Turner ist ein Macher, ein Scharfdenker. Aber auch ein Pragmatiker und Filou. Und vor allem: ein Schwabe. Schlau, fleißig, ein bisschen geizig. (Foto: Holger Talinski)
In seinem Kopf trägt Turner Pläne, wie aus der schrumpfenden Zeitung ein prosperierendes Unternehmen wird. Als Journalist, Verleger, Werber und Politiker hat er sich das intellektuelle und praktische Rüstzeug erworben, um den “Tagesspiegel” zu verändern. Hat er Erfolg damit, bekommen die Zeitungen eine Blaupause dafür, wie die Branche in Deutschland Zukunft gewinnen kann. Scheitert Turner, haben die Verleger eine Hoffnung weniger.
Wer aber ist dieser Sebastian Turner? Zuerst einmal ein Flüchtlingskind. Die Kinder von Entwurzelten lernen zuhause, dass es nichts Selbstverständliches gibt im Leben und dass Glück jeden Tag neu erarbeitet sein will. Das erklärt, warum der mittlere Sohn des Hochschulpolitikers George Turner lieber leise redet als laut, lieber schafft als repräsentiert.
Kommunikationskönner: Sebastian Turner ist der kluge Kopf hinter der “FAZ”-Kampagne und der Erfinder des Schwaben-Spruchs “Wir können alles. Außer Hochdeutsch.” (Foto: Holger Talinski)
Turner ist Macher, ein Scharfdenker, ein Politiker, ein Praktiker, ein Schaffer, vielleicht sogar ein Besessener. Aber auch ein Pragmatiker und ein Filou. Und vor allem: Schwabe. Schlau, fleißig, ein bisschen geizig. In jedem Fall einer, der davon überzeugt ist, dass er Dinge mit harter Arbeit ändern kann. In den 80er Jahren hatte er Erfolg als Kleinverleger, in den 90ern wurde er zu einem der erfolgreichsten Werber, nach 2000 mischte er als Unternehmer und Politiker mit.
Als Firmengründer in Zeiten der New Economy war Turner keine ganz große Nummer, dafür fehlt ihm die Selbstverständlichkeit, mit der zum Beispiel die Samwers mit anderer Leute Geld arbeiten. Aber es hat für ein paar lukrative Dinge gereicht: An der Econa Internet ist er nach wie vor beteiligt, MyToys ging an Otto, Getgo fiel an CTS Eventim, die Sparwelt kaufte sich RTL und Giga ging an Ströer. Seine Gründung Berlin School of Creative Leadership besteht ebenso weiter wie die Konferenz Falling Walls.
Verleger vor Ruine: Am Askanischen Platz am Anhalter Bahnhof in Kreuzberg arbeitet Sebastian Turner an der Zukunft des “Tagesspiegel”. (Foto: Holger Talinski)
Turner bringt alle Voraussetzungen mit, um in Berlin Erfolg zu haben: die Bescheidenheit des Kleinverlegers, den Ehrgeiz des Aufsteigers, die scharfe Zielgruppen-Denke des Werbers, die Chuzpe des New-Economy-Unternehmers. Und vor allem: Die Sparsamkeit des Schwaben. In der “Tagesspiegel”-Redaktion stöhnen alle darüber, dass Turner immer neue Produkte erfindet und Projekte anleiert, ohne dafür ausreichend neue Stellen zu schaffen. Turner packt einfach mehr Last auf die bestehenden Schultern, hält so die Etats klein.
Große Pläne, kleine Etats – schon in den 80er Jahren hat Turner sein Erfolgsmodell gefunden: Content billig bis kostenlos einkaufen, aggregieren und teuer an die Anzeigenkunden oder Abonnenten verkaufen. Beim “Medium Magazin”, das Turner 1985 in Bonn gründete, war es für alle … weiterlesen in der turi2 edition1