turi2 edition #15: Dominik Wichmann über die Achterbahnfahrt seiner Karriere.
16. September 2021
Ein Mann und sein Ride:Dominik Wichmann hat sich im Laufe seiner Karriere gleich mehrfach neu erfunden. Erst war er Chefredakteur des “SZ-Magazins” und des “sterns”. Heute ist der 50-Jährige Chef der 180-Köpfe-Agentur Looping und verspricht Content Marketing, das nicht manipulativ ist. Der Unternehmer glaubt, dass für ihn “die Straße beim Gehen entsteht”.
Es gibt bessere Zeiten, um ein Büro in London zu eröffnen als jetzt, mit Corona, Brexit und Reisebeschränkungen. Dominik Wichmann macht es trotzdem. Rund 30 Menschen arbeiten von London aus für die deutsche Looping Group. Dass Wichmann außer seinen Büroleiter Michael Karg noch niemanden von ihnen persönlich getroffen hat, stört kaum. Das ist bei der Mehrheit seiner deutschen Belegschaft nicht anders. Rund die Hälfte der 180 Menschen, die für den Content-Marketing-Dienstleister arbeiten, sind in der Pandemie zum Unternehmen gekommen. Die meisten arbeiten gerade aus dem Home-Office.
“Unternehmerisches Handeln ist dadurch gekennzeichnet, dass die Straße beim Gehen entsteht”, sagt Wichmann. 2017 gründet er mit drei Freunden die Looping Group: Der Wirtschaftswissenschaftler Robin Houcken guckt aufs Geld, Wichmann auf die Kreation. Peter Greve und Rüdiger Barth, beide kommen wie Wichmann vom “stern”, teilen sich Digitales und Print. Keimzelle sind 2016 vier Kundenmagazine von Mercedes-Benz, die Looping produzieren soll. Dass sie sich auf diesem Auftrag nicht ausruhen können, ist den Gründern klar: “Wir wussten, dass wir uns auf dem Weg neu erfinden müssen, andernfalls hätten wir unsere Firma nach ein paar Jahren wieder schließen müssen.”
Heute arbeitet die Agentur nicht mehr nur für die Automarke mit dem Stern, sondern bringt das Kunststück fertig, parallel für die neue PR- und Marketing-Einheit von BMW tätig zu werden. Und sonst so? Die Looping Group baut PR-Newsrooms, kommuniziert für NGOs und partnert mit dem Wort & Bild Verlag für die Gesundheitskommunikation. Podcasts und Videos gehören genauso zum Portfolio wie digitale Plattformen und Print – fast 20 Mio Euro Umsatz kommen so nach den üblichen Agentur-Maßstäben zusammen. Wichmann widerspricht der Rechnung nicht.
Journalismus ist das, was die Looping Group macht, freilich nicht. “Man kann Journalismus und Content Marketing nicht vergleichen”, dafür habe Wichmann zu viel Respekt vor dem Genre, in dem er 25 Jahre gearbeitet hat. Vielleicht beschwört der Looping-Chef gerade deswegen strenge Regeln für Auftrags-Kommunikation, etwa eine klare Kennzeichnung. “Starke Marken haben Etikettenschwindel nicht nötig”, Anzeigen, die sich wie redaktionelle Inhalte tarnen, findet er “peinlich”. Zwar sei sein Ziel, die Zahl verkaufter Produkte oder abgeschlossener Verträge zu erhöhen, das dürfe aber nicht mit dem Mittel der Manipulation geschehen.
Erst sind Strategie-Beratung und Content-Produktion die beiden Säulen, auf denen Wichmanns Geschäftsmodell steht, seit Oktober 2020 wächst eine dritte: Die Looping Group übernimmt das Magazin “Madame” von der Bauer Media Group – ein Luxus-Lifestyle-Magazin mit 77.000 Auflage. “Wir wollen bei ‘Madame’ für ein eigenes Produkt anwenden, was wir über Zielgruppen, Strategie und Content gelernt haben”, erklärt Wichmann und plant schon weitere Abstecher ins Publishing ohne Corporate-Anhang.
Auflage und Umsätze zu steigern, dürfte kein Selbstläufer sein, aber spätestens seit seinem Rauswurf beim “stern” 2015 entscheidet sich Wichmann ohnehin lieber für den steinigen als für den gemütlichen Weg. So unterschreiben externe Dienstleister bei Looping nicht einfach einen Vertrag, sondern treten einen “Ride” an, wie in der Achterbahn. Die Fahrt könnte aufregend werden.