turi2 edition #18: Ingrid Haas über die ikonische Geld-Werbung der Sparkasse
25. Juli 2022
Mal so richtig protzen: Die Sparkassen trumpfen groß auf mit „Mein Haus. Mein Auto. Mein Boot“. Eine legendäre Kampagne, über die Ingrid Haas, Konzernsprecherin der Deutschen Börse AG und ehemalige Verlagsgeschäftsführerin der Gruner + Jahr Wirtschaftsmedien, heute nicht wirklich lachen kann.
Den Slogan „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“ erfindet die Agentur Jung von Matt in den 90er Jahren. Die Werbung mit den ehemaligen Klassenkameraden Schober und Schröder wird Kult – und die Kampagne 2018 wiederbelebt. Mit selbstbewusster Nina, die Christoph im Rededuell unterbuttert.
Es waren andere Zeiten. Man legte Fotos auf den Tisch, statt ein Handy herumzureichen oder die Smartwatch vorzuzeigen. Es waren die Neunziger, über die die Kolumnistin Sibylle Berg einmal sagte: „Die letzte Zeit, in der man noch an etwas Gutes glauben konnte. Die Zeit der Naivität. Unendlich fade. Aber irgendwie rührend.“
Rührend ist auch das Wort, das mir in den Sinn kommt, wenn ich den fassungslosen Blick des präpotenten Herrn Schröder am Ende des Spots sehe. Ehemaliger Schulkamerad von Herrn Schober, dem Helden des ikonischen Werbespots der Sparkassen.
Bildschirmfoto 2022-05-16 um 21.16.06
Bildschirmfoto 2022-05-16 um 21.15.53
Bildschirmfoto 2022-05-16 um 21.17.38
Da hat man sich gemüht, hat in der Schule hart gearbeitet, das an der Uni fortgesetzt und streicht jetzt im Berufsleben den verdienten Lohn ein. Die Neunziger waren auch deshalb fade, weil sie die Hoch-Zeit des Materialismus waren. Also ist der Lohn Besitz. Ach was: Besitztümer! Schwer zu toppen von einem Verlierer wie Herrn Schober. Glaubt Herr Schröder. Seiner selbst so sicher, so naiv in seinem Glauben an Leistung.
Aber Vorsicht: 1995 fängt die New Economy an zu blühen. Unzählige neue Firmen entstehen auf Basis der sich rasant verbreitenden neuen Technologien. Die brauchen Geld. Sie suchen es an der Börse, bei Privatanlegern. Die Wirtschaftsmagazine boomen. Zu sagen, dass die Anzeigenmärkte wachsen, ist eine Untertreibung. Lieschen Müller und Otto Normalverbraucher kaufen Anlegermagazine. Und belassen es nicht bei der Lektüre. Sie investieren. Das alles in einer wirtschaftlich durchaus angespannten Situation. Die Konjunktur ist 1993 nach dem Zwischenhoch durch die Wiedervereinigung eingebrochen. Die Arbeitslosigkeit steigt in bisher unbekannte Höhen. Lohnarbeit führt nicht mehr oder nicht mehr allein zu Wohlstand. Mehr ist erreichbar. Ziel ist nicht unbedingt Reichtum, vermögend aber will man schon sein.
Bildschirmfoto 2022-05-16 um 21.17.08
Bildschirmfoto 2022-05-16 um 21.16.45
Bildschirmfoto 2022-05-16 um 21.17.26
Das Ende ist bekannt. Viele Menschen haben sehr viel Geld verloren und das Vertrauen in die Börse. Und die Finanzwirtschaft Reputation. Deshalb kann ich auch nicht wirklich über diese Kampagne lachen. Geblieben ist sie trotzdem. Nicht für ihre eigentliche Aussage, dass Wohlstand durch Geldanlage entsteht. Obwohl das heute mehr denn je zutrifft. Sondern sprichwörtlich als Ausdruck von Protzerei und Großmannssucht. Nicht von ungefähr nur mit dem ersten Trumpf. Nicht mit dem Auftrumpfen. Denn der Sexismus, der in den heute zuweilen verklärten Neunzigern zu erleben war, der ist nicht mehr salonfähig.
2018 haben die Sparkassen den Spot dann auch wieder neu aufgelegt. Eine Frau lässt dort einen Mann in Sachen Geldanlage alt aussehen. Aber so legendär wie der Ursprungsspot ist die Nachfolgekampagne nicht geworden. Und im Zweifelsfall, um eine weitere ikonische Kampagne der Sparkassen zu zitieren, macht man dann eben doch was mit den Fähnchen. Das geht immer!
Dieser Beitrag ist Teil der turi2 edition #18 Kapital – alle Geschichten hier im E-Paper: