turi2 edition #19: Hans Zimmer komponiert für BMW den Sound der Straße.
20. November 2022
Klassik für die Karosse: Elektrisches Fahren wird den Klang der urbanen Welt verändern. Damit BMW darin die erste Geige spielt, komponiert Filmmusik-Macher Hans Zimmer mit. In der turi2 edition #19 beschreibt Roland Karle, wie Zimmers Erfahrung und Kreativität den Elektrofahrzeugen einen “einzigartigen akustischen Charakter” verleihen sollen. Bei der Soundentwicklung werden schon auch mal Gitarren zertrümmert oder Gegenstände gegen eine Wand geworfen.
Von Roland Karle
Hans Zimmer freut sich auf die automobile Zukunft: „Zum ersten Mal seit der industriellen Revolution haben wir die einzigartige Gelegenheit, die Klänge unserer Städte neu zu gestalten und zu definieren.“ Dass einer der berühmtesten Filmkomponisten der Welt einmal den Sound für die elektrischen Fahrzeuge von BMW entwickeln würde – im Rückblick erscheint das fast ein bisschen wie vorherbestimmt: Denn als Kind, erzählt Zimmer, habe er seine Mutter beim Heimkommen „am Klang ihres BMW erkannt“.
Wie ein Auto klingt, wird nicht dem Zufall überlassen. „Sound ist seit jeher ein Differenzierungsmerkmal für Marken und Produkte“, betont Renzo Vitale, Creative Director Sound der BMW Group. Entsprechend großen Wert legt BMW auf die akustische Wahrnehmung seiner Fahrzeuge. Die anbrechende Ära der E-Mobilität wirft daneben ganz praktische Fragen auf. Zum Beispiel, wie die an sich stillen Elektroautos so präpariert werden, dass Fußgänger und Radfahrerinnen sie in ihrer Nähe wahrnehmen.
Schon vor mehr als zehn Jahren haben Akustikingenieure bei BMW begonnen, dafür künstliche Klänge zu erzeugen. Dabei haben sie sich an den sogenannten „Sound-Genen“ orientiert, die den Klang der Marke prägen und laut Vitale „auf die Charaktereigenschaften Freude, Eleganz und Dynamik einzahlen“.
E-Autos sind fast geräuschlos. Sounddesigner entwerfen deshalb künstliche Klänge für die Fahrzeuge
Stimmiger Sound steigert den Spaß am Steuer, das soll auch künftig so bleiben. Der Umstieg auf das elektrische Fahren eröffnet jedoch Möglichkeiten, neue, emotionsstarke Klangwelten zu schaffen. Deshalb arbeitet BMW mit Hans Zimmer zusammen, dessen Erfahrung und Kreativität den Elektrofahrzeugen einen „einzigartigen akustischen Charakter“ verleihen sollen. Für das Projekt „BMW Iconic Sounds Electric“ entstanden Tonaufnahmen in Zimmers Studios in Los Angeles und London, im Münchner Soundlabor von BMW und in vielen virtuellen Sessions.
Für die einzelnen Modelle werden unterschiedliche Antriebssounds geschaffen. Diese sogenannten „My Modes“ lassen sich per Tastendruck auf der Mittelkonsole aufrufen. „Jeder My Mode bietet ein individuelles Nutzererlebnis und betont andere Facetten im Charakter eines Fahrzeugs“, erklärt Renzo Vitale. Zuvor hat das Sounddesign-Team überlegt, was ein bestimmter Klang beim Hörenden auslösen könnte. Dabei stellen sich Zimmer und Vitale Emotionen als melodische Elemente vor. Bei der Soundentwicklung nutzen sie traditionelle Instrumente und wenden sie mitunter unkonventionell an. So kann es vorkommen, dass Gitarren zertrümmert oder Gegenstände gegen eine Wand geworfen werden.
Bei der Arbeit mit Hans Zimmer (links) entstanden Tonaufnahmen im Münchner Soundlabor von BMW sowie in Zimmers Studios in LA und London
Wenn die Klangdesigner die Ergebnisse daraus erklären, erinnert das an eine Vorlesung an der Musikhochschule. So werde beim „My Mode Expressive“ der ursprüngliche Violinton, sobald der Wagen beschleunigt, „von einer höheren Klangstruktur überlagert, die mit zunehmender Geschwindigkeit die Harmonie in mehreren Stufen verändert. Sobald das Fahrzeug eine Geschwindigkeit von 60 km/h erreicht, erklingt ein erster vollständiger Akkord. Bei Tempo 120 ist ein zweiter zu hören.“
Bevor die Klangentwürfe in Serie gehen, werden sie im Fahrzeug erprobt und das Feedback von Fahrerinnen ausgewertet. Entscheidend ist am Ende, wie es dem Publikum gefällt. Bei Filmmusik ist das nicht anders.
(Foto: Lucas Pretzel)
Dieser Beitrag ist Teil der turi2 edition #19 Audio – alle Geschichten hier im E-Paper: