Kultur-Kampf:Christoph Amend, Editorial Director des “Zeit-Magazin”, fühlt mit seinem Künstler-Newsletter den Puls der Kultur-Branche, die unter der Krise besonders leidet. Er fordert in seinem Gastbeitrag für die turi2 edition #13 neue Bühnen für die Kunst in den Medien – das sei “das Mindeste, was wir Medienmacher*innen tun können”. Sie können das Buch hier als kostenloses E-Paper lesen oder gedruckt bestellen.
Zufällig treffe ich eine, von denen immer die Rede ist, wenn man von Kreativen spricht. Sie ist Anfang 30, lebt in Berlin. Beim Spazierengehen mit Snack laufen wir uns über den Weg. Es gehe so lala, sagt sie, und als ich nachfrage, was das bedeute: “Noch zwei, drei Monate kann ich durchhalten, dann wird’s eng.“ Und fügt etwas hinzu, was das ganze Lockdown-Drama klar macht: “Ich bin nicht zimperlich, ich würde wieder in einem Café arbeiten – aber in welchem?“
AnnenMayKantereit, die Indie-Band, haben gerade den Soundtrack dieses Lebensgefühls veröffentlicht, ein Album, im ersten Lockdown entstanden. Es ist kein Zufall, dass ihre neue Single “Gegenwart“ heißt: “Die Kneipen schließen / die Kinos auch / Und im Schauspielhaus ist Requisitenausverkauf“, singt Henning May. “Die Gelder fließen, die Tränen auch / Woher sie plötzlich kommen, weiß niemand so genau.“
Es kann einem ja auch niemand so genau erklären, warum Ikea offen ist und Museen nicht. Das Investieren in Sicherheitsmaßnahmen von Theatern: Es hat ihnen nicht geholfen. Auch darf sich niemand wundern, wenn der talentierte Techniker, der mit berühmten Bands auf Tour war, sagt: Sorry, ich wechsle die Branche, ich muss meine Familie ernähren.
Künstler*innen haben keine Lobby, zumindest keine organisierte, deshalb ist das Mindeste, was wir Medienmacher*innen tun können: ihnen eine Bühne bieten, solange die Bühnen geschlossen sind.
Stirbt die Kunst? Nein, sie kämpft. In den letzten Monaten ist so viel Kunst entstanden, die wir nur noch nicht kennen. Musik wurde aufgenommen, Romane und Drehbücher geschrieben, Bilder gemalt, Konzerte vorbereitet – das will alles raus, in die Öffentlichkeit, zum Publikum, sobald es wieder geht. Wir müssen nur alles dafür tun, dass es dann auch geht, die Politik mit unkomplizierter Hilfe, wir mit Kulturkonsum.
Wie singt Henning May in “Gegenwart“? “Ich muss mich zwingen, ein paar Stunden keine Nachrichten zu lesen / Fühlt sich an, als wäre gestern alles halb so wild gewesen / Und morgen könnte alles anders sein.“ Es könnte. 2021, wir setzen auf Dich.
turi2.tv: Wie geht’s den Künstler*innen, Christoph Amend?