grad, auf dem Berg 20 Zentimeter Neuschnee, man versinkt bis zur Hüfte. Gut, wenn man da seine Gamaschen eingepackt hat (Gamaschen? Erst mal googeln).
Das Gute an Bergen ist, dass man von oben herab guckt. Aber nicht im überheblichen Sinne. Die Berge sind furchteinflößend, mächtig genug, auch, wenn man irgendwo mittendrin ganz oben steht. Erhabenheit und Demut zugleich. Es ist eine Mischung aus “Der Weg ist das Ziel” und “Wer ein Ziel will, darf den Weg nicht scheuen”.
Spannender als mein Homescreen sind eigentlich die folgenden Screens, weil da Apps drauf sind, die ich schätze, aber nur ab und an benutze. Outdooractive und RainToday zum Beispiel, SkyView und VinoCell, CleanCar, ein paar Koch-Apps oder die remoteMouse.
Aber hier geht es ja um meinen Homescreen und der ist ganz schöner Mainstream. Das ist mit Blick auf meinen Job bestimmt nicht das Schlechteste. Ich lese, was die Mehrheit liest, schaue die Serien, die alle schauen, gucke “Tatort”, Fußball und das “heute-journal”. Ich esse am liebsten Fleisch, die Ostsee finde ich öde, mit Portugal als ESC-Gewinner bin ich einverstanden, ich schimpfe (nur ein bisschen) auf Ikea und bin trotzdem jedes Jahr da. Ich fahre einen VW, kaufe immer Bio-Eier, bei einer Direktwahl würde ich Merkel wählen, ich kriege schlechte Laune, wenn das Wetter im Mai immer noch November spielt, und wenn mich meine Frau fragt, “Was hast du?” antworte ich “Nichts”.
Ich bin totaler Durchschnitt, auch wenn mir Wohlgesonnene immer versichern, dass das absolut nicht stimmt. Ich glaube, es ist gut, sogar wichtig, sich selbst als doch einigermaßen individuell wahrzunehmen. Gut ist, wenn man dabei die berühmte Haftung nicht verliert und in der Lage ist, sich vor dem Spiegel einzugestehen, dass man genauso normal und genauso durchgeknallt ist wie all die anderen um einen rum. Schauen Sie einfach in den Spiegel – oder auf Ihren Homescreen.
Unser Wecker klingelt in der Regel um 6:35 Uhr. Dann öffne ich, kein Witz, natürlich zunächst die n-tv App. Schaue auf den “Tag”, blättere die Aufmacher durch, werfe einen Blick auf “Meistgelesen”. Da bin ich übrigens wieder ziemlicher Mainstream: Die Zugriffskurven sind werktags, unabhängig vom Weltgeschehen, nahezu identisch und der morgendliche Peak wird mit erschreckender Genauigkeit um 6:43 Uhr erreicht (diese fleißigen und zuverlässigen Deutschen). Da bin ich allerdings schon wieder weg.
Um 6:39 Uhr öffne ich die radio.de-App und höre Inforadio. “Nach nur einem Spot” (das ist immer sehr ärgerlich, wenn man zu spät dran ist und dann lange 30 Sekunden warten muss, bis es losgeht und man weiß die ganze Zeit schon, dass man die ersten Sätze der Aufmacher-Geschichte verpassen wird) gibt es um 6:40 Uhr eine komprimierte Fassung dessen, was in der Nacht geschehen ist und im Laufe des Tages noch kommen wird.
Was die Kommunikation angeht, bin ich, sagen wir: klassisch. Wichtigstes Werkzeug ist die Mail, jedenfalls beruflich. Dass da so viele ungelesene rumhängen, ist eine Schwäche von mir. Ich komme nicht hinterher mit dem Aufräumen, Wegwerfen und Wegsortieren. Also wird alles gestapelt. Aber keine Sorge: Unter den hunderten ungelesenen sind nur eine Handvoll, die eine Kenntnisnahme oder sogar Antwort verdient hätten.
