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Was lassen Journalistinnen in den sozialen Medien lieber bleiben, Ayla Kiran?

28. April 2021

Idiotentest: Ayla Kiran, Social-Media-Leiterin beim “Spiegel”, gibt Medienschaffenden eine kleine Anleitung zur Navigation durch die sozialen Netzwerke. Im Zweifel lieber einmal um den Block gehen, als wahllos Tweets rausfeuern, rät sie in ihrem Gastbeitrag für die turi2 edition #14. Das Buch mit allen Beiträgen und Interviews erscheint am 6. Mai. Hier das kostenlose E-Paper vorbestellen.

Wann immer ich gefragt werde, wie man sich als Medienschaffende in den Netzwerken bewegen sollte, lässt sich mein Impulsvortrag kondensieren auf: Schreibe nichts, was du nicht auch auf einer Bühne mit 100 Menschen, deiner Mutter und deiner Chefredaktion im Publikum sagen würdest. Sei kein Idiot.

So einfach ist es natürlich nicht. Wer als Journalistin durch die sozialen Netzwerke navigiert, sieht sich früher oder später mit zwei Fallstricken konfrontiert. Der erste: Das vornehmliche Problem sind nicht digitale Fehltritte, sondern die Angst vor möglichen Konsequenzen. Die Sorge, in das Auge eines virtuellen Orkans aus Häme, Beschimpfungen und Aggression zu geraten, lässt viele von einem aktiven Engagement zurückschrecken und führt auch oftmals zum – intendierten – Rückzug. Dazu kommt eine neue Kritik-Unkultur, die Journalismus alles zutraut, nur keine Fehler. Diese Grundannahme wäre schmeichelhaft, wenn sie in der Konsequenz nicht mit gnadenloser Schelte einherginge. Im Zweifel gegen die Angeklagten.

So manche Redakteurinnen, denen über den fertigen Text eine unsaubere Zeile redigiert wurde, finden sich an einem freien Wochenende dabei wieder, zweihändig Beschimpfungen von Menschen zu blockieren, die weder Zeit, noch Lust, noch den Abo-Zugang hatten, sich mit dem Inhalt des besagten Textes auseinanderzusetzen.

Und dann ist da noch die Frage der Marken-Konformität, dem zweiten Fallstrick: In welcher Position bin ich eigentlich unterwegs? Eine freie Journalistin wird mehr Nachsicht genießen als eine angestellte Jungredakteurin gleichen Alters. Und beide haben weitaus weniger Spielraum als die arrivierte Edelfeder des Hauses.

Wer als Mitarbeiterin einer Redaktion zu erkennen ist, muss damit rechnen, dass ihr Statement als Statement des Hauses aufgefasst wird. Das kann also auch intern zu Verwerfungen führen. Nachdem Redakteurinnen der “New York Times” 2017 wegen kritischer Tweets zur Präsidentschaft Trumps in die Kritik geraten waren, fühlte sich das Haus bemüßigt, verpflichtende Social Media Guidelines aufzusetzen. “NYT”-Reporterin Maggie Haberman formulierte darin: “Before you post, ask yourself: Is this something that needs to be said, is it something that needs to be said by you, and is it something that needs to be said by you right now? If you answer no to any of the three, it’s best not to rush ahead.” Diese Leitlinie ist im Endeffekt eine charmantere Variante von “Sei kein Idiot.”

Wenn Sie alle Fragen guten Gewissens mit “Ja” beantworten können, dann ab damit. Wenn nicht: Gehen Sie eine Runde um den Block, legen Sie das Smartphone weg. Wenn Sie den Tweet immer noch absetzen wollen, haben Sie meine volle Unterstützung.

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