turi2 edition #18: Hava Misimi übers Investieren und Influencen.
1. Juni 2022
Kein Kinderspiel: In jungen Jahren organisiert Hava Misimi Taschengeld für sich und ihre Geschwister. Heute bloggt und berät sie zum Thema Finanzen. Für ihr großes Interview in der turi2 edition #18 trifft sich Chefredakteurin Anne-Nikolin Hagemann mit der Finanz-Influencerin auf dem Spielplatz. Denn wie beim Geld geht es hier auf und ab – und wer zu vorsichtig ist, “verpasst das Erlebnis”.
Hava, wir treffen uns heute auf dem Spielplatz. Erinnert dich hier etwas an die Finanzwelt?
Die Schaukel und die Wippe – dieses Auf und Ab, manchmal innerhalb von Sekunden, ist normal, wenn ich an der Börse investiere. Manche Menschen fühlen sich wohl mit dem Bauchkribbeln, das dabei entsteht. Andere müssen sich übergeben.
Welcher Typ bist du?
Ich bin risikoaffin – aber nur bis zu einem gewissen Grad. Wenn es überschaukelt, der Börsenkurs zu stark schwankt, fühle ich mich nicht wohl.
Welches Gerät wäre was für dich?
Das Klettergerüst ist ein gutes Bild für die Finanzplanung: Ich kann nicht einfach einmal springen und bin dann oben, sondern muss mich Schritt für Schritt zu meinem Ziel hangeln, Ausdauer beweisen. So läuft das auch beim Anlegen. Platt gesagt: Ich kann nicht einfach einmal 5.000 Euro schlau investieren und bin dann Millionär. Anlegen ist ein Prozess, der nur selten gerade nach oben verläuft, sondern im Zick-Zack-Kurs.
Ist das Klettergerüst geschafft, wartet die Rutsche. Manche Kinder hier stürzen sich direkt runter, andere brauchen länger, bis sie sich trauen. Wer hat später mehr Erfolg als Anlegerin?
Rendite ist im Prinzip eine Prämie dafür, dass ich ein Risiko eingehe. Ein Risiko ist also immer auch eine Chance – du weißt aber nie sicher, ob die so hoch ist, dass daraus ein Gewinn entsteht. Ein gewisses Maß, damit sich beides die Waage hält, ist also auch wichtig. Wer sich kopfüber die Rutsche runterstürzt, kann sich vielleicht etwas brechen. Wer zu vorsichtig ist, klettert vielleicht gar nicht hoch und verpasst das Erlebnis.
Ist das eine Talentfrage?
Nein, überhaupt nicht. Das Sich-Trauen kommt mit dem Wissen. Hat man die Mechanismen dahinter verstanden, entsteht der Mut beim Anlegen von selbst.
Was ist deine früheste Erinnerung zum Thema Geld?
Ich bin in die Schule gekommen, als der Euro eingeführt wurde. Da durften wir der Lehrerin zehn Mark geben und haben dafür einen kleinen Sack voll Euros bekommen. Ich war total fasziniert davon, dass da nicht eins zu eins umgerechnet wurde, sondern ein Euro zwei Mark wert war. Für eine Mark habe ich eine Brezel beim Bäcker bekommen, für einen Euro zwei.
War Geld bei euch zuhause Gesprächsthema?
Mein Papa hat oft samstags gearbeitet und uns dann erklärt, dass er das muss, wenn wir uns bestimmte Dinge leisten wollen. Meine Eltern kommen aus dem Kosovo. Für sie hat Arbeit vor allem Geld-Verdienen bedeutet, weil sie hier in Deutschland nicht das tun konnten, wofür sie eine Leidenschaft hatten. Mein Vater hat eigentlich Elektrotechnik studiert, konnte aber hier nur als Elektriker arbeiten, weil sein Diplom nicht anerkannt wurde. Darunter hat er sehr gelitten. Denn eigentlich ist er ein echter Zahlen-Freak. Er hat sich immer gefreut, wenn er uns Kindern bei den Mathe-Hausaufgaben helfen konnte.
Hat er dir diese Begeisterung mitgegeben?
Ich mag wie mein Vater die Logik hinter den Zahlen. Und dass Zahlen unabhängig von der Sprache funktionieren – zur Kommasetzung und Diktaten konnte ich meine Eltern nichts fragen. Zu Mathe schon.
Was haben dir deine Eltern über Geld beigebracht?
Meine Eltern haben mir nie vorgelebt, dass das wenige Geld uns einschränkt – sondern dass Geldverdienen eine Chance zum Möglich-Machen ist. Ich glaube, daher habe ich das kreative Denken beim Thema Geld. Und das Wissen, dass es keine großen Ressourcen braucht, um etwas daraus zu machen. Ich wusste immer: Ich muss eigenverantwortlich klarkommen, weil niemand anklopfen und alles für mich regeln wird.
Und was haben deine Eltern von dir über Geld gelernt?
Als erstes: Dass Kinder in Deutschland Taschengeld bekommen. Meine Eltern kannten das Konzept nicht, bis ich ihnen erzählt habe, dass alle in der Schule eigenes Geld kriegen. Das habe ich dann für mich und meine beiden jüngeren Geschwister klar gemacht. Heute fragen mich meine Eltern oft nach Anlage-Tipps. Mein Papa hatte früher mit der Börse nichts am Hut, inzwischen hat er Spaß am Investieren.
Worin unterscheiden sich deine Generation und die deiner Eltern?
Ich habe das Gefühl, dass die Gesellschaft heute weniger auf Statussymbole aus ist als früher. Bräuchte ich ein Auto, würde ich ein möglichst zweckmäßiges kaufen. Auch ein eigenes Haus mit Garten ist für mich kein so großes Ziel, wie es das für meine Eltern war. Das hatte bei ihnen aber auch mit dem Hier-Ankommen zu tun. Junge Menschen heute machen sich mehr Gedanken, was sie individuell wollen und weniger, was man so haben sollte. Sie wollen jetzt und hier ein schönes Leben haben – statt heute viel zu arbeiten, um sich morgen XY leisten zu können. Andererseits machen sie immer mehr Konsumschulden. Also irre ich mich vielleicht auch und die Statussymbole sind heute einfach andere.
Welche zum Beispiel?
In den sozialen Medien wollen wir alle gefeiert werden für irgendetwas. Für Markenklamotten oder tolle Reisen. Und: Ein Statussymbol hängt ja immer mit der Bewertung zusammen. Wenn ich heute eine Reise als wertvoller einstufe als ein Haus, kann sich das ändern, wenn ich Kinder bekomme oder globale Krisen zunehmen.
Du hast dir mit 24 eine eigene Wohnung in Stuttgart gekauft, nach zwei Jahren in deinem ersten Job bei einer Münchner Unternehmensberatung. Wie hast du das geschafft?
Die Gelegenheit war günstig: Mein Einkommen konnte ich selbst steuern, da ich zusätzlich zum Fix-Gehalt Geld für das Erreichen von Zielvorgaben bekommen habe. Weil ich mich in München erst eingewöhnen musste und auch viel gearbeitet habe, habe ich nicht viel für soziale Aktivitäten ausgegeben. Ende 2017 sind auch die Kreditzinsen gesunken. Da habe ich mich hingesetzt und einen Plan gemacht, wie ich genügend Eigenkapital zusammenbekomme. Ich bin sehr diszipliniert, wenn ich mir Ziele setze. Dazu muss man aber wissen: Die Wohnung hat 120.000 Euro gekostet, als Eigenkapital haben 10.000 gereicht. In den Preisen von heute wäre das schwerer gewesen.
Aber deine Wohnungsmiete in München war sicher auch nicht wenig.
Für meine Einzimmerwohnung habe ich 850 Euro warm gezahlt. An den Wochenenden, an denen ich zu meinen Eltern gefahren bin, habe ich die Wohnung nach Absprache mit meinem Vermieter über Airbnb angeboten. Während des Oktoberfests habe ich bei meinem Freund gewohnt und die Wohnung auch untervermietet.
Fleiß und Disziplin – das klingt simpel, aber nicht gerade spaßig.
Ich habe oft gehört, dass zu viel Disziplin negativ ist. Finde ich gar nicht: Durchhaltevermögen und Stetigkeit sind doch was Gutes. Wenn man beides mitbringt, sich also kontinuierlich mit den eigenen Finanzen auseinandersetzt, ist das auch leichter, als viele denken. Fehlt die Motivation, fällt das schwer.
Wie sich 500 Euro dank Zins und Zinseszins verzehnfachen, kann Misimi immer vorrechnen: Den Taschenrechner hat sie überall dabei
Wonach hast du dir damals deinen Job ausgesucht – wolltest du schnell reich werden?
Mir ist es wichtig, unabhängig zu sein. Und ich habe mir immer eine Sinnhaftigkeit in meinem Job gewünscht, weil ich gesehen habe, wie meine Eltern nur für Geld gearbeitet haben. An der Unternehmensberatung hat mich fasziniert zu sehen, wie sich Dinge verändern, wenn man etwas investiert – sei es Zeit, Geld oder Personal. Dass ich das heute nicht für ein fremdes, sondern für mein eigenes Unternehmen mache, ist natürlich noch schöner. Und das Prinzip kann man natürlich auch auf die eigene Finanzplanung anwenden.
Die Finanzbranche hat kein gutes Image, das liegt irgendwo zwischen langweiligem Bank- und windigem Anlage-Berater. Kannst du das widerlegen?
Es gibt weniger schwarze Schafe, als viele denken. Auch der Bankberater meint es nicht schlecht mit dir – er muss einfach in dem Konstrukt bleiben, das sein Arbeitgeber ihm vorgibt. Das schlechte Image kommt aus der Vergangenheit, die Skandale haben die Schlagzeilen gemacht.
Was machst du besser als mein Bankberater?
Mir ist wichtig, dass mein Gegenüber alles versteht, was ich sage, dass wir auf Augenhöhe miteinander sprechen. Mein Ziel ist es, jedem erstmal einen Grundstock an Wissen zu vermitteln – dann braucht man auch nicht für alles eine Beratung.
Schaffst du so nicht dein eigenes Geschäftsmodell ab?
Finanzberatung sollte funktionieren wie beim Frisör: Die wenigsten gehen dahin und sagen „Mach mal“ – und wenn doch, sind sie wahrscheinlich enttäuscht vom Ergebnis. Ich mache mir vorher Gedanken über die Länge, bringe vielleicht ein Foto mit. Das heißt aber ja nicht, dass ich mir selbst die Haare schneide. Ist der Kunde vorbereitet und weiß, wo er hin will, kann sich der Berater leichter in ihn einfühlen – egal, ob es um die Frisur geht, um Versicherungen oder Geldanlagen.
Anne-Nikolin Hagemann, Chefredakteurin der “turi2 edition”, und Hava Misimi machen für ihr Gespräch eine Pause vom Toben
Welche Rolle spielt Social Media für dich?
Eine große, weil Social Media eine wichtige Informationsquelle für junge Menschen ist. Sie sehen dort: Die Hava ist wie ich. Das ist eine gute Grundlage, sich mir anzuvertrauen und baut Zugangsbarrieren ab. Auf Social Media kann ja jeder alles sein. Aber gerade das Finanzthema ist ein sensibles, da will man genau wissen, wer einem da was erzählt. Meinen Freund und meine Eltern zeige ich nicht. Wie ich investiere, welche Qualifikationen ich habe und was ich von aktuellen Themen halte, schon.
Deine Community auf Instagram wächst stetig. Wächst mit der Reichweite auch deine Verantwortung?
Das Thema ist mir sehr bewusst. In gewisser Weise hemmt es mich auch. Als mein Publikum noch kleiner war, habe ich mir weniger Gedanken um einzelne Posts gemacht. Ich würde zum Beispiel keine Einzelaktie mehr teilen, die ich kaufe. Elon Musk haut so etwas einfach raus, dann kaufen es alle nach – das finde ich verantwortungslos.
Wie gehst du mit Kooperationen um?
Ich kriege sehr viele Kooperationsanfragen, 90 Prozent lehne ich ab. Ich finde es schwierig, da etwas zu empfehlen, weil viele die Empfehlung direkt annehmen, statt sich damit auseinanderzusetzen. Solche Werbung ist auch immer, immer, immer gekennzeichnet.
Warum teilst du dein Finanzwissen überhaupt kostenlos online?
Weil das etwas ist, das uns alle angeht. Die Rente sollte nach dem Klimawandel das nächste große Thema sein, das uns beschäftigt. Die gesetzliche Rente wird für niemanden reichen. Trotzdem machen sich viele keine Gedanken darum. Jeder Mensch sollte überlegen, wofür er eigentlich arbeitet und was er mit dem Geld machen will, das er verdient. Das macht den Einzelnen zufriedener und stärkt damit auch uns als Gesellschaft. In einer sozialen Marktwirtschaft wollen wir ja, dass jeder eine bestimmte Lebensgrundlage hat, damit die Grundbedürfnisse gestillt werden – und dann eigenverantwortlich an den eigenen Zielen arbeitet. Dafür braucht man ein Grundwissen. Mir hat die soziale Marktwirtschaft in Deutschland viel ermöglicht. Das möchte ich weitergeben.
Sollten Finanzen ein Schulfach sein?
Ein wirtschaftliches Grundverständnis würde allen guttun: Was ist ein Konjunkturverlauf, wie funktioniert ein Zyklus? Warum und wie kann ich in Unternehmen investieren? Wie entstehen Renditen? Dass die großen Fragen alle in der Schule erklärt werden, würde ich mir sehr wünschen.
Bist du eine Kapitalistin?
Die Definition einer Kapitalistin ist ja einfach, dass man seine Ressourcen, sein Kapital einsetzt, um mehr daraus zu machen. Die Ressourcen und das Mehr können ja alles sein. Also ja: Ich bin eine Kapitalistin – und die meisten von uns sind das auch. Die meisten von uns arbeiten für Geld, die wenigsten umsonst.
Das Wort ist also keine Beleidigung für dich?
Gar nicht! Die komplett freie Marktwirtschaft, wie es sie zum Beispiel in den USA gibt, diesen ganz harten Kapitalismus, den finde ich nicht gut. Ich finde die Kombi aus Eigenverantwortung und Auffangnetz in der sozialen Marktwirtschaft ganz nice. Der Staat soll uns nicht alle Verantwortung abnehmen, sondern uns ermöglichen, als unabhängige Wesen zu leben. Das wollen wir doch alle: frei sein.
Bauen Social Media, Fintechs, Trading-Apps und Co die Zugangsbarrieren zum Finanzmarkt ab?
Total! Während Corona hatten wir die höchste Zahl an jungen Neuanlegern, die es jemals gab. Weil die vielen neuen Plattformen es einfacher machen, sich da mal auszuprobieren. Ich muss nicht mehr zur Bank, sondern kann das vom Sofa aus erledigen.
Bietet das auch Risiken?
Auf jeden Fall. So etwas wie die Zahlungsverlängerung bei Klarna ist für junge Menschen ohne finanzielle Bildung eine Falle. Dazu höre ich einige persönliche Geschichten. Wenn man via Social Media ständig mit Werbung überschüttet wird, den sozialen Druck verspürt, immer neue Dinge zu kaufen und das schnell, einfach und sogar ohne direkt zu bezahlen geht, ist das verlockend. Und bei einfach zugänglichen Neo-Brokern ist das Risiko da, dass man ähnlich wie beim Glücksspiel süchtig nach dem Glücksgefühl beim Investieren wird und dann ins Zocken kommt, wenn man große Summen leicht hin- und herschieben kann.
Du plädierst dafür, dass wir alle unsere Finanzen aufräumen. Und was ist mit denen, die keine Finanzen, also wenig oder kein Geld haben?
Ziele kann man sich immer setzen. Ich kann gucken, ob ich mehr verdienen oder an einer bestimmten Stelle sparen kann, die mir vielleicht gar nicht bewusst ist. Sich mit seinen Finanzen auseinandersetzen, ist der erste Schritt. Wie beim Klettergerüst: Damit bin ich zwar noch lange nicht ganz oben, aber schon mal weiter als am Boden. Und: Heute kann man schon mit ganz wenig Geld eine Anlage starten.
Was sind die größten Hürden, sich mit Finanzdingen zu beschäftigen?
Es ist immer eine Kombi verschiedener Vorurteile und Ängste. Aus der Person heraus genau dieses Mindset: „Ich hab ja zu wenig, um etwas damit machen zu können.“ Bei Frauen vielleicht auch oft: „Mein Partner macht das schon.“ Gesellschaftlich hat man lange assoziiert: „Investieren ist nur was für Reiche.“ Wenn man jetzt auf Instagram sieht, dass nicht nur der mit dem Porsche anlegt, sondern auch die mit dem Fahrrad und dem Migrationshintergrund, traut man sich eher. Auch die Finanzbranche selbst muss viel, viel diverser werden, da sitzt man bei der Beratung zu oft einem Mann im Anzug gegenüber. Wenn ich mit jemandem, mit dem ich mich nicht identifizieren kann, über so persönliche Dinge wie meine Finanzen sprechen soll, wird das schwierig.
Reden wir als Gesellschaft zu wenig über Geld?
Auf jeden Fall, nicht nur in der Schule, auch später im Privat- und Berufsleben. Übers Gehalt zu sprechen, ist teilweise sogar laut Arbeitsvertrag untersagt. Natürlich sind solche Klauseln nichtig, das kann mir niemand verbieten. Trotzdem ist es kein beliebtes Gesprächsthema.
Sprichst du privat gerne über Geld, fragst du Menschen auf Partys, was sie verdienen?
Mit Freunden auf jeden Fall, bei ganz Fremden hätte ich Sorge, ihnen auf die Füße zu treten – obwohl sich das ja ändern sollte. Witzige Geschichte: Letzte Woche habe ich auf Instagram anhand von ausgedachten Fallbeispielen erklärt, wie man investieren kann, wenn man so und so viel Geld verdient. Danach haben mir unzählige Menschen geschrieben, ob ich sie mal als Beispiel bringen kann – und mir auf den Cent genau Infos zu ihrem Gehalt geschickt, ihrem Job und dazu, wofür sie wie viel ausgeben. Anscheinend ist die Hemmschwelle da schon gesunken.
Wie viel verdienst du selbst?
Das pauschal zu sagen, ist wegen der unregelmäßigen Einnahmen durch meine Selbstständigkeit schwer. Ich zahle mir selbst 50.000 Euro brutto im Jahr aus. Den Rest der Einnahmen investiere ich ins Unternehmen.
Bist du reich?
Ja. Für mich bedeutet Reichtum, dass ich in den Supermarkt gehen und kaufen darf, worauf ich Lust habe, ohne auf die Preise zu gucken – und noch andere Leute zum Essen einladen kann.
Dein Buch heißt Money Kondo, nach der Aufräumexpertin Marie Kondo. Deren Credo: Bringt es keine Freude, weg damit. Ist es in Geldfragen eine gute Strategie, auf sein Bauchgefühl zu hören?
