turi2 edition #18: Ralf-Dieter Brunowsky über die goldenen Zeiten des Wirtschaftsjournalismus.
5. Juli 2022
Krachen gegangen: Der frühere „Capital“-Chefredakteur Ralf-Dieter Brunowsky erinnert sich im Interview in der turi2 edition #18 an Zeiten, in denen nebenbei ein Porsche und 100.000 D-Mark Prämie abfielen. Der Börsen-Crash rüttelte nicht nur am Vertrauen der Leserschaft, sondern auch am privaten Geld des Journalisten. Heutigen Anlegerinnen rät er dazu, in genau 50 Aktien zu investieren.
Bruno, du warst Chefredakteur der goldenen Ära von „Capital“, von 1991 bis 2001. Was war der goldenste Moment in dieser Zeit?
Das war, als ich Anfang 2001 vom damaligen Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff und Gruner + Jahr-Chef Gerd Schulte-Hillen die Auszeichnung für die „beste unternehmerische Leistung des Jahres“ erhielt, die mit einem sechsstelligen Bonus verbunden war. Belohnt wurde die erfolgreiche Umstellung des Heftes auf zweiwöchiges Erscheinen, bei dem sich der Anzeigenumsatz mit einem Schlag verdoppelte – goldene Momente für „Capital“ und für mich. Erstmals verdiente „Capital“ mehr als der „stern“.
Was war der Moment, als du gemerkt hast, hier kippt etwas?
Kurz danach. Ich schrieb eine Kolumne „Crash – nein danke“, die sogar vom „Spiegel“ zitiert wurde. Da unkten die ersten Blätter von einem drohenden Crash nach der extremen Börsen-Rallye der Jahre zuvor. Und ich ahnte, dass unser stark von der Börse getriebener Erfolg in Gefahr war. Da half auch kein Dagegen-Anschreiben – soweit ging der Einfluss von „Capital“ dann doch nicht. Allerdings: Noch im März 2001 war unsere Titelgeschichte „Die Perlen des Neuen Marktes“ das meistverkaufte Heft aller Zeiten: Wir verkauften am Kiosk 130.000 Hefte plus 200.000 Abos. Allerdings folgte kurz darauf der Absturz des Neuen Marktes und viele Anleger verloren ihr Vertrauen in die Tipps von Wirtschaftsmagazinen.
„Capital“ hat in deiner Zeit Hunderte Anlage-Tipps gegeben. Was war der beste?
Ich war nie der oberste Tipp-Geber des Magazins, mein journalistischer Werdegang war eher politisch. Bei den Anlage-Tipps musste ich mich auf unser Geld-Redakteure verlassen, allerdings darauf achten, dass sich Redakteure nicht bereicherten. Motto: Ich kaufe mir die Aktie in einem engen Markt und gebe dann den Tipp für die „Capital“-Leser, die Aktie steigt und der Gewinn wird mitgenommen. Diese Gefahr bestand immer.
Was war der schlechteste?
Das war eindeutig die Telekom-Aktie – leider. Auch wenn wir da nur indirekt als Tippgeber auftraten. Bevor die Telekom 1996 an die Börse ging, hatte ich mit dem damaligen Kommunikationschef Jürgen Kindervater einen höchst profitablen Deal vereinbart: Wir produzierten ein Sonderheft „Aktien für Einsteiger“, von dem uns die Telekom 500.000 Hefte abnahm und zugleich mehrere von etwa 20 Anzeigen schaltete. Dass sich die Hoffnungen in die Aktie nicht bewahrheiteten, ist bekannt.
Hast du eure Tipps befolgt?
An der Börse habe ich in dieser Zeit mit Porsche-Aktien viel Geld verdient und mir davon einen Porsche Boxster gekauft. Den habe ich auch behalten, als ich nach dem Crash das ganze Geld wieder verlor.
Was rätst du der Jugend? Wie soll sie investieren und Vorsorge betreiben?
Man kann nicht früh genug anfangen. Wie man spart, hängt davon ab, wie lange man das Ersparte nicht antasten muss. Wer z.B. 10.000 Euro nach wenigen Jahren braucht, sollte sie trotz Inflation auf dem Girokonto lassen. Wer monatlich 200 Euro sparen will, kann ein Sparplan-Angebot nutzen. Wer einen größeren Betrag erbt, sollte das Geld in einem globalen Aktienkorb auf 15 bis 20 Jahre anlegen und mit den Dividenden Aktien zukaufen. Über so einen langen Zeitraum sind selbst inklusive zwischenzeitlicher Crashes jährliche Renditen von sechs bis acht Prozent wahrscheinlich. Wichtig ist die Streuung: Verschiedene Branchen und Länder, große Unternehmen und vielleicht ein paar spekulative Aktien. 50 Aktien sollten es sein – keine mit mehr als 2 Prozent Anteil im Depot.
Welchen Lebens-Rat gibst du der turi2-Community mit Blick auf 73 Jahre gelebtes Leben?
Bin ich schon 73? Ich kann es kaum glauben. Mein Rat: Das Leben ist ein ständiges Auf und Ab. Euphorie wechselt sich ab mit Ernüchterung, Gesundheit mit Krankheit, Erfolg mit Niederlage. Ich halte es mit dem Arboreus-Prinzip, das meine Lebensgefährtin in ihrem gleichnamigen Buch beschrieben hat: Leben bedeutet, immer einen Weg zu finden. Nach Überwindung einer schweren Krankheit weiß ich, dass das seine Richtigkeit hat.
(Foto: privat)
Dieser Beitrag ist Teil der turi2 edition #18 Kapital – alle Geschichten hier im E-Paper: