turi2 edition #18: Anna Graf über NFTs und falsche Kunst.
19. Juni 2022
Virtuelle Werte: “Kunsthandel ist eine Frage des Vertrauens”, sagt Anna Graf, Director NFT der Kunst-Plattform misa.art. Sie glaubt, dass NFT-Kunst den Markt erweitert und damit Kunstschaffenden zu Gute kommt, weil sie neben klassischen Sammlerinnen auch “Krypto-Natives” anspricht. Graf rät Käuferinnen im Interview in der turi2 edition #18, auch auf den eigenen Geschmack zu hören bei der Auswahl eines Kunstwerks – “denn selbst wenn dessen Wert auf null geht, kann ich mich persönlich immer noch daran erfreuen”.
Schön wär’s. Wenn Geldvermehrung Teil der Kunst wäre, dann wären viele Künstlerinnen und Künstler reicher. Doch leider fällt es den meisten Künstlerinnen eher schwer, ihr Geld zu vermehren.
Wenn ein digitales Kunstwerk 69 Millionen Dollar bei Christie’s einbringt, dann ist das aber als Hype zu sehen.
NFTs sind mehr als ein Hype. Seit 2017 hält diese Technologie stetig Einzug in verschiedene Lebensbereiche, auch in die Kunst.
Was bringt mir Kunst, die ich nicht an die Wand hängen kann?
Wenn es mir nur um das Flippen geht, also das schnelle Geldmachen mit NFTs, dann brauche ich das Kunstwerk nicht an der Wand. Aber viele Kunstsammlerinnen und Sammler erfreuen sich an ihrer NFT-Kunst und hängen sich einen Screen an die Wand, um ihr digitales Kunstwerk zu zeigen. Oder sie drucken es aus und lassen es rahmen. Der entscheidende Vorteil von digitaler Kunst aber ist, dass ich weitere Präsentationsflächen habe und mein Kunstwerk mit Freunden im Metaverse teilen kann.
Wer bestimmt den Wert eines Werks?
Die Käuferschaft – das ist bei digitaler Kunst nicht anders als bei der traditionellen. Wenn das Werk erst einmal öffentlich ist, entscheidet die Community über die Wertentwicklung, und dabei kommt es ganz stark auf die Akzeptanz der Künstlerin an. Vom amerikanischen Markt kennen wir das schnelle Flippen, kaufen – weiterverkaufen, das mit hohem Risiko verbunden ist. Wenn die Community hinter einem Kunstprojekt steht, kann ein Werk innerhalb weniger Stunden eine Wertsteigerung um den Faktor fünf oder zehn erzielen. Für Einsteigerinnen und wirklich Kunstinteressierte kann die Einschätzung durch eine Galerie hilfreich sein: Ist das ein Upcoming Artist? Was hat die Künstlerin oder der Künstler vorher schon gemacht? Welcher Einstiegspreis ist gerechtfertigt? Kunsthandel ist eine Frage des Vertrauens.
Die Geschichte der Kunst ist auch die Geschichte von Fälschungen. Wie erkenne ich “echte” NFTs?
Das ist ein großes Problem, denn es kann mitunter einfach sein, Kunstwerke digital zu kopieren, zu minten und anzubieten. Es gibt sich also jemand fälschlich als Schöpferin eines Werkes aus und verdient damit Geld. Um dem entgegenzuwirken, haben wir ein Zertifikat eingeführt: Die Künstlerinnen und Künstler, mit denen wir zusammenarbeiten, müssen sich registrieren und unterschreiben, dass das Werk von ihnen ist.
Wird Krypto-Kunst mit den Jahren eigene Stil-Epochen prägen? Oder ist das Digitale dafür zu schnelllebig?
Die digitale Kunst wird bereits erforscht. Kunsthistorikerinnen und -historiker durchforsten die Blockchains und schauen, wann die “Epoche” der Collectibles, der Sammelwerke in NFT-Form, begonnen hat, und wann Strömungen wie zum Beispiel Pixel Art oder Trash Art ihren besonderen Move hatten.
Wer kauft NFT-Kunst?
Für NFT-Kunst interessieren sich traditionelle Kunstsammlerinnen genauso wie Krypto-Natives. Wobei Letztere sich oftmals zuvor gar nicht mit Kunst beschäftigt hatten. Ich selbst bin so ein Fall. Oft sind die Krypto-Natives auch jünger. Für Kunstschaffende ist das gut, denn es erweitert den Markt.
Wird mit virtueller Kunst mehr spekuliert?
Auch bei der traditionellen Kunst erhofft sich die Käuferin oder der Sammler natürlich eine Wertsteigerung. Aber über einen längeren Zeitraum hinweg. Bei NFTs reden wir von Minuten bis Stunden, in denen der Wert eines Werks geradezu explodieren kann. Das hat nicht zwangsläufig mit der Ästhetik und Qualität eines Werks zu tun. Doch auch hier findet ein Sinneswandel statt, hin zu langfristigen Investments und echten Beziehungen zwischen Sammlerinnen und Künstler.
Wie grün sind NFTs?
NFTs verbrauchen Energie, ganz klar. Es gibt mittlerweile Blockchains mit geringerem Energieverbrauch, allerdings sind Sicherheit und Qualität weniger gewährleistet. Meine Empfehlung an Künstlerin und Sammler gleichermaßen ist, sich für eine der genannten Handelsplattformen mit Etherum-Blockchain zu entscheiden. Denn ich möchte ja, dass mein Kunstwerk auch noch in vielen Jahren da ist. Apropos Energiebilanz: Die sieht bei traditioneller Kunst auch nicht rosig aus, wenn man mal alle Faktoren wie Transport, Ausstellungsraum und Besucheranreise einbezieht.
Worauf muss ich beim Kauf von Kryptokunst achten?
Wenn ich geprüft habe, wer die Künstlerin ist, also ob es sie wirklich gibt und das Kunstwerk echt ist, dann sollte ich mich danach entscheiden, ob mir das Werk gefällt. Denn selbst wenn dessen Wert auf null geht, kann ich mich persönlich immer noch daran erfreuen. Das ist ein Wert, den mir niemand nehmen kann.
Sind NFTs eine Option des Vermögensaufbaus, gar der Altersvorsorge?
NFTs können ein Asset zum Vermögensaufbau sein. Aber nicht nur im Kunstwerk, sondern auch in der Krypto-Währung steckt hohe Volatilität.
NFT-Kunst nutzt die Krypto-Technologie zur sicheren Ablage eines Kunstwerks auf der Blockchain. Dazu wird ein Kunstwerk digital gespeichert – das kann ein Foto oder die Abbildung eines echten Gemäldes sein oder auch nur der Scan von einem weißen Blatt Papier.
Minting heißt der Prozess, bei dem das Werk auf der Blockchain hochgeladen und als Datensatz verschlüsselt wird. Kunstsammlerinnen erwerben einen nicht-fungiblen Token, kurz NFT, also einen nicht austauschbaren, einmaligen Datenschlüssel, der nur der Besitzerin den Zugang zu diesem Objekt gewährt. Der Erwerb des NFTs macht die Käuferin also zur Eigentümerin des Kunstwerks.
Einstiegspreise für Kunst-NFTs liegen bei 100 Euro. Die NFTs werden über eine Galerie für digitale Kunst verkauft oder direkt auf virtuellen Marktplätzen gehandelt. Zu den bekanntesten Plattformen zählen Open Sea, Rarible und Super Rare. Sie unterscheiden sich durch die Gebühren fürs Minting, also das Erstellen eines NFTs, sowie die Art der Kryptowährung, mit der bezahlt wird.
(Foto: Renate Hanachi)
Dieser Beitrag ist Teil der turi2 edition #18 Kapital – alle Geschichten hier im E-Paper: