turi2 edition #18: Friederike von Bünau übers Stiften und Steuern sparen.
2. Juli 2022
Sinnstiftend: Friederike von Bünau, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, räumt im Interview in der turi2 edition #18 mit dem Vorurteil auf, dass in Deutschland nur Superreiche stiften – und dass Eitelkeit der einzige Antrieb ist. “Stiftungen sind Nischenhandwerker” sagt sie.
Friederike von Bünau, wer sollte unbedingt über die Gründung einer Stiftung nachdenken?
Grundsätzlich jede oder jeder, der seinem Vermögen einen anderen Sinnhorizont geben möchte. Stifterinnen und Stifter haben das starke Bedürfnis, die Gesellschaft mitzugestalten und ihr etwas zurückzugeben. Wer diese Motivation verspürt, für den ist eine gemeinnützige Stiftung die richtige Form des Engagements. Selbstverständlich kann man auch mit Spenden viel Gutes tun, aber bei der Errichtung einer Stiftung ist man einem Anliegen viel stärker und über einen langen Zeitraum verbunden.
Wie reich muss eine Stifterin sein?
Weniger reich, als die meisten denken. Es ist längst nicht so, dass nur Superreiche stiften. Mehr als ein Drittel der Stiftungen werden mit einem Kapital von unter 100.000 Euro errichtet. Bei etwas weniger als der Hälfte der Neugründungen liegt das Errichtungskapital zwischen 100.000 und einer Million Euro. Somit werden mehr als 80 Prozent der Stiftungen mit weniger als einer Million Euro gegründet, dagegen nur etwa drei Prozent mit mehr als 10 Millionen.
Und wenn das Geld trotzdem nicht reicht?
Wenn das Vermögen für den gewünschten Zweck nicht ausreicht, gibt es auch die Möglichkeit von Zustiftungen zu bestehenden Stiftungen. Und in Stiftungen wie den Bürgerstiftungen wird gemeinschaftlich gestiftet; nicht nur Geld, auch Zeit und Ideen sind gefragt. Dies ist eine Stiftungsform, die in den letzten zehn Jahren enorm gewachsen ist – mittlerweile gibt es in mehr als 400 Städten Bürgerstiftungen.
Ist es schwierig, eine Stiftung zu gründen?
Überhaupt nicht. Wenn Sie eine Stiftung gründen wollen, beginnen Sie mit einer Idee. Dann schreiben Sie ein Konzept und planen die Umsetzung. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen ist Neugründern mit einer Rechtsberatung behilflich. Auch im weiteren Verlauf der Stiftertätigkeit begleiten wir Mitglieder bei Fragen und Entscheidungen. Wer eine Stiftung errichtet, sollte sich allerdings darüber im Klaren sein, dass er sich in der Regel für immer von seinem Vermögen trennt. Es ist dann nur noch dem Stiftungszweck verpflichtet.
Wie sieht in Deutschland eine typische Stifterin aus?
Den Prototyp eines Stifters oder einer Stifterin gibt es nicht. Das Tolle am deutschen Stiftungssektor ist ja seine große Heterogenität in Sachen Größe, Rechtsform und Ausrichtung. Ende 2021 gab es in Deutschland 24.650 Stiftungen. Neben den großen, bekannten Stiftungen gibt es auch viele kleine, die in ihrer Kommune vor Ort etwas bewegen. Was man aber sagen kann: Die drei beliebtesten Stiftungszwecke, für die Stifterinnen und Stifter ihr Geld einsetzen, sind Gesellschaft, Bildungsförderung sowie Kunst und Kultur. Das Thema Umwelt, das in jüngster Zeit in unserer Gesellschaft stark an Bedeutung gewonnen hat, steht bei den Stiftungszwecken bislang auf Platz 6, Tendenz steigend.
Was sind typische Motive, eine Stiftung zu gründen?
Menschen, die Stiftungen gründen, verfolgen meist ein philanthropisches Ziel. Sie wollen Gesellschaft mitgestalten, Verantwortung übernehmen und sich auch über den Tod hinaus für das Gemeinwohl engagieren. Für manche ist es auch eine Möglichkeit, ein Andenken an eine nahestehende Person zu bewahren.
Eitelkeit und der Wunsch, nach dem Tod eine Spur zu hinterlassen, dürften auch eine Rolle spielen.
Wir brauchen starke Persönlichkeiten, die sich für gesellschaftliche Belange einsetzen. Wer eine gemeinnützige Stiftung gründet, hat den Willen, etwas Gutes zu bewirken. Dass eine Stiftung auch nach dem eigenen Tod weiterhin den Stiftungszweck unterstützt und ein persönliches Anliegen damit in der Welt bleibt, ist sicherlich für viele ein gutes Gefühl.
Mit einer Stiftung kann man gut Steuern sparen. Was ist der beste Hebel dafür?
Steuern sparen kann man mit Zuwendungen an eine Stiftung nur, wenn sie als gemeinnützig anerkannt ist. Dafür muss man auf das gestiftete Vermögen aber dauerhaft verzichten und es für das Gemeinwohl einsetzen. Und die Steuerbegünstigung unterliegt strengen Auflagen, die das Finanzamt regelmäßig prüft.
Wie sähe eine Gesellschaft ohne Stiftungen aus?
Eine Gesellschaft ohne Stiftungen kann ich mir gar nicht vorstellen. Sie leisten wertvolle und unersetzliche Arbeit, vor allem auch in Bereichen, in denen der Staat sich nicht, nicht mehr oder noch nicht engagiert. Stiftungen sind Nischenhandwerker, Agenten der Freiheit. Sie können neue Ideen und Konzepte für Probleme und Herausforderungen ausprobieren und aufgrund ihrer Unabhängigkeit unterschiedliche Akteure zusammenbringen. Sie repräsentieren einen Teil der Zivilgesellschaft und ermöglichen nachhaltig ehrenamtliches Engagement. Außerdem können sie schnell und flexibel auf veränderte Situationen mit Hilfsangeboten reagieren, so in Zeiten der Pandemie und jetzt zum Krieg in der Ukraine. Nicht zu vergessen sind es oft auch die Stiftungen, die Institutionen wie Alters- und Pflegeheime oder Museen tragen. Das Leben für viele Menschen wäre ohne dieses Engagement ärmer.
Viele kleine Stiftungen sind dennoch in Not. Woran liegt das?
Kleine Stiftungen stehen insbesondere wegen der seit Jahren niedrigen Zinsen vor großen Herausforderungen. Sie haben einen anderen Zugang zum Kapitalmarkt als große Stiftungen und somit weniger Anlagemöglichkeiten. Wegen der Niedrigzinsphase erwirtschaften sie weniger Erträge als erhofft und haben so weniger Geld zum Ausgeben. Auch die Inflation macht den Stiftungen zu schaffen.
Für welchen Zweck müsste noch eine Stiftung gegründet werden?
Es gibt tausend gute Gründe, eine Stiftung zu gründen. Aber Initiativen, die junge Künstlerinnen unterstützen, gibt es kaum.
Friederike von Bünau
ist Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands Deutscher Stiftungen. Seit 2006 führt sie zudem die Geschäfte der Kulturstiftung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Vorher hat sie für die Lufthansa sowie die Deutsche Bank gearbeitet.
(Foto: Jeannette Petri)
Dieser Beitrag ist Teil der turi2 edition #18 Kapital – alle Geschichten hier im E-Paper: