turi2 edition #19: Wie nervig ist es, jeden Morgen gute Laune haben zu müssen, John Ment?
1. Oktober 2022
Der frühe Vogel: Bei Morning-Show-Moderator John Ment klingelt der Wecker täglich um 3.30 Uhr morgens. Da darf man auch mal schlechte Laune haben. Verstecken muss man das on air nicht, schreibt Ment in der turi2 edition #19. Denn statt „Gute-Laune-Kalifat“ wünschen sich die Hörerinnen heute ehrliche Storys im Radio.
Von John Ment
Es wäre tatsächlich sehr nervig, wenn ich jeden Morgen gute Laune haben müsste. Aber: Eine Laune haben reicht – und die kann dann gerne so ausfallen, wie ich wirklich drauf bin. Habe ich tatsächlich schlechte Laune, halte ich einfach etwas mehr die Klappe. Das fällt keinem Hörer der Morning-Show bei Radio Hamburg auf.
Bloß nichts vorgaukeln, was nicht ist! Das könnte ich auch gar nicht glaubwürdig durchhalten fünf Stunden am Morgen. Der Moderator, der dich am ehrlichsten in sein Leben reinlässt, kann punkten und wird als vertrauter Freund anerkannt – und viel lieber eingeschaltet. Und er darf auch mal nicht so gut drauf sein. Kein „Gute-Laune-Kalifat“ und kein Hinabsteigen in die „Gute-Laune-Minen“!
Interessant ist die Entwicklung, die meine Show in den letzten 33 Jahren genommen hat. Was ist heute der Einschaltgrund im Jahr Spotify? Natürlich, ganz unbescheiden, ich! Denn meine Stimme habe nur ich, meine Storys, meine Meinung, meine Sorgen und Freuden, meine Einordnung von Geschehnissen des ganz normalen Alltags. Und natürlich als Grundrauschen die Musik, die Hits, klar!
Radio ist erwachsener geworden, mein Hörer will nichts plump angedreht bekommen, was irgendwie nach purer Eigenwerbung klingt. Im Jahr 2022 brauche ich keine Witze mehr erzählen wie noch vor 30 Jahren. Sympathische, ehrliche Gespräche, in denen wir Moderatoren uns zuhören, reagieren und keine Fragen abarbeiten.
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Ernste Themen gehören übrigens erst recht und natürlich in unsere Show – selbst wenn sie ein „Downer“ sein könnten. Denn ich habe die gleichen Fragen und Ängste wie meine Hörer auch. Beispiel Corona: Hätte man mir vor 30 Jahren gesagt, dass ich einmal in der Show eine Stunde lang Fragen der Hörer beantworte, hätte ich es mir kaum vorstellen können.
Denn vor 30 Jahren war ich ausschließlich als Gagtrommel bekannt. Ich war entweder witzig oder sehr witzig – aber kein Mensch. Hätte ich mich dann nicht weiterentwickelt, auch mit der Hilfe und Unterstützung von Freunden, Beratern und unserer Programmdirektion, wäre ich vermutlich heute nicht mehr da, wo ich mich am wohlsten fühle.