turi2 edition #15: Dorothea von Boxberg macht Stimmung bei Lufthansa Cargo.
27. August 2021
Kein Revoluzzer-Typ: Als frischgebackene Chefin der Lufthansa Cargo will die Wirtschaftsingenieurin Dorothea von Boxberg die Luftfracht nachhaltiger und digitaler machen. Und weder Idol noch Pippi Langstrumpf sein. Insider sehen für sie beste Chancen auf einen Platz im Vorstand der Holding.
Einem Kind erklärt Dorothea von Boxberg ihren Beruf als Chefin der Lufthansa Cargo so: “Wir transportieren wichtige Dinge schnell dahin, wo sie gebraucht werden.” Schnelle Flugzeuge: Damit kann man Kinder begeistern – zumindest die jüngeren. Die älteren, Generation Fridays For Future, weniger. Zu der gehören von Boxbergs Söhne, 11, 16 und 18 Jahre alt. Diskussionen um Flugverkehr, aber auch Fleischkonsum, Landwirtschaft und Politik sind zuhause keine Seltenheit. “Richtig und wichtig” findet die Dorothea von Boxberg. Von der Luftfracht, deren Schnelligkeit und Wichtigkeit am Arbeitsmarkt ist sie trotzdem überzeugt. Und hält dagegen: “Wir sind auf dem Weg dahin, so nachhaltig zu werden, wie es geht.”
Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind die beiden großen Themen, die von Boxberg sich bei ihrem Jobantritt im März 2021 gesetzt hat. Ersteres bedeutet vor allem: Kerosin sparen. Umweltfreundliche Frachter-Flotte, leichtere Transport-Container, Folie auf den Flugzeugen für mehr Aerodynamik, kraftstoffsparendes Starten und Landen, immer mehr nachhaltige Treibstoffe: “Wir drehen an allen Schrauben, an denen wir können”, sagt von Boxberg. In einem Jahr soll die Lufthansa Cargo der Luftfrachtanbieter mit dem geringsten CO2-Ausstoß am Markt sein. Schwerer messbar ist das Ziel in Sachen Digitalisierung. Von Boxberg sagt deswegen schlicht: “Der Kunde soll es einfacher mit uns haben.” Die Luftfracht soll noch schneller, digitaler, zuverlässiger werden, über alle Schritte im Lieferprozess hinweg. Und die Buchung so einfach wie Online-Shopping zuhause auf dem Sofa.
Es kann passieren, dass Dorothea von Boxberg in der Öffentlichkeit über diese beiden Themen sprechen möchte – und dann vor allem danach gefragt wird, wie sie Chefin in einer männerdominierten Branche geworden ist. “Das passiert einem Mann nicht”, sagt sie. Frauen werde gerne unterstellt, sie seien nicht durchsetzungsstark. Dabei, glaubt Dorothea von Boxberg, kommunizieren sie oft nur anders: “Sie versuchen oft, eine gemeinsame Ebene herzustellen – auch wenn das bedeutet, selbst mal tiefer zu stapeln. Männer kommen eher aus der Welt der Hackordnungen – und tun deshalb das Gegenteil.” Das zu verstehen und zu beachten, helfe im Berufsleben enorm. “Und zwar Männern und Frauen.”
Das Schlimmste, was Kolleginnen über sie sagen könnten, wäre für Dorothea von Boxberg: Sie hört nicht zu. “Ansprechbar und nahbar” will sie sein, “Leitplanken setzen, aber Handlungsspielräume lassen”. Dass sie selbst immer Chefs hatte, die sie machen ließen, hilft ihr jetzt: “Je mehr man daran gewöhnt ist, dass andere einem sagen, was man tun soll, umso weniger ist man für eine Führungsposition geeignet.”
Ihr Werdegang hilft ihr ebenfalls: Wirtschaftsingenieurs-Studium in Berlin und Paris, dann bis 2005 Unternehmensberatung bei der Boston Consulting Group. Dort arbeitet sie “so ein bisschen im Zeitraffer”, lernt unterschiedliche Situationen, Fragestellungen, Problemlösungen im Top-Management kennen. “Eine sehr gute Schule” nennt sie das heute. Bei der Lufthansa arbeitet sie danach im Passagiergeschäft und Produktmanagement, bevor sie 2018 den Vertrieb der Lufthansa Cargo übernimmt. Ihr Anteil daran, dass diese Unternehmenssparte trotz Corona noch Gewinne einfährt, dürfte also auch schon vor dem Sprung auf den Chefinnen-Sessel nicht gering gewesen sein.
Dorothea von Boxberg sieht sich nicht als Vorbild – “außer, Vorbild-Sein bedeutet, dass ich Frauen inspiriere, sich auf Führungspositionen zu bewerben”. Auch sie selbst kommt ohne Idole aus, hatte in der Jugend nie Poster von Stars an der Wand. “Wild und frei und laut” sei ihre Kindheit mit zwei Schwestern und viel Unabhängigkeit gewesen. Klingt nach Pippi Langstrumpf? Sie widerspricht: “Ich bin nicht so der Revoluzzer-Typ.” Ein fröhlicher Mensch, eine Optimistin: Dazu habe sie ihre Kindheit eher gemacht. “Ich glaube, ich kann die Stimmung in einem Raum verbessern.” Wütend macht sie nur eines: “Nicht entscheiden, ewig im Kreis herumreden – das bringt mich auf die Palme.”
Ihren Karriereweg habe sie nie Schritt für Schritt geplant, sagt Dorothea von Boxberg. Wichtig war ihr aber immer, ihn als Mutter zu gehen: “Für mich musste es beides sein, damit das Leben schön ist: Kinder und Karriere. Hat ja ganz gut geklappt.” Ihren Söhnen will sie mitgeben, was sie selbst als Kind gelernt, als Mitarbeiterin erlebt hat – und als Chefin möglich machen möchte: “Das Gefühl: Ich kann Dinge schaffen, Veränderung bringen. Ich mache einen Unterschied.” Die Diskussionen zuhause zeigen, dass auch das ganz gut zu klappen scheint.