Er hat die Rechnung mit dem Wirt gemacht: Warum Ex-“Kress”-Verleger Thomas Wengenroth jetzt Kasse macht.
17. Oktober 2024
Lokal-Held: Der frühere “Kress”-Verleger Thomas Wengenroth hat zusammen mit einem Nachbarn und Software-Entwickler das Startup Speedy aufgebaut. Was als digitale Kasse für Vereine begann, ist zur Lieblingsapp von tausenden Gastronomen und Händlern geworden – und zum veritablen Business. Wengenroth setzt bei der Kommunikation auf das, was er in der Medienbranche gelernt hat, berichtet turi2-Autor Roland Karle.
Dass sie einmal gemeinsam große Kasse machen würden, daran dachten Thomas Wengenroth und Martin Schmidt überhaupt nicht, als sie bei einem Gartenfest ins “Was-machst-du-so?”-Gespräch kamen. Schmidt erzählte seinem Nachbarn, wie er als ehrenamtlicher Schatzmeister des Feldbahnmuseums Wiesloch ein kleines, aber nerviges Problem gelöst hatte. Denn wenn der Verein seine Fahrtage oder andere Events veranstaltete, war das mit dem Bestellen und Bezahlen immer recht mühsam. Also programmierte der Diplom-Ingenieur die “Speedy Kasse”, einfach bedienbar und mit allerlei Funktionen ausgestattet.
Millionen-Business
Acht Jahre später fahren nicht nur die Feldbahnfreunde im badischen Wiesloch auf die schnelle App ab. Rund 7.000 Kunden im deutschsprachigen Raum nutzen “Speedy – die clevere Kasse”, Ende September wurde Lizenz Nummer 11.111 verkauft. “Ein Meilenstein”, sagt Thomas Wengenroth. “Unser Konzept, Kassensysteme smart und effizient zu gestalten, kommt im Markt hervorragend an.” Dieses Jahr wird die mtMax GmbH, wie die 2016 von Wengenroth und Schmidt gemeinsam gegründete und geführte Firma hinter Speedy heißt, erstmals mehr als zwei Millionen Euro umsetzen. Seit 2017 sind die Erlöse jedes Jahr durchschnittlich um etwa 25 Prozent gestiegen. “Wir wachsen dynamisch und sind dabei wirtschaftlich profitabel”, berichtet Wengenroth.
Speedy-Spitze: Die Geschäftsführer und Eigentümer Thomas Wengenroth und Martin Schmidt.
Speedy-Köpfe
Wengenroth, 58-jähriger Jurist mit Managementerfahrung, kümmert sich um Marketing, Vertrieb und den kaufmännischen Part, sein Kompagnon Schmidt (54), lange Jahre IT-Spezialist bei SAP, um Produkt und Programmierung. “Martin hat Speedy Kasse erfunden, er ist der inhaltliche Kopf und entwickelt die Software immer weiter”, sagt Wengenroth. “Als Geschäftsführer ergänzen wir uns ideal, gerade weil wir unterschiedliche Kompetenzen und Stärken einbringen.” Insgesamt arbeiten 14 Leute für Speedy, rund die Hälfte sind Programmierer.
Medienbranche
In der Medienbranche ist Thomas Wengenroth kein Unbekannter. Zusammen mit turi2-Gründer Peter Turi kaufte er 1996 von Günther Kress den “Kress Report”, heute “Kress Pro” und Teil des Medienfachverlags Oberauer. Insgesamt zwölf Jahre war Wengenroth Geschäftsführer und nach Turis Ausstieg ab 2000 alleiniger Eigentümer, ehe er den Branchendienst 2008 an Haymarket veräußerte. Danach war Wengenroth als Berater und Manager bei mittelständischen Firmen tätig. Speedy und Kassensysteme verbindet mehr mit “Kress” und Medienbusiness, als es scheint, findet Thomas Wengenroth. “Wir legen bei Speedy viel Wert auf Markenführung, wie wichtig das ist, habe ich in der Medienwelt gelernt. Außerdem habe ich schon seit 1996 durch kress.de gelernt, mit Internet und Online-Marketing umzugehen.”
Lizenzverkauf
Das Geschäft von Speedy funktioniert so: Die Software kann jedes Android-Gerät zu einer Kasse machen. Außer stationären Kassengeräten lassen sich so auch Smartphone oder Tablet zur mobilen Kasse machen. Speedy Kasse lässt sich rasch installieren, intuitiv handhaben und überall nutzen – ob im Biergarten, am Marktstand, auf Messen oder im Taxi. Geld verdient die Firma durch den Verkauf von Lizenzen zur Nutzung der Software. Die Basisversion inklusive Update und Support kostet aktuell 14 Euro pro Monat und Gerät, auf Wunsch lassen sich weitere Module für jeweils 5 bis 8 Euro hinzubuchen. Dann kann man zum Beispiel Arbeits- und Reservierungszeiten erfassen, grafische Tischpläne erstellen, Kennzahlen auf einem Online-Dashboard in einem Browser abrufen, Gutscheine und Lagerbestand verwalten.
Auf der Bühne Peter Fox, am Getränketresen das Kassensystem von Speedy.
Kundengewinnung
Die Speedys sind zu wahren Lokal-Helden geworden, gut jeder zweite Umsatz-Euro stammt aus der Gastronomie. Vielerorts wird die Rechnung mit dem Wirt gemacht: Vom klassischen Burger-Laden über die Eisdiele bis zu den Getränkestationen bei Open-Air-Konzerten mit Stars wie Peter Fox und David Garret vor 20.000 Besuchern reicht das Einsatzspektrum. Seine Kunden gewinnt das Start-up vornehmlich über zwei Wege: Knapp eine Hälfte landet via Google als Direktkunde bei Speedy, die andere Hälfte wird über aktuell rund 130 Partner aus dem Fachhandel akquiriert.
Klassenbeste
Der Markt teilt sich in die traditionellen Kassen-Hersteller und die neueren Systeme, die für Tablets und Handys programmiert waren. Insgesamt ist der Kassenmarkt sehr kleinteilig. Als Speedy entwickelt wurde, gab es also schon etliche andere Anbieter, aber die waren meistens deutlich teurer und die neueren vor allem: für Apples Betriebssystem programmiert. “Speedy ist das Kassensystem für Android, damit waren wir ganz früh dran. Das hat uns einen Wettbewerbsvorsprung gebracht”, betont Wengenroth. Gut zwei Dutzend Anbieter weist das Onlineportal Kassensystemevergleich auf und führt Speedy mit den drittmeisten Erfahrungsberichten als Klassenbesten (4,9 von 5 möglichen Sternen).
YouTube-Kanal
Das muss wohl tatsächlich an der Qualität der App liegen, durch große Werbekampagnen und hohe Mediabudgets ist die Marke bislang jedenfalls nicht aufgefallen. Im Marketing sind die Speedys vielmehr experimentierfreudig und hemdsärmelig unterwegs. Da besucht der Chef schon mal persönlich das Oktoberfest – nein, kein Schreibfehler: in Münster. Dort hat Thomas Wengenroth einige der 60 Bedienungen interviewt und ihre Erfahrungen mit der Speedy-Kasse in Bild und Ton festgehalten.
Neben solchen Videos finden sich auf dem YouTube-Kanal von Speedy viele Erklärstücke und Tutorials für (angehende) Nutzer der Kassensoftware. Das meistgesehene Video wurde mehr als 21.000 Mal aufgerufen. “Der Kunde ist für uns der Star”, sagt Wengenroth, “entsprechend ist unsere Marketing-Kommunikation darauf angelegt, Praxisbeispiele, Erfahrungsberichte und Kundenerfolge in den Vordergrund zu stellen”. Und so viele Kassenschlager wie möglich zu produzieren.
Tipps für Startups Was Speedy-Chef Thomas Wengenroth für wichtig hält.
Führen nach Zahlen
Der Speedy-Geschäftsführer arbeitet mit sogenannten “Scorecards”, also Listen mit Kennzahlen, die er für relevant erachtet. Das können zum Beispiel Website-Zugriffe, Anzahl an Anfragen, Umsatz pro Kunde sein. “Es geht darum, sich jederzeit schnell und einfach einen Überblick zu verschaffen, Trends zu erkennen und darauf zu reagieren.”
Kompetenzen verbinden
Speedy-Gründer Martin Schmidt ist der Produktentwickler und Softwarespezialist, Thomas Wengenroth kennt sich aus mit Management und Marketing. “Es braucht unterschiedliche Kompetenzen, die sich ergänzen. Davon profitiert Speedy”, sagt Wengenroth.
Nerven behalten
In der Medienbranche hat er Höhen (New Economy) und Tiefen (Dotcom-Crash) erlebt, musste mit schwankenden und schrumpfenden Märkten zurechtkommen. Die Lust am Unternehmer-Sein ist ungebrochen, aber Wengenroth hat daraus gelernt, “in schwierigen Situationen die Nerven zu behalten und im Umgang mit Mitarbeitern, Dienstleistern und Kunden ruhig zu bleiben”.