Wenn ich meine älteren Kinder zügig erreichen will, nutze ich wie alle WhatsApp. Ebenso für eigentlich alle übrige private Kommunikation, man telefoniert ja nicht mehr, außer mit seiner Mutter. WhatsApp ist auch wichtig, um verschiedene Gruppen schnell erreichen zu können, vom Büro bis zur Fußballmannschaft. Daneben verschicke und erhalte ich aber auch immer noch fleißig SMS. Mich nervt allerdings, dass sich die beiden Icons so ähneln mit ihrem grün-weißen Design.
Wichtig für die Familie war bis vor ein paar Wochen zudem noch Snapchat. Da war ich stolz, dass ich bereits, als alle noch sagten “Ich verstehe das nicht. Wo ist der Witz?” munter hin- und hersnappte. Für unser Familienleben war Snapchat eine Möglichkeit, unkompliziert und manchmal mit Metaebenen versehen zu übermitteln, wo man gerade so ist und was man so treibt und wie man sich fühlt. Leider ist Snapchat ja plötzlich out, und die Kinder haben einfach die Stories bei ihren Instagram-Accounts aktiviert. Jetzt fange ich da wieder bei null an.
Beim Browser bin ich auf Chrome umgestiegen. Ist einfach praktischer, da ich sowieso mit meinem Google-Konto überall angemeldet bin. Daneben habe ich einen ganzen Ordner mit Google-Programmen. Insbesondere Google Drive ist im Einsatz. Sowohl dienstlich als auch privat liegen da jede Menge Dokumente, Tabellen, Zeitpläne und To-Do-Listen. Auch unsere redaktionelle Planung und die Dienstpläne liegen dort. Das ist zwar vielleicht nicht die hippste, aber effektivste Methode. Ich kann von überall und mit allen Rechnern, Tablets, Handys auf die wichtigsten redaktionellen Infos zugreifen, ergänzen, kommentieren.
Ebenfalls unerlässlich:Google Analytics, das permanente Zucken der Zugriffszahlen der n-tv.de-Website und der n-tv App. Natürlich, es ist Segen und Fluch zugleich. “Kannst du mal dein Handy weglegen” ist nicht. Ich schaue dauernd, morgens, abends, am Wochenende auf n-tv.de und die n-tv.de-Quoten. Ist was los in der Welt, ist das berauschend. Bei strahlendem Sonnenschein und absoluter Nachrichten-Brückentags-Flaute kann der Blick auch schon mal ernüchternd sein. In der Redaktion anrufen, um irgendeinen Aktionismus zu starten, das mache ich allerdings nie.
Was ist noch zu meinem Homescreen zu sagen? Den meist unerfreulichen Kontostand behalte ich mit der Comdirect-App im Blick. Mehrfach täglich öffne ich WeatherPro. Für Berlin und all die Orte, an denen ich mich demnächst aufhalte. Wetter ist immer ein Thema. In diesem Jahr ein schlechtes. Jedenfalls erstaunlich, im positiven Sinne, wie genau die Wetterprognosen inzwischen sind.
Oft nutze ich auch die HandyTicket-App. Zwar fahre ich normalerweise mit dem Fahrrad ins Büro, aber wenn das Wetter zu mies ist, spare ich mir das. Sie wissen schon, Durchschnitt und so. Da ziehe ich mir also einfach per Handy ein Ticket. Unheimlich praktisch ist HandyTicket für mich aber auch, weil ich mir damit Fahrkarten nicht nur für die Berliner, sondern auch die Kölner Verkehrsbetriebe kaufen kann. Und da der Muttersender in Köln residiert und nicht nur zu Familienfesten oder zum Wäschewaschen Teilhabe am Familienleben wünscht, bin ich doch oft und regelmäßig – und natürlich gerne – in der Domstadt.
Da drüber lungert noch Netflix rum. Allerdings fliegt die als Nächstes runter. Seit “Breaking Bad” und “Better Call Saul” zahle ich brav, nutze aber das Angebot kaum noch. Zumal ich auch Amazon Prime habe (Wo ich gerade in der sechsten Staffel von Homeland hänge. Was für eine maßlos überschätzte, ja geradezu schlechte Serie. Weitgehend plausibilitätsfrei und schnell zusammengeschustert, mittelprächtig gespielt, voller Klischees, ich fange an, mich aufzuregen …).
Erfreulich ist auf der gegenüberliegenden Seite meines Homescreens die lichess-App. Ich spiele mit meinem mittleren Sohn seit der Schach-WM. Wir sind aber keine Nerds. Manchmal dauert eine Partie auch drei Wochen. Doof ist, dass man nur über eine Notification erfährt, wenn der andere seinen Zug getätigt hat. Trotzdem, ein Zeitvertreib der besseren Art. Ich wundere mich allerdings manchmal, zu welchen Zeiten der Sohn über dem nächsten Zug zu grübeln scheint. Müsste er da nicht eigentlich dem Chemie-Unterricht folgen?
Einen hohen Stellenwert nehmen bei mir fussball.de und DFBnet ein. Das liegt zum einen daran, dass meine Söhne alle in verschiedenen Vereinen und Ligen begeistert Fußball spielen. Also hilft mir die Fußball-App, die Spieltermine der Sprösslinge im Blick zu behalten und mit ihnen die Tabellenlage vor den nächsten Partien zu erörtern.
Bei Berolina Mitte bin ich selbst als ehrenamtlicher Fußballtrainer im Einsatz. Ich bin einer dieser Väter, die zufällig irgendwann mal in höchster Not eine Kleinfeldmannschaft aufs Auge gedrückt bekamen. Aber man wächst ja mit seinen Aufgaben. Heute spielt die Truppe in der B-Jugend. Erfolgreich, auch, wenn es dieses Jahr leider nicht mit dem Aufstieg in die Landesliga geklappt hat. Mit der App des DFB bereite ich die Spiele und Spielberichte vor, lege die Startaufstellung fest und erledige alles, was im DFB, der sich in Sachen Bürokratie nicht zu verstecken braucht, für eine heutige U17 nötig ist.
Daneben finden sich in den Sammelordnern noch alle möglichen Alltagshelfer. Brauche ich ein Auto und die Familienkutsche ist anderweitig unterwegs, ziehe ich mir ein DriveNow-Cabrio. Parkscheine ordere ich mir seit Neuestem mit der ParkNow-App. Einkaufen tue ich über Amazon Prime. Ja, ich will auch den Einzelhandel unterstützen, aber es ist so ungemein praktisch. Und preiswerter. Außerdem stehe ich auf Bewertungen. Ich weiß, alles gefälscht, jedenfalls die Hälfte. Trotzdem: Keine Restaurant- oder Hotel-Suche ohne einen Blick auf Tripadvisor. Meistens gleiche ich das Ergebnis, also die Sterne, noch mit denen der Google-Nutzer auf Google Maps ab. Das kann anstrengend sein (für meine Begleitung). Ich arbeite an mir.
Meine Lieblingsapp ist und bleibt die von n-tv. Natürlich bin ich voreingenommen, weil ich die Mannschaft dahinter kenne und die engagierten, netten und klugen Kollegen, die täglich am Werk sind und denen der Applaus gebührt. Es ist die beste App für alle Normalos. So wie mich. Damit bin ich übrigens wieder Mainstream. Achtung, nur ein Spot: Die App von n-tv ist die meistgenutzte Nachrichten-App Deutschlands.
Zuletzt gab Nadja Stavenhagen, Direktorin der Hamburger Akademie für Publizistik, einen Einblick auf ihren Homescreen. Alle bisher erschienenen Beiträge finden Sie unter turi2.de/mein-homescreen.