“Solche zugespitzten Formate haben einen Wert.” – DW-Intendant Peter Limbourg über den Sinn und Unsinn von TV-Duellen .


Deutsche-Welle-Intendant Peter Limbourg hält eine TV-Debatte mit vier Kandidaten “in der jetzigen Konstellation” für “am passendsten”, sagt er im Interview mit dem “KNA-Mediendienst”. “Die AfD nicht zu berücksichtigen, bringt nichts. Im Gegen­teil, die Partei bietet ja genug Angriffs­punkte für eine lebhafte Diskussion mit Erkenntnis­gewinn.” Die Moderatoren müssten sich “intensiv vorbereiten und in der Lage sein, Fakten­checks in der Sendung zu machen”, sagt Limbourg. “Solche zugespitzten Formate haben einen Wert”, seien aber “durch Social Media nicht mehr so wichtig”, glaubt Limbourg. “Aber es ist immer noch ein Highlight im Wahlkampf.”

2002 hat Limbourg, damals Chefredakteur von N24, zusammen mit Peter Kloeppel das erste TV-Duell zwischen SPD-Kanzler Gerhard Schröder und seinem CSU-Heraus­forderer Edmund Stoiber moderiert. “Es war das erste Mal und daher waren alle noch kleinlicher als üblich”, erinnert er sich. turi2 veröffentlicht das KNA-Interview mit Limbourg in voller Länge.
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(Foto: Monika Skolimowska / dpa / picturedesk.com)


Von Joachim Huber

KNA-Mediendienst: Herr Limbourg, Sie haben am 25. August 2002 zusammen mit RTL-Anchor Peter Kloeppel das erste TV-Duell zwischen SPD-Kanzler Gerhard Schröder und seinem CSU-Herausforderer Edmund Stoiber moderiert. Wie kamen Sie zu dieser Ehre, wenn es denn eine war?

Peter Limbourg: Ich war damals Chefredakteur von N24 und für die politische Berichterstattung von ProSiebenSat.1 zuständig. Unser Vorstand Claus Larass hatte damals die gute Idee, mir den Job zu geben.

Meiner Erinnerung nach wurde vor dem Duell zwischen den Parteien und den Sendern intensiv und ausdauernd um die Regeln verhandelt, ja gestritten. Worum ging es da eigentlich?

Es ging um alles, wer bekommt die erste, wer die letzte Frage, wie lang darf man sprechen und in welchem Winkel stehen die Kandidaten zueinander. Es war das erste Mal und daher waren alle noch kleinlicher als üblich.

Wer wollte das TV-Duell mehr – die Sender oder die Politiker?

Ich glaube, die Sender waren die treibende Kraft. Aber die Politiker waren auch schnell überzeugt.

Was in dem dann vereinbarten Regelkanon fanden Sie passend, was aber auch nicht?

Rückblickend war das zeitliche Korsett mit 90 Minuten zu eng. Gut war, dass wir damals nicht mehr Moderatoren als Kandidaten hatten.

Gingen Sie mit Peter Kloeppel ins “Trainingslager”?

Vorbereitet haben wir uns jeweils alleine mit unseren Teams, aber wir haben ein paar gemeinsame Proben gehabt. Das war sehr unterhaltsam.

Welche Absprachen gab es zwischen Ihnen? Bad Guy der eine, Good Guy der andere vielleicht?

Peter Kloeppel ist ganz natürlich immer der Good Guy! Im Ernst – so eine Aufteilung gab es nicht.

Im Vorfeld Einflüsterungen von welcher Seite auch immer?

Es gab eine hohe Aufmerksamkeit seitens der Politik, aber keine unangebrachten Einflüsterungen.

Was würden Sie in Ihrer Moderation als geglückt, was als missglückt bezeichnen?

Ich denke ich habe das in der Sache ganz ordentlich gemacht – etwas mehr Lockerheit hätte nicht geschadet. Aber es war halt ein komplett neues Format für Deutschland, da war man auch als Moderator nicht nur lässig unterwegs.

War die Einführung dieses TV-Formates unterm Strich eine gute Idee, ja sogar notwendig?

Es war eine gute Ergänzung für den Wahlkampf und es war auch aufschlussreich. Das erste Duell hat überraschenderweise Stoiber für sich entschieden. Beim zweiten hat dann Gerhard Schröder Vollgas gegeben und seine mediale Kompetenz ausgespielt

2009 nahmen Sie an einem weiteren Duell teil: Kanzlerin Angela Merkel traf auf SPD-Herausforderer Frank-Walter Steinmeier. Dieses Mal übertrugen ARD, ZDF, RTL und Sat 1 parallel, befragt von vier Moderatorinnen und Moderatoren, für jeden Sender einen. Hat das funktioniert?

Nein, die Kandidaten haben sich mit Samthandschuhen angefasst und die Moderatoren haben nicht wirklich harmoniert. Überhaupt sind vier Moderatoren in einem solchen Format auch mindestens zwei zu viel.

Mittlerweile heißt es: Kein Bundestagswahlkampf mehr ohne TV-Duell(e). Eine Entwicklung, die Sie begrüßen?

Ja, ich finde solche zugespitzten Formate haben einen Wert – allerdings ist es gerade jetzt ja schwierig, ein Duell zu veranstalten, weil mehr als nur zwei Kandidaten in Frage kommen. Zuletzt gab es ja 2021 Trielle. Außerdem ist es durch Social Media nicht mehr so wichtig. Aber es ist immer noch ein Highlight im Wahlkampf.

Wie hoch schätzen Sie die Bedeutung von Duellen für die Wahlentscheidung ein?

Unterschiedlich – wenn es wie 2002 so knapp zugeht, kann ein Duell schon zum Wahlausgang beitragen. Joe Biden hat wegen seines ersten TV-Duells seine Kandidatur verloren. Andere Duelle haben dann weniger Einfluss.

Nun hat sich die Parteienlandschaft seit 2022 sehr verändert, vor allem die AfD ist als einflussreiche Kraft dazugekommen. Ist die AfD beim Duell-Format als eine Partei wie jede andere zu behandeln?

Im Prinzip ja, aber AfD-Kandidaten haben in der Vergangenheit gerne auch massive Desinformation verbreitet. Das heißt, die Moderatoren müssen sich intensiv vorbereiten und in der Lage sein, Faktenchecks in der Sendung zu machen. Das ist eine Herausforderung.

Die öffentlich-rechtlichen Sender betonen in ihrer Einladungspraxis das Prinzip der abgestuften Chancengleichheit. Ist diese Regel noch zeitgemäß, wenn ein Elon Musk und andere sich im Netz nicht an vergleichbare Regeln halten müssen?

Es ist völlig in Ordnung, dass jeder Sender unabhängig seine Prinzipien festlegt. Ob Musk die AfD gut findet oder nicht, ist dabei eigentlich egal. Viel wichtiger ist, dass Europa gerade die zweifelhaften Plattformen wie X oder TikTok viel härter als bisher reguliert. Es darf keinen Unterschied machen, was man auf einer Plattform publiziert oder in einem klassischen Medienhaus. Das hat mit Eingriff in die Meinungsfreiheit übrigens nichts zu tun, sondern mit dem Schutz einer wehrhaften Demokratie.

Wenn Sie zu mitzubestimmen hätten: Welches oder welche TV-Duelle fänden Sie im Vorfeld der Bundestagswahl 2025 am passendsten?

Ich beneide die Kollegen, die das organisieren, nicht. Am Ende wird niemand zufrieden sein. Aber in der jetzigen Konstellation scheint mir die Viererrunde am passendsten. Die AfD nicht zu berücksichtigen, bringt nichts. Im Gegenteil, die Partei bietet ja genug Angriffspunkte für eine lebhafte Diskussion mit Erkenntnisgewinn.