Passen öffentlich-rechtlicher Rundfunk und soziale Netzwerke zusammen, Kai Gniffke?
21. April 2021
Lässt ein Like da: SWR-Intendant Kai Gniffke sieht in den sozialen Netzwerken “eine Art Glücksfall” für die Öffentlich-Rechtlichen. Bei mangelnder Nachrichtenkompetenz der Nutzerinnen gehe jedoch auch “der bestrecherchierte Bericht” in der “Flut beliebiger (Falsch-)Informationen unter”, schreibt Gniffke in seinem Gastbeitrag für die turi2 edition #14. Das Buch mit allen Beiträgen und Interviews erscheint am 6. Mai.
“Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.” Das hat der ehemalige sowjetische Präsident Michail Gorbatschow zwar so nie gesagt, stimmt aber für die Beschreibung unserer Situation trotzdem. Sein eigentliches Originalzitat passt sogar fast noch besser: “Ich glaube, Gefahren warten nur auf jene, die nicht auf das Leben reagieren.” Es ist also keine Frage, ob die öffentlich-rechtlichen Sender die sozialen Netzwerke nutzen, sondern nur: wie gut. Und die Antwort auf die Frage, ob unsere Qualitätsstandards und die sozialen Medien zusammenpassen, kann nur “ja” lauten.
Ja, wir müssen das miteinander vereinen. Unsere Aufgabe und unser Auftrag ist es unter anderem, besten Journalismus und verlässliche Informationen zu bieten – auch auf den digitalen Ausspielwegen. Wir müssen dort sein, wo die Gesellschaft ist. Wir tragen mit unseren Angeboten zum demokratischen Diskurs bei, stellen Öffentlichkeit her und erfüllen einen wichtigen Beitrag im Meinungsbildungsprozess. Überall.
Die sozialen Medien sind sogar eine Art Glücksfall für uns. Denn: Wir hatten nie eine bessere Chance, so viele Menschen individuell zu erreichen und mit ihnen direkt in Kontakt zu treten. Und wir waren als öffentlich- rechtlicher Rundfunk nie wichtiger als jetzt. Fake News, Hass-Posts, undurchsichtige Quellenlagen, Propaganda: All dem müssen und können wir mit unserem Handwerk, mit unseren journalistischen Skills und mit unserer publizistischen Kraft gegenübertreten. Wer, wenn nicht wir? Wer, wenn nicht die, die von der gesamten Gesellschaft beauftragt sind? Das Vertrauen in unsere Berichterstattung und unsere Qualität ist nach wie vor groß – das hat Corona noch einmal gezeigt. Die Menschen suchen Informationen, Halt und Bildung bei uns.
Neben unseren qualitativ starken Inhalten ist aber ein weiteres Thema sehr wichtig: die Nachrichtenkompetenz. Umfragen und Studien zeigen immer wieder, dass es vielen Menschen oft nicht mehr gelingt, seriöse von unseriösen Quellen im Netz zu unterscheiden, dass journalistische Inhalte, bloße Meinungen, eigene Erfahrungsberichte oder schlicht Desinformation nicht mehr auseinandergehalten werden können. Wenn das nicht gelingt, dann nützt der bestrecherchierte Bericht nichts. Dann geht er in der Flut beliebiger (Falsch-)Informationen unter. Die Nutzerinnen müssen wissen, welchen Quellen man Glauben schenken kann und welche Qualitätskriterien dahinterstehen.
Wir müssen also dort sein, wo unser Publikum ist. Und unser Publikum muss wissen, wem es vertrauen kann. Ich bin zuversichtlich bezüglich unserer digitalen Zukunft. Die stärkste Nachrichtenmarke bei TikTok ist die “Tagesschau”, funk erreicht auf Instagram und YouTube Millionen Menschen. Auch die ARD selbst kann ein kooperierendes Content-Netzwerk und eine Plattform für Dialog werden. Wir reagieren also auf das Leben. Auch in den sozialen Netzwerken.