turi2 edition #15: PR-Agentur-Chef Oliver Schrott fährt auf leisen Reifen.
17. September 2021
Kundschaft first: Gibt es einen ironischeren Namen für einen erfolgreichen Auto-PR-Mann? Der gelernte Journalist Oliver Schrott betreibt eine Kommunikationsagentur mit 240 Angestellten und Büros in Köln, New York und Peking – fliegt aber selbstsicher unter dem Radar der Branche. Und das schon seit rund 30 Jahren.
Im Herbst 2006 fahren 36 E-Klasse-Limos von Paris nach Peking. Es sind Dutzende Journalistinnen an Bord. Die Testfahrt soll öffentlichkeitswirksam zeigen, was die E-Klasse kann. Zuvor hatte eine große Rückrufaktion das Image der Mercedes-Reihe angeknackst und die Verkaufszahlen gedrückt. Am Ende der 28-tägigen Reise stehen 13.600 Kilometer auf den Tachos, mehr als 40.000 Liter Diesel fließen durch die Tanks. Internationale Medien berichten. Was aus heutiger Sicht irrsinnig und verschwenderisch wirkt, feiert die Branche damals als “organisatorische und publizistische Meisterleistung”.
Hinter der CO2-intensiven Aktion stehen Oliver Schrott und sein Agenturteam. Schrott, Jahrgang 1962, betont, dass er für seine Kunden schon immer in Bildern denkt: “Heute muss alles instagrammable sein. Wir haben damit schon in den 90ern mit Blick auf das Fernsehen angefangen, als PR noch weitgehend textorientiert war.” Schrott ist Gründer und Inhaber der Agentur Oliver Schrott Kommunikation, kurz OSK, die es seit 1993 gibt. Mit seiner Firma blickt er auf einige spektakuläre PR-Coups für die Automobil- und Mobilitätsbranche zurück, beschäftigt 240 Mitarbeiterinnen, hat Büros in Köln, New York und Peking.
2020 zählt OSK mit mehr als 20 Mio Euro Honorarumsatz zu den Top 10 der größten PR-Agenturen Deutschlands. Trotzdem ist das Unternehmen neben Branchen-Elefanten wie Serviceplan oder FischerAppelt vergleichsweise unauffällig unterwegs. Einmal sagt Schrott, dass er die “unbekannteste große Kommunikationsagentur Deutschlands” leitet. Seine Begründung: “Bevor wir über uns reden, reden wir über unsere Kunden. Dafür bezahlen sie uns ja auch gut.”
Aufgewachsen in Frankfurt am Main, entdeckt Schrott früh eine Leidenschaft für “alles, was sich bewegt”: Schiffe, Flugzeuge, Autos und Eisenbahnen. Erst will er Lokführer werden, dann Journalist. Nach dem Abi leistet Schrott Zivildienst beim Roten Kreuz und volontiert bei einem Pressebüro in Düsseldorf. Er ist 24, als er mit Sebastian Turner, Annette Milz und Stefan Kornelius das “medium magazin” gründet. Kurz darauf wird er Ressortleiter bei der “Auto Zeitung” des Bauer Verlags, bis er ab 1989 als freier Journalist für “Capital” über Wirtschaft, für “Horizont” über Automarketing berichtet.
Als immer mehr PR-Aufträge reinkommen, entscheidet er, dass es unglaubwürdig ist, beides parallel zu machen. Fortan schreibt er für Autohersteller Vorstandsreden, betextet Pressemappen und das Mazda-Kundenmagazin. Als er 1993 auf einen Schlag zwei Mitarbeiter einstellt, rät ihm sein Steuerberater zur Gründung einer GmbH. Dass er mal Journalist gelernt hat, merke man der Agentur noch immer an, meint Schrott. Seine Leute sollen “Dingen auf den Grund gehen, recherchieren, Sachverhalte gut erklären und verständlich aufbereiten”.
Doch Corona macht der Agentur zu schaffen. Der Umsatz bricht um fast 30 % ein. OSK passt sich den Umständen an: Die Premiere der S-Klasse ab Herbst 2020 begleitet sie rein digital. Videos mit der Musikerin Alicia Keys und Rennfahrer Lewis Hamilton sollen das physische Event ersetzen.
Schrott weiß, dass Paris-Peking per E-Klasse heute nicht nur wegen der Pandemie und aus politischen Gründen kaum noch vorstellbar wäre. Der Schwerpunkt seiner Agentur liegt weiterhin auf Mobilität, die Autobauer sprechen jetzt aber lieber über Elektro als über Diesel. “Wir müssen heute bei der Wahl der Mittel der PR-Inszenierung sehr sensibel sein. Sie darf die Nachhaltigkeit, die oft im Vordergrund der Kommunikation stehen soll, nicht konterkarieren”, sagt Schrott. “Wir würden heute nicht mehr Autos mit Hubschraubern rumfliegen.”
Er meint den Relaunch der Luxus-Automarke Maybach (Artikelfoto), die OSK 2002 für Daimler, damals DaimlerChrysler, stemmt. Dafür kutschiert die Agentur den Neuwagen per LKW von Sindelfingen nach Southampton, lässt ihn dort von einem Schwimmkran in einem gläsernen Container auf das 1.-Klasse-Sonnendeck des Ozeanriesen “Queen Elizabeth 2” hieven und schließlich bei der Ankunft in New York vor der Skyline von Manhattan mit einem Hubschrauber an Land fliegen, wo er zur Pressekonferenz in einen alten Börsensaal an der Wall Street einrollt. CNN und zahlreiche Morning Shows berichten, 500 Mio Menschen sehen die bildstarke Inszenierung im TV. Für die Kommunikation zum Maybach-Relaunch macht DaimlerChrysler eine Millionensumme locker.
Fast 20 Jahre danach sind die Aktionen leiser geworden. Autobauer geben weniger Geld für PR-Einzelmaßnahmen aus, erst recht für spitze Zielgruppen wie beim Maybach. Zudem bindet die E-Transformation viele Mittel. OSK wächst trotzdem. Längst haben Schrott und sein Team auch Kunden aus anderen Bereichen der Industrie für sich gewonnen. Gerade zieht die Agentur um, in ein ökozertifiziertes, barrierefreies Haus im Belgischen Viertel in Köln. Mit Coworking-Bereichen und kreativen Gemeinschaftsflächen auf 4.000 Quadratmetern. Schrott nennt es das “Haus der Ideen”. In der Tiefgarage gibt es Wallboxen für E-Fahrzeuge und Duschen für Kolleginnen, die mit dem Rad kommen. Schrott nimmt das Auto.