Herr Reichelt, Sie haben sich am 4. Juni bei turi2 im Interview lautstark beschwert, der Kollege Daniel Steil würde für Focus.de Inhalte von Bild Plus “klauen, klauen, klauen”. Bis heute hat Steil dazu nicht Stellung genommen. Lässt er seine langen Finger den inzwischen von Ihrem Content?
Wir stellen zufrieden fest, dass Focus Online unsere Plus-Inhalte nicht mehr komplett ausschlachtet, sondern nur noch unsere Nachrichten, die wir hinter der Paywall haben, sauber zitiert. Das ist ja auch völlig in Ordnung und üblich. Ich halte es für eine kluge und weitsichtige Entscheidung von Daniel Steil, nicht mehr bei uns zu klauen, denn auf Dauer schadet solch ein Verhalten auch ihm. Unsere Branche braucht eine Kultur, in der für journalistische Inhalte direkt und nicht alleine über Vermarktung bezahlt wird.
Bedienen sich andere, indem sie Bild-Plus-Abonnenten werden und Ihre Geschichten dann bei sich abfeiern?
Nur sehr selten. Zum Glück ist Geschichten-Klau noch immer etwas, das den allermeisten Kollegen peinlich ist. Deswegen ist die Hemmschwelle sehr hoch.
Wir von turi2 verraten gelegentlich Medienthemen, die hinter der Bezahlmauer liegen. Stört Sie das?
Stört uns nicht, nein. Nachrichten zu recherchieren ist das, was wir besonders gut können. Solange wir sauber zitiert werden, freuen wir uns über Weiterverbreitung. Ich propagiere da das amerikanische Modell. Selbst wenn man eine Geschichte im Nachhinein von eigenen Quellen bestätigt bekommt, selbst wenn man noch eigene Details herausfindet, gehört es sich zu schreiben: wie xy zuerst berichtete. Das ist ein Bereich, in dem wir auch noch besser werden können. Eine Geschichte als Erster zu haben, etwas Neues herauszufinden, ist der Kern von journalistischer Arbeit. Das sollten wir würdigen. Wenn wir es nicht tun, tun es unsere Leser irgendwann auch nicht mehr.