Gefühle sind per se nichts Schlechtes. Niemand kann dir vorgeben, welches Risikoprofil du beim Anlegen hast, da musst du in dich hineinhören. Bei der Anlageentscheidung selbst sollte man versuchen, Gefühle auszublenden und rational zu entscheiden. Oder eben dazu stehen, dass man aus emotionalen Gründen anlegt. Ein gutes Beispiel ist da das Eigenheim: Das ist oft nicht das Investment, als das es viele sehen, wenn man es genau durchrechnet. Da ist der Kauf keine logische, mit dem Taschenrechner durchgerechnete Entscheidung, sondern eine nach Gefühl. Und wenn ich richtig viel Geld zu investieren habe und das in Unternehmen stecken möchte, die erst am Anfang stehen, muss ich natürlich ein Gefühl für den Markt, für Trends haben. Da kann ich nicht nur auf Zahlenbasis auswählen.
Wie wichtig ist dir ein gutes Gewissen beim Anlegen?
Ich versuche, bestimmte Branchen aus meinem Portfolio auszuschließen. Dafür kann man zum Beispiel die ESG-Kritierien der EU anwenden, die Abkürzung steht für Environmental, Social und Governance. Die bewerten Umwelt- und Sozialaspekte sowie eine verantwortungsvolle Unternehmensführung und schließen zum Beispiel so etwas wie Rüstungsindustrie und Kinderarbeit aus. Bei solchen Kriterien gibt es verschiedene Abstufungen, was die Strenge angeht. Am nachhaltigsten wäre die Kennzeichnung PAB, Paris Alinged Benchmark, die konform mit den Pariser Klimazielen sein soll. Meine Investments bewegen sich im guten Mittelfeld: Ich unterstütze nicht nur nachhaltige Themen und investiere nicht nur nach ethischen Kriterien.
Das brächte auch nicht viel Geld, oder?
Es wäre mit viel Risiko behaftet, weil ich da nur in einer Branche unterwegs wäre. Da tut sich aber gerade was: Mit der Agenda der neuen Bundesregierung und den Änderungen der EU-Vorgaben müssen Unternehmen in Zukunft immer nachhaltiger werden – und dadurch entsprechen immer mehr Portfolios den Kriterien und die Investmentmöglichkeiten werden breiter. Damit sinkt das Risiko nachhaltiger Anlagen.
Welche Emotionen verbindest du mit Geld?
Mit Geld selbst keine. Aber das, was ich mir durch Geld ermöglichen kann, bringt mir hoffentlich mein persönliches Glück. Natürlich kann ich superreich, aber supereinsam sein. Und Freundschaft kann man sich auch nicht kaufen. Geld allein macht nicht glücklich – aber wenn ich meine Freunde in den Urlaub einladen kann, schon.
Dieser Beitrag ist Teil der turi2 edition #18 Kapital – alle Geschichten hier im E-Paper:
Auf welchen Besitz bist du stolz?
Nicht auf etwas Materielles. Wenn ich all meinen Besitz nicht hätte, käme ich auch klar. Stolz bin ich auf mein Buch. Auch wenn es nur 20 Leute gekauft hätten, wäre ich das.
Statussymbole sind also nicht dein Ding?
Ich habe eine Handtasche, die ein bisschen teurer war – aber die trage ich jetzt auch nicht täglich spazieren. Vor ein paar Wochen habe ich einen Hund adoptiert, einen fünf Monate alten Mischling aus Zypern. Das habe ich mir gewünscht, seit ich klein war. Der ist für mich ein Symbol dafür, dass ich mir heute meine Zeit frei einteilen kann und unabhängig leben kann.
Hava Misimi
Geb. 1994 in Ludwigsburg
2012: Wirtschafts-Studium, Hohenheim und Lissabon
2017: Unternehmensberatung KPMG
2019: Ausbildung Finanz- und Versicherungsberatung, berufsbegleitend
2018:Blog Femance
2019: Unternehmensberatung Mücke, Roth & Company
2021: Gründung der Finanzberatung Yfinance GmbH
2021:Erstes Buch „Money Kondo“