turi2 edition #17: Alexandra Bagehorn über Luxus und die Liebe zur Mode.
24. April 2022
700 Quadratmeter Schuhe: Als Chefin des Alsterhauses hat sich Alexandra Bagehorn ihren Kindheitstraum erfüllt. Sie liebt die Kundschaft und beobachtet sie beim Shoppen ganz genau, erzählt sie im Interview in der turi2 edition #17. Auch wenn das für sie bedeutet, fast jedes Wochenende zu arbeiten.
Frau Bagehorn, was ist der erste Gegenstand, den Sie sich in Ihrem Leben gekauft haben?
Ich erinnere mich an meine erste Jeans von Levi’s. Die habe ich mit viel Emotion und Freude gekauft – und sie hat mich lange begleitet.
Haben Sie die damals selbst bezahlt oder Ihre Eltern?
Das konnte ich mir damals als sehr junges Mädchen noch nicht leisten. Aber trotzdem war das ein Highlight. Irgendwann kommt man ja als Jugendliche mit den It-Pieces in Berührung und das war eben mein erstes. Ich habe schon früh neben der Schule im Einzelhandel gejobbt. Ich glaube, mit 16 habe ich angefangen, bei Benetton zu arbeiten und deswegen ging eigentlich mein ganzes Gehalt immer direkt retour.
Gab es da zumindest einen Rabatt für die Angestellten?
Ja, wie viel genau, weiß ich nicht mehr. Wenn man als Kunde in einen Laden geht, dann sprechen einen fünf, sechs Teile an. Aber wenn man ständig mit der Ware zu tun hat, braucht man gefühlt irgendwann alles. So wie heute: Ich kaufe meine Sachen zu 95 Prozent im Alsterhaus.
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Wann ist Ihnen klar geworden, dass Sie Chefin werden wollen?
Für mich war es immer wichtig, dass ich eine Position oder Aufgabe wahrnehme, die eine Perspektive bietet, mit einem konkreten Ziel, auf das ich hinarbeiten kann. Ich bin mit meiner Zwillingsschwester in Frankfurt groß geworden. Unsere Mutter mochte es nicht wirklich, einkaufen zu gehen. Deswegen sind wir konzentriert zwei Mal im Jahr zu Peek & Cloppenburg gegangen und wurden von oben bis unten eingekleidet. Ich fand das Geschäft atemberaubend. Als kleines Kind wirkt das riesengroße Haus ja noch größer. Schon bei meinem Start als Trainee bei P&C war für mich klar: Ich will irgendwann das Frankfurter Haus leiten. Das Alsterhaus in Hamburg hatte ich nicht auf dem Schirm. Der Job kam dann über einen Headhunter zu mir, es hat sich aber angefühlt, als hätte ich ihn gesucht – und gefunden.
Was macht die Arbeit im Einzelhandel spannend?
Am wichtigsten sind natürlich die Menschen. Man hat mit den Kund*innen, mit den Mitarbeiter*innen und mit Dienstleister*innen zu tun. Ich habe gerne Menschen um mich, deswegen war ein klassischer Bürojob für mich nie denkbar. Im Studium habe ich neben meinem Job bei P&C gekellnert, und ich mag es einfach, wenn sich viel um mich bewegt. Das macht für mich den Handel aus. Hier geht es um Trends und um die schönen Dinge des Lebens. Schöne Produkte, schöne Waren in tollen Kaufhäusern. Gerade wenn man große Flagship-Stores leitet, ist man ganz nah am Zeitgeschehen. Die Marken zeigen ihre neuesten Kollektionen, die neuesten Pop-ups.
Was macht eine gute Verkäuferin aus?
Passion und Leidenschaft, Gastgeber zu sein, und die persönliche Motivation, den Kund*innen ein individuelles Erlebnis bieten zu wollen. Man muss sich als Verkäufer*in wirklich für Ware interessieren, sie anfassen, spüren, verstehen wollen: Woher kommt das? Warum ist das so zusammengesetzt? Die Kund*innen sind heute über alle Kanäle sehr informiert. Wir schulen unser Team so, dass sie auch wirklich mit Fachkompetenz verkaufen können. Und natürlich muss die Liebe zur Mode da sein.
Können Sie jungen Leuten guten Gewissens zum Job im Einzelhandel raten? Heißt das nicht: Jeden Samstag arbeiten?
Wenn man sich bewusst für den Handel entscheidet, dann liebt man den Samstag. Eigentlich arbeitet man die ganze Woche auf den perfekten Samstag hin. Es sind die meisten Kunden im Haus, da ist Frequenz und richtige Dynamik. Die Kund*innen verbringen ihre Freizeit bei uns, treffen sich mit Freund*innen und machen sich teilweise auch hübsch für das Einkaufen, das wird richtig zelebriert. Und klar, ich habe im Handel meinen Traumjob. Ich kann auf jeden Fall jungen Menschen empfehlen, in den Einzelhandel zu gehen, weil es unglaublich spannend ist. Man arbeitet mit Menschen, mit Zahlen, man ist Unternehmer*in. Das macht Spaß.
Das Alsterhaus gibt es seit 110 Jahren, es ist für viele Hamburgerinnen eng mit ihrer Biographie verbunden. Was ist der größte Unterschied zu einer normalen Ketten-Filiale?
Die KaDeWe Group, zu der das Alsterhaus gehört, betreibt in Hamburg und in München mit dem Oberpollinger und dem KaDeWe in Berlin Department Stores, die eine sehr lange Tradition haben und die eigene Marken, ja richtige Ikonen ihrer Städte sind. Das gilt auch für das Alsterhaus in Hamburg. Das Haus hat eine Strahlkraft auf die Stadt und in die andere Richtung ist uns der Bezug zu den Hamburger*innen sehr wichtig. Wir bieten auch viele lokale Produkte an. Für meine Rolle gilt: Die Hamburger*innen haben mich unglaublich schnell aufgenommen und ich darf in den wichtigen Kreisen am Stadtgeschehen mitwirken, weil das Alsterhaus eine Bedeutung für die Stadt hat.
Online boomt. Wo bleibt da das Alsterhaus?
Zum Trend gibt es immer auch einen Gegentrend. Online existiert und ist auch wichtig und trotzdem merke ich, dass es für die Kund*innen nach wie vor essentiell ist, Produkte zu sehen und sie erleben zu können. Das Kaufverhalten hat sich natürlich geändert: Wenn man morgens feststellt, dass man ein paar Jeans braucht, kauft man die wahrscheinlich schnell online. Aber um Erlebnisse zu haben und Inspiration zu bekommen, fahren die Menschen in die Stadt, wie zu einem Marktplatz. Und da stehen Häuser wie das KaDeWe, der Oberpollinger oder eben das Alsterhaus mit breitem Sortiment und einer großartigen Markenvielfalt, wo man alles erleben und sich Inspiration holen kann – nicht nur von der Mode, auch von den Architekten, die die Häuser gestalten.
Ihr Angebot liegt hauptsächlich im Luxus- und Premium-Segment. Bleibt das so?
Natürlich haben wir eine Strategie, die in die Richtung geht, aber wir definieren Luxus bestimmt nicht nur mit „teuer“. Es ist das Besondere. Für einen ist es das Glas Champagner an der Bar, für den nächsten ist es ein bestimmter Käse, den wir regional oder aus einer bestimmten Region Frankreichs beziehen. Es kann natürlich auch die exklusive und teure Handtasche sein oder auch einfach die Zeit, die man zusammen mit Freunden genießt und gemeinsam im Haus verbringt.
Man kommt den exklusiven Dingen bei Ihnen etwas leichter nahe, oder?
Wir möchten Luxus für jeden erlebbar machen, da gibt es in einem Haus wie unserem nur wenige Schwellen. Man kann sehr persönlich einkaufen, aber man kann auch sehr anonym bleiben, wenn man das möchte. Und dann kann man sich auch teure Produkte anschauen, ohne dass einen wie in einer kleineren Boutique gleich drei Verkäufer*innen umwirbeln. Das ist bei uns ganz anders.
Welche Unterschiede gibt es im Kaufverhalten zwischen Männern und Frauen?
Die Frauen kaufen mit mehr Inspiration. Sie informieren sich vielleicht vorab etwas mehr und sind beim Einkaufen eher emotional. Wenn sie etwas anspricht, dann finden sie das einfach schön und wollen es haben, auch wenn vielleicht der Anlass noch gar nicht da ist. Die Herren sind eher am Bedarf orientiert. Das klassische Beispiel: Morgen werden es 30 Grad und der Mann braucht Polo-Shirts, dann geht er los und kauft sie. Wenn ihm ein Produkt gefällt, dann kauft er es oft gleich in drei Farben.
Welche Rolle spielen Emotionen im Verkauf der Produkte?
Eine große Rolle – wenn auch für viele nicht vordergründig. Aber im Unterbewussten schwingen Emotionen mit und sind für uns ganz wichtig. Wenn man mit den Kund*innen auf einer Ebene ist, kommt man leichter ins Verkaufsgespräch. Das funktioniert über Begeisterung oder über Storytelling oder weil man versteht, wo der Kunde gerade steht, was der Person wichtig ist.
Was lernt eine Kaufhaus-Chefin über Menschen, die einkaufen?
Es ist immer spannend zu sehen, wie Menschen auf gestaltete Flächen und die darauf präsentierten Produkte reagieren. Das ist etwas, was ich mir speziell anschaue. Ich stelle mich ganz bewusst an die Seite und beobachte die Leute. Wie laufen sie? Wie gucken sie? Greifen sie zu Produkten, die wir in der ersten Reihe stehen haben oder interessiert es sie eher gar nicht? Daran versuche ich abzulesen, ob unser Warenaufbau und das, was wir im Merchandising machen, auch angenommen wird.
Ich habe mir Ihren Job etwas verwaltungslastiger vorgestellt. Ist es normal, dass Kaufhaus-Chefinnen so viel im eigenen Haus unterwegs sind?
Das kann ich pauschal nicht beantworten. Meiner persönlichen Einstellung entspricht es auf jeden Fall. Ich arbeite auch sehr viel am Schreibtisch, administrativ fällt viel an. Aber jede Sekunde, die ich nicht in Meetings bin, bin ich auf der Fläche im Store, denn letztendlich macht es das ja aus.
Was können sich andere Branchen aus dem Handel abschauen?
Das, was der Handel richtig gut macht, ist, am Puls der Zeit zu sein und dynamisch Dinge, Kooperationen und Projekte umzusetzen. Mich beeindruckt immer, mit welcher Schnelligkeit Trends in tolle Kampagnen übersetzt werden und für die Kund*innen im Store verfügbar sind.
Was wären Sie geworden, wenn Sie jetzt nicht Alsterhaus-Chefin wären?
Als Kind wollte ich Ärztin werden, das hat sich aber dann mit dem Studium erledigt. Ich glaube, wenn ich nicht im Einzelhandel gelandet wäre, wäre ich wahrscheinlich Hoteldirektorin geworden – aber das ist ja beides nicht weit voneinander entfernt. Gastgeberin wäre ich in beiden Rollen. Das bin ich, und das bin ich gerne.
Haben Sie eigentlich eine Lieblings-Abteilung im Haus?
Samstags ist es definitiv unsere Food-Etage. Da ist einfach eine tolle Stimmung, an der Bar, in den Restaurants, die Menschen kaufen gute Lebensmittel für das Wochenende ein. Ich mag aber auch unsere Parfümerie in unserer Beauty-Abteilung mit den vielen tollen Düften. Und natürlich liebe ich unsere Shoe Hall für die Damen. Was soll ich sagen, Schuhe in allen Variationen auf 700 Quadratmetern – das ist immer ein Happening.
Alexandra Bagehorn
Geb. 1983 in Aschaffenburg
2001: Studium Wirtschaftswissenschaften, Wiesbaden
2007: Junior Trainee Peek & Cloppenburg, Wiesbaden
2008: Sales Assistant Women Premium
2010: Sales Managerin P&C, Düsseldorf
2011: Sales Managerin P&C, Wien
2013: General Sales Managerin P&C, Dortmund
2016: Commercial Director P&C, Frankfurt
2019: General Managerin Alsterhaus, Hamburg