turi2 edition #13: Miriam Meckel übers Lernen im Lockdown.
28. Dezember 2020
Startup-Denken: Mit ihren Mitgründerinnen gliedert Miriam Meckel 2020 die digitale Bildungs-Plattform ada beim “Handelsblatt“ aus. Die Unternehmerin wünscht sich in ihrem Gastbeitrag für die turi2 edition #13 mehr Startup-Mentalität im Journalismus. Und zeigt selbst, wie es geht. Sie können das Buch hier als kostenloses E-Paper lesen oder gedruckt bestellen.
Wer erwägt, ein eigenes Unternehmen aufzubauen, sollte wissen: Neu gründen ist einfacher als ausgründen. Das hat damit zu tun, dass gewachsene Strukturen beim Ausgründen mühsam entflochten werden müssen, und damit, dass der Gesetzgeber kein Startup-Gen mit auf den Weg bekommen hat. Unsere Reise in die Eigenständigkeit war eine Achterbahnfahrt. Obwohl alle mitfahren wollten, kam manche Kurve sehr überraschend. Gelegentlich haben wir die Köpfe aneinandergestoßen. Rückblickend hat sich aber jeder Schritt gelohnt.
Im deutschsprachigen Raum ist ada derzeit das einzige journalistisch geprägte Lernangebot, das digitales Lernen, Journalismus, Events, Innovations- und Community-Projekte in einem Ansatz verbindet, immer mit dem Fokus auf Technologie und Wandel. Das muss ich auch deshalb so deutlich sagen, weil die Medienbranche gelegentlich Mühe hat, aus den Schubladen im eigenen Kopf rauszukrabbeln. Wir hören immer wieder: Ach, ihr seid doch dieses Digitalmagazin, Journalismus über neue Technologien. Ja, den gibt’s bei uns auch. Vor allem aber ist ada ein B2B-Weiterbildungsangebot. 18 Organisationen sind dabei, 450 ada Fellows lernen ein Jahr, wie sie sich auf die Zukunft vorbereiten können und warum diese Zukunft viel mehr Chancen bereithält, als das viele Menschen in Deutschland glauben.
Wer mit offenen Augen, Ohren und einem Kopf, dessen Denken die Richtung ändern kann, durch die Welt geht, sieht: Medienunternehmen haben es schwer. Da ist der strukturelle Wandel, weg von Print, hin zu digital. Corona lässt nun auch noch Anzeigen und Veranstaltungsgeschäft einbrechen. Schon bevor dieser Virus sich in der Welt festgebissen hat, war uns klar: Wir wollen auch Journalismus machen, aber als Geschäftsmodell müssen wir eine andere Ausrichtung finden.
Wir als Gründerinnenteam wünschen uns, dass wir Vorbild für mehr Startup-Mentalität im Journalismus sein können. Nicht als Selbstzweck, sondern weil es viel Potential gibt in einer Branche, die die Welt beschreibenund erklären kann. Wir sollten das Feld nicht den Agitateuren politischer Sonderinteressen, den Manipulatoren der Desinformation oder den Bots überlassen.
Bei ada müssen wir sehen, dass wir unser Flaggschiff-Produkt, das einjährige ada Fellowship, ausbauen. Dabei achten wir streng auf die Qualität der Inhalte und die Interaktion zwischen den Fellows. Das messen wir anhand entsprechender KPIs: Wissenszuwachs, Veränderungen in der Selbstwirksamkeit der Fellows und Vernetzung. Wo etwas nicht stimmt, müssen wir neu ran, um Schritt für Schritt skalieren zu können.
Bei uns arbeiten Journalistinnen und Pädagogen, Tech-Nerds und Veranstaltungsstrategen zusammen. Regelmäßig diskutieren wir darüber, was uns stark oder schwach macht. Ich wünsche mir, dass es uns gelingt, diese Art der Zusammenarbeit beizubehalten, auch wenn das Team wächst. Wir haben einen Community-Purpose (Heute das Morgen verstehen, für ein faires, nachhaltiges Wirtschaftswunder 4.0), dessen Umsetzung nicht gelingen wird, wenn viele Egoist*innen versuchen, das jeweils Beste für sich rauszuholen.
Eine andere Gefahr ist die, die sich alle Unternehmen, ob Startup oder Großkonzern, vergegenwärtigen müssen: Wer sich auf dem Erreichten ausruht, macht es irgendwann zu seiner Grabstätte. Die Welt wird nicht einfacher, sondern nach den Gesetzen der Biologie immer komplexer. Das Gute ist: Wer seine journalistische Hingabe ernst nimmt, hat die besten Voraussetzungen, sie zu verstehen. Wir recherchieren das Neue und schreiben darüber. Warum das nicht nutzen, um einen Pivot in andere Unternehmungen zu wagen?
Offenbleiben, sich Zeit nehmen für den Austausch, immer wieder fragen: Machen wir noch das Richtige, und machen wir es richtig? Wenn uns das gelingt, sind wir in ein paar Jahren das einzige oder zumindest beste journalistisch geprägte Lernangebot Europas. Bis dahin halten wir es mit unserer Namenspatronin Ada Lovelace: “Mein Verstand umfasst immer nur einen winzigen Bruchteil dessen, was ich verstehen will.“
turi2.tv: Wie geht’s dem Lernen in Zeiten der Quarantäne, Miriam Meckel?