turi2 edition #19: Suzanna Randall über Raumfahrt und Requiems.
1. Oktober 2022
Mission Kosmos: Suzanna Randall ist Astrophysikerin und will als erste deutsche Frau ins Weltall fliegen. In ihrem Podcast “Kosmos Musik” schlägt sie die Brücke vom Wissenschafts-Beruf zu ihrem Musik-Hobby. Im Interview in der turi2 edition #19 Audio erklärt Randall, wie es im Weltall klingt, welche Vorzüge Sounds für die Vermittlung physikalischer Inhalte haben und weshalb sie die Wissenschaftskommunikation auf einem guten Weg sieht.
Suzanna, du bist angehende Astronautin. Welchen Soundtrack erhält dein künftiger Flug ins All?
Ich mag “Major Tom” von Peter Schilling sehr. Dieser Refrain mit dem “völlig losgelöst” hat so etwas Leichtes.
Du hostest den Wissens-Podcast “Kosmos Musik”. Was hat ausgerechnet dich in die eher fachfremde Audio-Welt befördert?
Ich spiele seit meiner Kindheit Klavier und singe auch im Chor. Das habe ich ab und zu in Interviews erwähnt. Ein Team von BR Klassik hat mich darauf angesprochen und zusammen sind wir auf “Kosmos Musik” gekommen. Dabei habe ich extrem viel über Musik gelernt, eben unter einem wissenschaftlichen Gesichtspunkt. Wissenschaft und Musik sind ja auch keine Gegensätze, sondern ergänzen sich ganz gut.
Was gibt dir das Musizieren persönlich?
Das kommt ein bisschen darauf an. Wenn ich zum Beispiel eine schöne Sonate von Beethoven auf dem Klavier spiele, dann trägt mich das in eine andere Welt – wie der Flug ins All, aber auf der metaphysischen Ebene. Kleine Probleme sind dann plötzlich ganz weit weg. Und Singen bedeutet für mich, Emotionen loszulassen. Egal ob im Chor oder unter der Dusche und egal, ob ich freudig singe oder ein Requiem voller Leid und Kummer schmettere. Aber das ist mein persönliches Empfinden. Die wissenschaftlichen Gründe, warum zum Beispiel Singen gut tut, erklärt mein Gesprächspartner im Podcast besser. Die nächste Staffel von “Kosmos Musik” dreht sich sogar ganz ums Singen.
Hilft dir die Rolle der interessierten Hobby-Musikerin, eine Brücke zum Publikum zu bauen?
Die Themen, die wir in der ersten Staffel besprochen haben, waren wahnsinnig weitläufig, von Steinzeit-Musik bis hin zu den Vorgängen, die Musik im Gehirn anregt. Wissenschaftlich wusste ich über keines dieser Themen wirklich Bescheid und das hat die Gespräche auch für mich spannend gemacht. Natürlich habe ich mich vorbereitet, aber dann auch immer im Gespräch gefragt, was mich spontan interessiert hat.
Was war denn das Spannendste, was du da gelernt hast?
Dass wir nicht nur äußere Ohren haben, sondern auch innere Ohren. Es gibt Windungen im Gehirn, die wirklich für das Hören zuständig sind. Es ist wahnsinnig spannend, wie gut man in Hirn-Scans abbilden kann, was die Musik dort macht.
Du arbeitest als Astrophysikerin, moderierst zudem auch auf YouTube für Terra X. Sind Medien-Gigs für dich primär Broterwerb, Spaß oder Promo für den Flug ins All?
Ich mache das vor allem, weil ich die Möglichkeit habe, es zu machen – und weil es Spaß macht. Ich glaube jetzt nicht, dass der Podcast mich dem Weltall näher bringt, aber darum geht es auch gar nicht. Ich möchte mich ausprobieren, neugierig sein und meine Leidenschaften weitergeben. Wissenschaftskommunikation hat mir immer schon Spaß gemacht. Früher habe ich sie auf einem sehr viel niedrigeren Level betrieben und ab und zu öffentliche Vorträge gehalten. Dass ich das jetzt bei Terra X machen kann, ist für mich ein Riesen-Zugewinn.
Hat die Pandemie generell das Interesse an Wissenschaftskommunikation und den Menschen, die sie betreiben, gepusht?
Weil die Pandemie alle jeden Tag extrem beschäftigt hat, sind Menschen wie Christian Drosten über Nacht zu Wissenschafts-Stars geworden. Obwohl sie nichts anderes getan haben als vorher, ihre Arbeit aber eben in einem einflussreichen Podcast kommuniziert haben. Auch das Interesse der Menschen an der Astrophysik ist größer geworden, das liegt auch an der immer besser werdenden Kommunikation. Spektakuläre Bilder, wie vom James-Webb-Teleskop, faszinieren die Leute. Das mag auch Zeitgeist sein. Um das Interesse an meiner Person geht es mir aber nicht. Ich will Wissenschaft so transportieren, dass sie nicht einschüchtert und Laien sie verstehen können. Gerade vor Astrophysik haben die Leute großen Respekt.
Wie gut eignen sich Podcasts dafür?
Ich schaue nicht fern und höre wenig Podcasts, und bin auch gar nicht die Zielgruppe. Für mich sind Podcasts einfach ein neuer Weg, um Informationen zu verbreiten. Die Leute hören das nebenbei beim Autofahren und Kochen. Und sie können es – anders als im analogen Radio – konsumieren, wann und wo sie wollen. Mein Lieblings-Medium für Wissens-Vermittlung ist aber tatsächlich das Buch. Deswegen habe ich jetzt auch eines geschrieben.
Wie werden Sounds trotzdem für deine Arbeit relevant?
Ich finde es gerade für die Wissenschaftskommunikation schön, astrophysikalische Phänomene zu vertonen. Die Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher etwa gibt es als Soundfile. Das ist fast interessanter als die visuelle Repräsentation, weil erst die Vertonung richtig deutlich macht, wie schnell der Vorgang vonstatten geht.
Wie klingt es in einem Raumschiff?
Schallwellen brauchen ja ein Medium, auf der Erde ist das die Luft oder auch das Wasser. Im Weltraum herrscht Vakuum. Aber im Raumschiff können die Schallwellen sich durch die Luft im Inneren ganz normal ausbreiten. Da hört man vor allem ein Surren, weil so viele Ventilatoren und elektronische Geräte arbeiten.
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Welches irdische Geräusch würdest du im All richtig vermissen?
Ich glaube das Rauschen von Blättern und Bäumen im Wind.
Warum ist das All eine so große Quelle musikalischer Inspiration?
Das Weltall ist um uns herum und wir sind ein Teil von ihm. Es zeigt uns einerseits, wie klein und unbedeutend wir sind, aber auch unser Glück, diesen wunderbaren Planeten in einem ansonsten ziemlich toten und lebensfeindlichen Universum zu haben. Das Weltall geht an die menschliche Essenz und hält uns die ganz großen Fragen vor: Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin?
Welcher Song orchestriert deine sanfte Landung auf der Erde?
Da passt “Cosmic Girl” von Jamiroquai. Wenn ich dann wirklich im Weltall war, kann ich mich als echtes Cosmic Girl bezeichnen.
(Foto: Picture Alliance)
Suzanna Randall ist promovierte Astrophysikerin und arbeitet beim beim European Southern Observatory in München. Mit dem privat finanzierten Projekt „Die Astronautin“ wollen sie und Insa Thiele-Eich die ersten deutschen Frauen im Weltall werden. Anfang November erscheint Randalls Buch “Wellenreiten im Weltall”
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