Der Club der Meinungsmacherinnen.

Heike Turi bei turi2:

  • Lese-Tipp: Warum Dreiklänge vermieden werden sollten.

    Lese-Tipp: Dreiklänge sollten in Texten unbedingt vermieden werden, schreibt die Journalistin Heike Faller. Schattier­ungen derselben Sache würden Leser nicht wahrnehmen: “Wir lesen nicht, ach schau her, der Florian nicht nur stolz, sondern auch super-aufgeregt, dass er jetzt diese neue Aufgabe bekommen hat.” Ihr Tipp: Bei drei ähnlichen Adjektiven solle man das “merkwürdigste der drei” auswählen. Zudem mache ein “sehr” oder “zutiefst” vor dem Adjektiv, etwa “traurig”, das Wort “nicht stärker, sondern schwächer”.
    texthacks.substack.com

  • “FAZ”: Länder haben Bedenken gegen zentrale ARD-Anstalt.


    Bedenkenträger: Die Länder halten die vom Zukunftsrat vorgeschlagene Dach­organisation für die ARD für “nicht zeitgemäß” und “aufwendig”, berichtet die “FAZ” von einer Klausurtagung in Bingen. Ein Fragezeichen stellen sie auch hinter den wirtschaft­lichen Nutzen. Die KEF soll ein Sonder­gutachten dazu anfertigen. Zudem würden die Länder die Sender dafür kritisieren, zu wenig zu den Reform-Prozessen beizutragen. In einem Schreiben an Medien­politikerin Heike Raab sei der Tenor der Intendanten von ARD, ZDF und Deutschlandradio gewesen, dass die Zukunftsrat-Vorschläge grund­sätzlich begrüßens­wert seien, die Sender aber vieles davon bereits umsetzen würden. Beim Thema Rundfunkbeitrag gibt es ebenfalls noch Uneinigkeit: So gebe es keine Mehrheit für das Index-Modell, auch eine Erweiterung des Prüfauftrags der KEF sowie etwaige Strafzahlungen der Sender bei Nichterfüllung des Auftrags seien strittig.
    faz.net (€), turi2.de (Background)

  • Rundfunkkommission will neuen Staatsvertrag mit Reformvorhaben für ARD und ZDF bis Herbst.

    Erhöhung wegreformieren? Die Rundfunk­kommission der Länder will bis Herbst 2024 Reform­vorhaben für ARD und ZDF in einen neuen Staats­vertrag gießen, teilen RLP-Medien­staats­sekretärin Heike Raab (SPD) und Sachsens Staats­kanzlei-Chef Oliver Schenk mit. Die Gebühren­kommission KEF solle zu den finanziellen Folgen der Reformen ein Gutachten erstellen, bevor sie über die künftige Höhe des Fund­funk­beitrags richtet. Angedacht sind u.a. stärkere Kooperation bei Groß­events, Zusammen­legung von Auslands­studios und Zentrali­sierung in der Verwaltung.
    medien.epd.de (€)

  • News-Ticker vom 23. Januar 2023.

    +++ Studien­rat Kai Bellstedt ist neuer Chef des NDR Landes­rund­funk­rats Schleswig-Holstein. presseportal.de +++ Agentur Meta Design macht Kim Fischer zur Head of Meta Spaces. horizont.net (€) +++ Kommunikations­beratung Allison ernennt Heike Schubert zur COO Europe. pr-journal.de +++ Territory entwickelt neue Metric für Social-Media-Inter­aktion. cpmonitor.de +++ Filmchef Scott Stuber verlässt Netflix. reuters.com +++

  • Neues Jahr, neue Wege: Wie sich turi2 verändern wird.


    Auf ein Neues: Die Medienwelt verändert sich wie nie zuvor. Kommunikation muss neu gedacht werden. Auf turi2.de und in unserem Newsletter berichten wir darüber jeden Tag. Auch turi2 verändert sich:

    turi2 Themenwochen: Die Bühne, die wir der Branche seit 2015 mit der gedruckten “turi2 edition” gebaut haben, steht nun im Digitalen – im Sinne der Aktualität wie der Nachhaltigkeit. Wir erhöhen 2024 die Schlagzahl der turi2 Themenwochen auf mindestens zehn Ausgaben. Die Themenwochen bieten digitale Vertiefung: aktuelle, kritische und unterhaltsame Interviews, Podcasts und Videos, nutzwertige Gastbeiträge und spannende Cases aus der Kommunikationspraxis. Sponsoren und Anzeigenkunden finden hier das ideale Umfeld für ihr Thema.

    turi2 edition: Das gedruckte Buch, das Liebhaber-Stück der Kommunikationsprofis, wird künftig als Jahrbuch erscheinen. Die nächste Ausgabe erscheint als Agenda 2025. Die Konditionen gibt es hier.

    turi2.de und turi2 Newsletter: Kein Fachdienst informiert schneller, pointierter und kompakter. Für diesen Service werden turi2.de und der turi2 Newsletter von über 30.000 Leserinnen pro Werktag genutzt und geschätzt. Hier finden sich aktuelle News, spannende Background-Artikel, Infos zu den turi2-Köpfen und wichtige Termine der Branche. Damit sich die Vielfalt der turi2-Themen noch besser erschließt, werden wir die Homepage nach und nach umbauen. Für Anzeigenkunden und Sponsoren wollen wir die Sichtbarkeit weiter erhöhen – das neue Top-Banner zeigt das schon.

    Der Satz “Das haben wir schon immer so gemacht” darf bei turi2 nicht gelten. Wir haben Spaß daran, uns neue Ziele zu setzen und alternative Wege zu gehen. Wir freuen uns über alle, die den Weg mitgehen.

    Wir wünschen unseren Nutzerinnen und Nutzern, Freundinnen und Freunden ein erfolgreiches und glückliches Jahr 2024!

    Heike Turi und Peter Turi

    (Fotos: Holger Talinski für turi2)

  • Ulla Fiebig will SWR mehr Abstand zur Landesregierung in Rheinland-Pfalz verpassen.

    SWRückzug: Der SWR sucht mehr Abstand zur rhein­land-pfälzischen Regierung und verzichtet daher künftig auf einige Mitglied­schaften und Kuratorien, erklärt Landes­sender­direktorin Ulla Fiebig gegen­über epd medien. Der Sender solle häufiger “daneben stehen”, statt sich zu beteiligen. Kritik für vermeintlich zu zahme Bericht­erstattung weist Fiebig zurück. Ein kritischer Brief der Medien­staats­sekretärin Heike Raab hatte eine entsprechende Diskussion angestoßen.
    epd.de (€), turi2.de (Background)

  • Wie Amazon und Netflix den Buchmarkt ankurbeln.


    Fortsetzung folgt nicht: Selbst erfolgreiche Serien bekommen bei Streaming­diensten manchmal keine Fortsetzung. Fans der Science-Fiction-Erzählung “Peripherie” bei Amazon oder der Geister­jäger von “Lockwood & Co.” bei Netflix stehen dann “im Nirgendwo”, schreibt Michael Ridder bei
    epd Medien. “Ein Glück, dass die Buch­handlung des Vertrauens hier Abhilfe schaffen kann.” Denn viele Serien beruhen auf der Vorlage von Romanen. Für Ridder hilft der “Serien­einstellungs-Boom” der Streaming­dienste somit dem Buch­handel. turi2 veröffentlicht diesen Beitrag in der Reihe Das Beste aus epd Medien bei turi2.

    Von Michael Ridder / epd Medien

    Die Strategie ist bekannt: Streamingdienste fixen ihre Nutzerinnen und Nutzer mit Cliffhangern am Staffelende an, die Rätsel aufwerfen und heftige Neugier auslösen. Ob da mal eben eine weitere Paralleldimension angedeutet wird wie bei “Dark” oder ob Megaschurke Lalo Salamanca in “Better Call Saul” einen Anschlag überlebt, den eigentlich niemand überleben kann – sofort möchte man mit der nächsten Staffel weitermachen. Zuweilen gibt es dann leider Wartezeiten von einem Jahr oder mehr zu überbrücken.

    Aber was tun, wenn die sehnlichst erwartete Fortsetzung mit der Auflösung des Cliffhangers niemals kommt? Dann stehen die Serienfans, im Stich gelassen von ihrem Streamingdienst, im Nirgendwo. So geschehen beispielsweise bei der Amazon-Serie “Peripherie”, deren erste Staffel auf dem ersten Band der “Jackpot-Trilogie” des britischen Science-Fiction-Visionärs William Gibson basiert. Sie begeisterte im Herbst 2022 Publikum und Kritik, schnell gab Amazon eine Fortsetzung bekannt.

    Streamingdienste brechen Serien ab
     
    Im August dieses Jahres nahm der Dienst die Ankündigung plötzlich zurück und stoppte “Peripherie”. Intern wurde dies laut einem “Variety”-Bericht mit dem Streik der Autoren und Schauspielerinnen in Hollywood begründet, eine Fortsetzung erst 2024 oder 2025 schien für Amazon demnach nicht vermittelbar. Gibsons fesselnde Erzählung, die technikkritisch und gesellschaftsphilosophisch eine Art “Krieg der Zeiten” zwischen dem Jahr 2032 und dem Jahr 2099 schildert, bricht somit einfach ab.

    Ein Glück, dass die Buchhandlung des Vertrauens hier Abhilfe schaffen kann. In “Agency”, dem 2020 erschienenen zweiten Teil der geplanten Trilogie, tauchen die Leser zunächst in einen ganz neuen Strang im Jahr 2017 ein, bevor die Parallelhandlung im postapokalyptischen London des 22. Jahrhunderts mit den aus “Peripherie” bekannten Figuren fortgesetzt wird. Dass man dazu die Gesichter aus der Amazon-Serie im Kopf hat, ist kein Nachteil, sondern gewährleistet so etwas wie ein visuelles Kontinuum.

    Die Handlung im Kopfkino fortsetzen müssen auch Jugendliche, die sich für die erste Staffel der Netflix-Serie “Lockwood & Co.” begeistert haben. Die düstere Geschichte um junge Menschen, die als Geisterjäger das gesellschaftszersetzende “Problem” lösen müssen – Tote kehren als böse Geister in die Welt der Lebenden zurück –, ist fulminant inszeniert und kann als Metapher auf die “Fridays for Future”-Generation durchgehen, welche die Sünden der Alten bewältigen muss.

    Bücher als Alternative
     
    Doch Netflix konnte sich nicht zu einer Fortsetzung durchringen, was nun ebenfalls dabei hilft, den Buchmarkt anzukurbeln. Und das womöglich doppelt: Denn jugendliche Leserinnen, die nach den nicht verfilmten Bänden von Jonathan Strouds “Lockwood”-Reihe suchen, finden in ihrer Buchhandlung auch die neue Science-Fiction-Jugendbuchserie “Scarlett & Browne” desselben Autors.

    Antiquariate und Internethändler können ebenfalls vom Serieneinstellungs-Boom profitieren. Disney+ stellte Anfang des Jahres trotz glänzender Rezensionen “Die geheime Benedict-Gesellschaft” ohne Angaben von Gründen nach zwei Staffeln ein; die in den Nullerjahren erschienenen Bücher des US-Amerikaners Trenton Lee Stewart, die sich an ältere Kinder richten, sind überwiegend nicht mehr im normalen Buchhandel zu bekommen. Den fünften Band gibt es zudem nur auf Englisch – so betreiben die Streamingdienste im Idealfall auch noch Sprachförderung.

    (Foto: Everett Collection/Picture Alliance, epd-bild/Heike Lyding, Montage: turi2)

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  • Briefkopf-Affäre: Heike Raab tritt aus SWR-Verwaltungsrat aus.

    Schreib-Schuld: Medien-Staats­­sekretärin Heike Raab zieht sich nach der Briefkopf-Affäre aus dem SWR-Verwaltungs­rat zurück. Sie müsse “selbst­kritisch” einräumen, dass sie Kritik an einem SWR-Beitrag “in den dafür zuständigen Rundfunk­gremien hätte ansprechen sollen”, statt einen Brief mit dem Briefkopf der Landes­regierung zu senden. Die CDU-Fraktion im Landtag von Rheinland-Pfalz hatte ihren Rücktritt gefordert.
    faz.net (€), turi2.de (Background)

  • Medienpolitikerin Heike Raab verteidigt ihre Kritik am SWR.

    Rudert nicht zurück: Die Medien­politikerin Heike Raab verteidigt im Medien­ausschuss von Rhein­land-Pfalz ihre um­strittene Kritik am SWR. “Inhalt­lich stehe ich auch heute zu alldem, was ich vor­ge­tragen habe”, sie habe vom “Jeder­mann­recht” Gebrauch gemacht. Die CDU hatte den Rück­tritt Raabs gefordert. In einem Schreiben an den SWR hatte Raab Landes-SPD-Chef Roger Lewentz gegen Vorwürfe eines SWR-Redakteurs verteidigt und damit gedroht, das Thema vor den Programm­ausschuss zu bringen.
    faz.net (€), epd.de (€)

  • CDU in Rheinland-Pfalz fordert Rücktritt von SPD-Medienpolitikerin Heike Raab.


    Zum Raabport: Die CDU-Fraktion im Landtag von Rheinland-Pfalz fordert den Rücktritt von Medien-Staats­sekretärin Heike Raab, die auch Koordinatorin der Rundfunk­kommission der Länder ist. Die SPD-Politikerin hatte sich im Mai auf Briefpapier der Landesregierung über eine SWR-Sendung beschwert. Ein SWR-Journalist hatte in der Sendung den früheren Innen­minister Roger Lewentz für die Toten der Ahrtal-Flut­katastrophe verantwortlich gemacht und moniert, dass er weiterhin SPD-Landes­chef ist. Raab würde versuchen, eine “unliebsame Bericht­erstattung zu beeinflussen und Druck aus einer Machtposition heraus auszuüben”. Die Landes­presse­konferenz Rheinland-Pfalz sieht in dem Schreiben einen “Einschüchterungs­versuch”. Der SWR dagegen findet “Programm­kritik von außen” nicht ungewöhnlich. Raab selbst sagt, inhaltlich stehe sie weiterhin zu ihrer Kritik, die Unabhängigkeit der Medien sei jedoch “ein hohes Gut”. Die CDU will den Fall am Donnerstag im Landtag thematisieren, auch der Landesrundfunkrat des SWR werde sich damit befassen.
    dwdl.de, evangelische-zeitung.de, swr.de, merkur.de, faz.net (€)

    Foto: Staatskanzlei RLP/ Unger

  • Wir graturilieren: Stephan Grünewald, Heike Maurer, Peter Unfried.

    Wir graturilieren den Geburts­tags­kindern des Tages: Stephan Grünewald, Gründer und Leiter des Rhein­­gold-Instituts, feiert seinen 63. Geburts­tag. TV-Moderatorin Heike Maurer macht die 70 voll. Der “taz“-Chefreporter Peter Unfried begeht seinen 60. Ehrentag.

  • Aus Liebe zum Radio – Stefan Müller über Musiksendungen zwischen Kuration und KI.


    Von Hand ausgewählt: Vor 40 oder 50 Jahren war Radio “das junge Medium schlechthin”, vor allem wegen der Musik­sendungen, schreibt Stefan Müller bei
    epd Medien. Der freie Radio­journalist und Moderator bedauert, dass die von Musik­redakteuren und Musik-Kennerinnen moderierten und kuratierten Radio­sendungen immer seltener werden – auch bei öffentlich-rechtlichen Wellen. Anlässlich des Jubiläums 100 Jahre Radio in Deutschland blickt Müller auf legendäre Radio-DJs der 70er und 80er zurück, spürt die Perlen der Autoren­sendungen auf und fragt, welche Rolle KI künftig spielen wird. turi2 veröffentlicht seinen Beitrag in der Reihe Das Beste aus epd Medien bei turi2.

    Von Stefan Müller / epd Medien

    Elke Heidenreich denkt noch heute gern zurück an ihre Zeit beim Südwestfunk: “Diese Art von Radio gibt es heute nicht mehr. Und auch nicht mehr diese Art von Zusammenhalt.” Die Moderatorin gehörte Mitte der 70er Jahre zu den Gründungs­mitgliedern der Popwelle SWF3. Als Kind hatte sie das Radio der Nachkriegs­zeit aufgesogen: “Jeder hatte damals seine Lieblingssendung”, sagt sie in dem Buch The Last DJs von Thomas Kraft. Der erste DJ, den sie damals im Radio gehört habe, sei Chris Howland gewesen. Der habe als Mister Pumpernickel nicht nur “witzig moderiert, sondern auch die Songtexte übersetzt, was ich sehr wichtig fand”.

    “Wir müssen Musik als etwas begreifen, das uns ganz tief aus der der Seele, aus der Erfahrung und Historie erzählt”, erzählt Judith Schnaubelt vom “Zündfunk” im BR-Podcast Radio-DJs. Auch Gitti Gülden schwärmt in “The Last DJs” vom Medium Hörfunk: “Als DJ kann man hinter der Musik verschwinden, deshalb ist Radio auch so schön.” Sie saß einige Jahre in Berlin vor dem Mikrofon, die legendäre Show hieß in den 70er Jahren “S-F-Beat”. Bis 2020 war sie später bei den “Nachtclub Classics” auf NDR Blue zu hören.

    Ihre Kollegin Monika Dietl war auf SFB2 Ende der 80er Jahre eine der ersten Radio-DJs, die konsequent elektronische Musik und den frühen Technosound spielten – ihr Erkennungszeichen, vorgetragen mit dezentem fränkischem Akzent: “Shut up and dance”. Das war Kult in West- und Ostberlin.

    Auch der DDR-Jugendsender DT64 mit seiner ganz besonderen Musikauswahl wurde während der Wendezeit als sinnstiftend wahrgenommen. Das zeigten spätestens die Demonstrationen, die sich Anfang der 90er Jahre für seinen Erhalt einsetzten. DT64 brachte skurrile Radio-DJs hervor: Die “lebende Repetiermaschine” Rex Joswig von der Band Herbst in Peking durfte mehrere Jahre lang in der Sendung “Grenzpunkt Null” Dub- und Reggae­klänge mit “spoken words” kombinieren. Sphärische Musik von Adrian Sherwood und Filmsoundtracks trafen dort auf Texte von William S. Burroughs, Dylan Thomas oder Nietzsche. Auch das war Kult. Oder, wie Rex es nannte: “Musik für die geschundene Seele.”

    Der ehemalige Radio-DJ Roderich Fabian sagt von sich, er sei 1987 der Erste gewesen, “der eine ganze Stunde Hip-Hop gemacht hat”. Nach 35 Jahren im “Zündfunk” des Bayerischen Rundfunks hat sich Fabian im Juni in den Ruhestand verabschiedet. Radio sei für ihn schon im Alter von zehn Jahren das wichtigste Medium gewesen, sagte Fabian in der Abschiedssendung. Zum BR kam er über seine Plattensammlung.

    Bemerkenswert ist, dass der BR auch nach der Einführung des jungen Radiosenders Puls noch an der täglichen jugend- und popkulturellen Sendestrecke Zündfunk bei Bayern 2 festhielt. Derzeit wird dort über Änderungen im Programmschema diskutiert. Nach epd-Informationen könnte der “Nachtmix”, der vom “Zündfunk”-Team gestaltet wird, gestrichen werden. Hintergrund ist eine ARD-interne Planung, nach der ab Juli 2024 zwischen 20 und 24 Uhr jeweils vier Stunden musikjournalistisches Radio von vier Sendern gemeinsam gestaltet werden soll. Nach epd-Informationen handelt es sich um Radioeins vom RBB, MDR Kultur, Bayern 2 sowie Bremen Zwei. Die Details, welche Autoren­sendungen dadurch gestrichen werden könnten, sind noch nicht bekannt.

    München war seit den 60er und 70er Jahren ein Mekka für Radio-DJs: Blacky Fuchsberger und Ingeborg Schober moderierten beim BR, später auch Thomas Gottschalk. Im BR-Retropodcast über “70 Jahre Radio-Djs im Bayerischen Rundfunk” lassen sich die Anfänge dieser und anderer Diskjockeys nachhören, gespickt mit Anekdoten der Frauen und Männer am Mikrofon.

    Im Deutschland der Nachkriegszeit waren die Klänge der britischen und amerikanischen Soldatensender AFN (American Forces Network) und BFN – später BFBS (British Forces Broadcasting Service) – essenziell. “Die Art und Weise, wie besonders die amerikanischen Radio-DJs ihre Sendungen moderierten und dabei eine vorher nie gehörte Musik spielten, war aufregend und sensationell neu”, analysiert der Münchener Autor und Radiofan Thomas Kraft in seinem im Oktober 2022 erschienenen Buch “The Last DJs. Wie die Musik ins Radio kam”.

    Werner Reinke erinnert sich in dem Buch an die frühen Jahre des Moderatoren­radios in Deutschland. Wie er zunächst, beeinflusst vom BFBS, in einer Delmenhorster Diskothek Singles auflegte, um dann bei Radio Bremen die Frühsendung als Urlaubsvertretung zu moderieren. Reinke wurde in den 70er Jahren vom damaligen HR-Unterhaltungschef Hanns Verres nach Frankfurt geholt. Sein Markenzeichen war ab 1974 die “Hitparade International” – verewigt auf Tausenden von mitgeschnittenen Kassetten der Babyboomer. Erzählt wird diese Geschichte im Dokumentarfilm Die alte Liebe – oder warum Herr Reinke zum Radio ging von Andreas Heller von 2020.

    Über seine Radioshows im “ARD-Nachtrock” und später im “Nightflight” war der gebürtige Brite Alan Bangs viele Jahre jungen deutschen Radiohörern ein Begriff. Er moderierte mit coolem englischen Akzent. Seinen eklektischen Stil umriss er so: “Ich möchte Leute hören, die sich für bestimmte Sachen interessieren, die sich die Mühe machen, Sachen zu finden, die ich vielleicht sonst nicht hören würde. Die Stücke spielen, weil sie meinen, dass andere Menschen sie einfach hören müssen.”

    Jazz, Reggae, Rhythm and Blues, Rock, Punk, Grunge und später Elektronik: Breit angelegte populäre Musik auch jenseits der Charts zu spielen und zu übertragen, war jahrzehntelang eine unverzichtbare Angelegenheit im Hörfunk. Auf den populären Wellen erreichten Sendungen wie “Rock’n’Jazz” von Guenter Hottmann oder “Der Ball ist rund” mit Klaus Walter sowie der “Kramladen” von Volker Rebell am Abend im HR3-Popformat mehr Hörerinnen und Hörer als auf einer Kulturwelle. Es gibt keine Zahlen dazu, wie viele Menschen über die Jahrzehnte musikalisch von den engagierten Radio-DJs sozialisiert worden sind. Aber es gab viele bleibende Hörerlebnisse und vielleicht so etwas wie “Hörkompetenz”.

    Die Genres wurden vielfältiger, die Radiosender ebenfalls. Die 60er und 70er Jahre waren im Rückblick betrachtet die produktivsten und wichtigsten für die Autoren­sendungen von Radio-DJs. In den 80ern gingen in Deutschland die Privatradios an den Start, aber auch Dutzende nicht­kommerzielle Lokalradios. Deren Macherinnen und Macher füllten musikalische Lücken im vorhandenen Angebot.

    Ab Ende der 90er Jahre erlebten Webradios von engagierten Musikfans einen Boom, angetrieben durch das Format MP3 sowie immer schnellere Internet­übertragungen. Inzwischen gibt es unzählige Webformate, darunter auch qualitativ hochwertige Angebote wie Bandcamp Radio vom gleichnamigen Musik-Digitalshop.

    Spezialisierte Angebot lassen sich auch bei DAB+ finden, dazu zählt unter anderem der Mannheimer Anbieter Sunshine Live, der von der Medien Union Ludwigshafen betrieben wird, mit elektronischer Musik sowie das 80s80s Radio von Regiocast, dessen “80s80s Listening Session” mit Sebastian Voigt und Christian Panck in der neuen Kategorie “Bestes Musikformat” für den Deutschen Radiopreis nominiert war.

    100 Jahre nach der ersten Hörfunksendung aus dem Berliner Vox-Haus im Oktober 1923 wünscht sich eine Leipziger Initiative einen neuen bundesweiten öffentlich-rechtlichen Musiksender. Motto und zugleich Fragestellung von Melanie Gollin und Martin Hommel: Wo ist hier der Krach? Ihr Wunsch: ein Musikradio nach dem Vorbild von BBC Radio 6 in Großbritannien oder auch FM4 in Österreich: “Ein Sender, dessen Aufgabe es ist, das Land mit interessanter Musik zu versorgen, Hörkompetenz zu bilden und Hörgewohnheiten herauszufordern.”

    Aber gibt es solche Sender nicht längst mit Deutschlandfunk Kultur und Deutschlandfunk Nova, Zündfunk, WDR 3, Radioeins oder dem vor allem aus Mitgliedsbeiträgen finanzierten ByteFM? Gollin und Hommel sind skeptisch: “Die wenigsten Radiosender erlauben sich noch Autorensendungen”, sagen sie, “also Sendungen, in denen die Moderatoren selbst aussuchen, was sie spielen. Daher wird persönliche Kuration immer seltener. Und das, obwohl sie relevanter denn je sein sollte.”

    Anke Mai, Programmdirektorin Kultur, Wissen, Junge Formate beim SWR und derzeit Vorsitzende der ARD-Audio­programm­konferenz, verweist auf die zahlreichen ARD-Hörfunk­angebote. Generell sei dort “viel Musikprogramm abseits des Mainstreams zu finden”, sagte sie dem epd. Die Frage, ob die ARD einen bundesweiten Musiksender betreiben solle, stelle sich dem Senderverbund nicht, solange der Medien­staats­vertrag die ARD nur mit regionalen Radio­angeboten beauftrage.

    Als ByteFM vor 16 Jahren gegründet wurde, war der Sender zunächst ausschließlich im Internet zu hören. Inzwischen sendet das Musikradio in Hamburg auch auf UKW sowie in Hamburg und Berlin auf DAB+. Gründer Ruben Jonas Schnell, ein Musikjournalist, sagte dem epd, es gebe keinen anderen Sender, der sich ähnlich intensiv und rund um die Uhr mit Musik unterschiedlichster Genres beschäftige, neue und alte Bands in Relation stelle sowie Bekanntes neben Unbekanntem präsentiere.

    Schnell hat selbst lange für öffentlich-rechtliche Sender gearbeitet. Er sagt: “Für konventionelles, werbe­finanziertes Radio ist die persönliche Musikauswahl der Moderatoren nicht relevant.” Auch aus öffentlich-rechtlichen Sendern seien einige Radio-DJs mittlerweile zu ByteFM umgezogen. Entweder weil die öffentlich-rechtlichen Wellen Shows wie “Der Ball ist rund” von Klaus Walter trotz massiver Proteste einstellten. Oder weil sie das Projekt von Schnell brillant finden und zweigleisig fahren.

    Volker Rebell streamt seinen “Kramladen” (früher HR 3, jetzt ByteFM) inzwischen auch als Nonstop-Sendung im Internet. Sein jüngstes Thema: Die Tragödie um Sinéad O’Connor – Porträt und Nachruf. Als Podcast und im linearen Radio ist auch die Autoren­sendung Ex & Pop von Klaus Walter und Diviam Hoffmann bei WDR 3 zu hören. Sie beschäftigt sich unter anderem mit Themen wie “Sex positivity” oder “Sexploitation”. Eine der jüngeren Sendungen zu Musik und Groupies war laut Walter “unmöglich im Sinne von massen­kompatiblem Radio”. Er dankt seinem Redakteur Markus Heuger für den “Riesen­glücksfall”.

    Der ehemalige Musiker und langjährige Radio-DJ Klaus Fiehe gestaltet beim Jugendsender Einslive vom WDR seit 1996 eine sonntägliche dreistündige Sendung, die inzwischen auch in der ARD-Audiothek zu finden ist: Einslive Fiehe. Er setzt bei seiner Musikauswahl und Moderation auf den “Wundertüten­effekt” und spricht auch mal “Dinge an, die ich gar nicht auf dem Plan hatte”.

    Laut Fiehe gibt es in Sachen Musik “keine Wissens­vorsprünge mehr. Wir müssen anders glänzen!” Sein musikalischer Schatz besteht aus mindestens 40.000 Vinyl­platten. Er bestückt damit aber nur einen kleinen Teil seiner Sendungen, meist stellt er Neuerscheinungen vor, viele aus Großbritannien. Die ARD-Audiothek bewirbt Fiehes Sendung mit dem Satz: “Für viele ist er der deutsche John Peel, er selbst fühlt sich als ‘der Typ, der korrektes Zeug auflegt’.”

    Leider sind solche Sendungen in der ARD selten geworden. Das führt dazu, dass popkulturell sozialisierte Menschen abwandern und ihre Heimat immer häufiger in Musik­streaming­diensten mit ihren ausgeklügelten Algorithmen finden.

    Die ARD-Audiothek ist vor fast sechs Jahren angetreten, um den kommerziellen Streaming­anbietern wie Spotify, Apple Music, Tidal und Deezer Paroli zu bieten. Die Musiksendungen sind unter der Themenkachel Musik entdecken gebündelt. Dahinter verbergen sich viele Schätze von Hip-Hop bis Klassik und Jazz, aber die Kuration und die Auffindarkeit ist mitunter gewöhnungs­bedürftig und ausbaufähig. Auch Melanie Gollin und Martin Hommel finden die ARD-Audiothek zu umständlich. Dort sei es zwar möglich, Musikthemen zu finden, leider brauche es dafür aber zu viele Klicks. Die “BBC Sounds App” funktioniere da besser: “Mit nur einem Klick findet man den aktuellen Musik-Content.”

    Es gebe ein großes Interesse an gut gemachten Musik-Podcasts, an den Geschichten hinter den Alben, den Bands, den Musikerinnen und Musikern, sagt Anke Mai vom SWR. Mit dem Projekt “Audiothek Next” solle die App weiter­entwickelt werden. Ziel sei es, die ARD-Audiothek “zu einer der wichtigsten Audio­plattformen zu machen, was angesichts unseres großartigen und vielfältigen Contents eigentlich kein Problem sein sollte”. Aber natürlich hängt der Erfolg einer solchen Plattform auch von technischen Details und der Publikums­ansprache ab. Anke Mai gibt auch zu bedenken: “Lineares Radio spricht nach wie vor die meisten Menschen an.”

    Zugleich wächst aber auch das Interesse an der Audiothek. Die Zugriffszahlen stiegen nach Angaben von Mai von 5,56 Millionen Visits im Juli 2022 auf 8,49 Millionen im Juli dieses Jahres. Wenn die ARD die Audiothek auf das nächste Level heben will, ist dem Team um den Kanalverantwortlichen Thomas Müller vom SWR zu empfehlen, bei dieser Herkulesaufgabe auch Expertise von außen einzuholen.

    Die Audiothek des Deutschlandfunks setzt derzeit eher auf inhaltliche und magazinartige Empfehlungen sowie auf kleine Herzen, über die man zum Beispiel diverse “Musikthemen” abonnieren kann. Die persönliche Liste findet sich dann unter “Meine Podcasts”.

    Der Hamburger Radiomacher Marcus Maack, der auch als Programmierer tätig ist, wünscht sich “eine Audiothek, die Autoren­sendungen sender­über­greifend anbietet und dabei gut zu bedienen und leicht zu filtern ist. Neben den Sendungen sollten auch Informationen wie Titel­listen angeboten werden. Außerdem sollte die Möglichkeit bestehen, die Sendungen offline hören zu können”, sagte Maack dem epd.

    Musiksendungen nonlinear als Podcast anzubieten, war jahrelang aus rechtlichen Gründen eine schwierige Angelegenheit. Gema und GVL haben dazu inzwischen vertragliche Regeln vorgelegt, seither gibt es mehr moderierte Musik-Podcasts. Streaming-Platzhirsche wie Spotify haben trotzdem in ihrem umfangreichen Podcast-Portfolio keine kompletten Musiksendungen von Radio-DJs im Angebot. Dort wird stattdessen jetzt zunehmend mit künstlich erzeugten, KI-generierten Stimmen experimentiert.

    Der Erfolg von Spotify beruht auf Empfehlungs­algorithmen und den so erstellten Playlists. Durch Künstliche Intelligenz wird aus der Playlist eine “moderierte” Radioshow. Ein KI-DJ moderiert den nächsten Track an und gibt “persönliche Empfehlungen”. Das Feature ist bei Spotify in Deutschland derzeit noch nicht verfügbar, aber es wird die Nutzungs­gewohnheiten insbesondere der jüngeren Musikfans noch einmal grundsätzlich verändern.

    Für die Audioproduktion ist Künstliche Intelligenz ein wichtiges Thema, obwohl die Entwicklung noch ziemlich am Anfang steht. Mit frei im Internet verfügbarer Software wie Elevenlabs lassen sich Stimmen klonen. Könnte also eine markante Radiostimme wie die von Werner Reinke in Zukunft als KI-DJ zum Einsatz kommen, falls sich der Moderator irgendwann in den Ruhestand verabschiedet? Machbar wäre es. Er würde in diesem Fall rechtlich gegen den Einsatz seiner Stimme vorgehen, sagte Reinke dem epd.

    Die Technik, mit der sich synthetische Stimmen von existierenden Menschen erzeugen lassen, hat sich in den vergangenen Monaten rasant verbessert. Häufig genügt mittlerweile eine Viertelstunde Material, um eine Stimme zu klonen. Firmen wie Aflorithmic haben sich auf solche KI-Klone spezialisiert. Das Londoner Start-up von Unternehmer Björn Ühss hat für Entwickler “Audiostack” aufgesetzt, einen eigenen Wissenskanal. “Wir sind mitten in einer technischen Revolution”, heißt es in der Selbstdarstellung der Firma. Björn Ühss schwärmt bereits von synthetischen Moderatorinnen und Moderatoren, die ähnlich wie der KI-DJ von Spotify eine persönliche Musikauswahl für die Nutzer generieren.

    Das wirft neue rechtliche und ethische Fragen auf: Wie bemisst sich das Honorar für DJs sowie für Profi­sprecherinnen und -sprecher, wenn ihre mit Hilfe von KI generierte Stimme in Moderationen, Podcasts oder auch Werbeclips als Klon verwendet wird? Was passiert, wenn für das KI-Cloning keine Erlaubnis vorlag?

    Erste Versuche, ganze Radiosender mit Künstlicher Intelligenz on air zu bringen, laufen bereits in Deutschland. Die Nase vorn hatte das kleine Radio Helgoland, als eine Art Bürgerradio und vom Programmierer Thore Laufenberg als KI-Radio ins Netz gestellt. Im Juli startete Antenne Deutschland im Internet das Programm Absolut Radio AI, der KI-Sender wird inzwischen auch über DABplus in Braunschweig verbreitet. BigGPT aus Mannheim folgte Mitte August 2023. Der Radiomacher und DJ Michael Rütten, der unter anderem Sendungen für den Frankfurter nicht­kommerziellen Lokal­sender Radio X gestaltet, warnt jedoch davor, dass Leidenschaft und persönliche Kuration durch Künstliche Intelligenz komplett verloren gehen.

    Beim Deutschlandfunk kann man die Vor- und Nachteile der Automation schon jetzt studieren: Während das für seine eklektische Musikauswahl gelobte junge Programm Deutschlandfunk Nova Sonntags ab 20 Uhr in der “Lounge” die – unmoderierte – Devise ausgibt: “Let the music do the talking”, dürfen Radio-DJs im Programm von Deutschlandfunk Kultur nachts ab 1 Uhr in der “Tonart” alles von Klassik über Jazz, Americana und Rock sowie Global und Urban in den bundesweiten Äther schicken.

    Die beiden auch für Deutschlandfunk Kultur tätigen Berliner Radio-DJs Martin Böttcher und Andreas Müller haben mit Pop nach 8 vor einem Jahr einen unabhängigen Musik-Podcast gestartet, in dem sie nicht nur über Musik reden. Ihn gibt es auf allen Podcast-Plattformen zu hören, nicht jedoch im linearen Radio oder der DLF-Audiothek.

    All diesen Entwicklungen zum Trotz plant die ARD derzeit, die Abend- und Nachtprogramme der Infowellen und Kulturwellen zu vereinheitlichen. Klaus Walter sieht den guten alten Radio-DJ daher als aussterbende Spezies. Die verantwortlichen Programmmacher sähen Musiksendungen als “irrelevant” an.

    Radio war – vor allem wegen der Musiksendungen – vor 40 oder 50 Jahren das junge Medium schlechthin. Wandern die Jungen jetzt zu den algorithmen­basierten Streaming­angeboten ab? Klaus Walter sieht das differenziert: “Ich glaube, es wird in jeder Generation immer relevante Minderheiten geben, Betonung auf relevant, die sich für auch vermeintlich archaische oder überkommene Formen medialer Praxis interessieren und die darin vielleicht das finden, was sie suchen oder von dem sie gar nicht wissen, dass sie es suchen.” Das klingt hoffnungsvoll.

    Über den Autor
    Stefan Müller ist Moderator, Hörfunkredakteur, Podcaster und Medientrainer. Er hat die Sender Radio X in Frankfurt und HR-XXL mit aufgebaut und dort mehrere Sendungen konzipiert und moderiert. Zudem wirkt er als Kurator und Moderator beim Filmfestival Lichter Frankfurt International.

    Fotos: Picture Alliance und Heike Kreutuer, Montage: turi2

    Alle Beiträge aus der Reihe “Das Beste aus epd Medien bei turi2” >>>

  • Heike Raab will transparente Kriterien für Intendantinnen-Gehälter schaffen.

    Wieso statt Wie hoch: Die Rundfunk­kommissions-Koordinatorin Heike Raab regt transparente Kriterien für die Entlohnung von Intendantinnen statt einer Gehalts­ober­grenze an. Das Länder­gremium habe darüber schon gesprochen. Sie wünscht sich ein Grund­gehalt, das durch Elemente wie “Größe eines Hauses, Verantwort­lichkeiten oder zusätzliche Aufgaben durch einen ARD-Vorsitz” wachsen kann.
    horizont.net

  • Heiko Maas und Natalia Wörner trennen sich.

    Beziehungsende: Der frühere Bundesjustiz­minister Heiko Maas und Schauspielerin Natalia Wörner geben ihre Trennung bekannt. “Wir haben uns bereits vor längerer Zeit entschieden, in Zukunft getrennte Wege zu gehen”, teilen sie über ihre Anwältin mit. Maas und Wörner waren seit 2016 ein Paar und wollen sich “freundschaftlich verbunden bleiben”, darüber hinaus aber “keine weiteren Erklärungen abgeben”.
    bild.de, bunte.de

  • Kaum ein Grund zu bleiben – Warum immer mehr Medienschaffende den Journalismus verlassen.


    Journexit: Jede Woche kehren zwei Medienschaffende in der Schweiz ihrem Job den Rücken, sagt eine Auswertung des Online­magazins “Republik”. Als Gründe nennen die Betroffenen Stress, fehlende Perspektiven und hohe Rendite­erwartungen der Verlage. Christopher Hechler von
    epd Medien sieht viele Parallelen zu Deutschland und kommt zu dem Schluss: Es braucht einen Kultur­wandel in den Verlagen und Redaktionen, der “nicht an einen voraus­gehenden wirtschaftlichen Aufschwung geknüpft” ist. Denn Idealismus allein reiche oft als Grundlage für ein langfristiges Engagement im Journalismus nicht mehr aus.

    Von Christopher Hechler / epd Medien

    Das Schweizer Onlinemagazin “Republik” veröffentlichte im vergangenen Mai eine Statistik, die aufhorchen lässt: “Im Schnitt steigen jede Woche zwei Medienschaffende aus dem Beruf aus”, heißt es im zugehörigen Artikel Die Flucht der Journalistinnen von Philipp Albrecht und Dennis Bühler. Die Autoren beziehen sich dabei auf eigens erhobene Zahlen aus 2022, aber der Trend setzt sich fort: In den ersten viereinhalb Monaten dieses Jahres haben demnach weitere 35 Journalisten in der Schweiz ihren Beruf gewechselt. Schon zum dritten Mal nahm “Republik” eine solche Auswertung zu Berufsaussteigern vor, doch nie war die Lage – gemessen an Zahlen, die bis 2016 zurückreichen – anhaltend so ernst wie jetzt.

    “Wir hatten vor allem bei unserer ersten Erhebung den Eindruck, dass es im Grunde drei Zeitpunkte in einer typischen Journalistenbiografie gibt, die den Ausstieg begünstigen können”, sagt Dennis Bühler, Mitautor der Erhebung und Mitglied im Schweizer Presserat. Zwei davon betreffen besonders junge und jüngere Journalistinnen und Journalisten: Zum einen die Zeit nach der Ausbildung, wenn Berufsanfänger keinen Job finden und sich deshalb anderweitig umschauen. Der zweite Zeitpunkt liegt meist ein paar Jahre später, wenn das Thema Familiengründung ansteht.

    “Der dritte Zeitpunkt ist um den 50. Geburtstag herum. Wir haben in Gesprächen oft die Frage gehört: Habe ich die Chance, bis zum Rentenalter in diesem Job zu bleiben? Oder laufe ich Gefahr, in ein paar Jahren auf der Strecke zu bleiben, weil ich teurer als der Nachwuchs bin?”, berichtet Bühler aus seinen Gesprächen mit Kollegen. Eine weitere Sorge der älteren Journalistinnen und Journalisten sei es zudem, den Anschluss beim Thema Technik zu verlieren.

    Hohe Dunkelziffer
     
    Die Erhebung von “Republik” stützt sich auf verschiedene Quellen, darunter das Magazin “Schweizer Journalist:in”, die Schweizer Mediendatenbank SMD, Impressen zahlreicher Medientitel, verschiedene Onlineportale und persönliche Gespräche. Bühler betont zwar, dass die Auswertung Unschärfen habe und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebe: “Die Dunkelziffer dürfte recht hoch”, die Lage also tatsächlich noch etwas drastischer sein. Doch die Momentaufnahme skizziert einen Problemrahmen, der sich auch auf die Medienbranche in Deutschland übertragen lässt.

    Eines der zentralen Themen ist die Kostenfrage, denn: Journalismus muss man sich leisten können. Das gilt für Leser wie auch Unternehmen – und nicht zuletzt für die Journalisten selbst, sogar schon weit vor dem Berufseinstieg. Der Zugang zum Beruf setzt an vielen Stellen immer noch ein abgeschlossenes Volontariat und damit ein abgeschlossenes Studium voraus, was grundsätzlich für sozioökonomisch bedingte und somit ungleiche Einstiegschancen sorgt. Zugleich können die Verdienstmöglichkeiten als Redakteurin oder Redakteur, hat man denn den Einstieg erst einmal geschafft, oftmals ernüchternd sein. Eine besondere Rolle spielt das für die ersten zwei von Bühler genannten Ausstiegspunkte.

    “Aus quasi allen Verlagen wird uns berichtet, dass eine erschreckend hohe Anzahl der Volontäre nach dem Ende ihres Volontariats nicht mehr im Verlag bleiben möchte, sondern sich eine Stelle in der Öffentlichkeitsarbeit bei privaten oder öffentlichen Unternehmen sucht”, sagt dazu Matthias von Fintel von der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di. Für diese ehemaligen Volos seien mit dem Wechsel bessere Arbeitsbedingungen, mehr Jobsicherheit und “vielfach auch ein besseres Einkommen” verbunden.

    Bewerbungen für Volontariate haben stark abgenommen
     
    Es ist nachvollziehbar, dass gerade dann, wenn etwa die Familiengründung oder der Übergang vom Volontär zum Redakteur ansteht, Journalisten noch einmal genau überlegen, ob das Redakteursgehalt im jeweiligen Verlag auch zukünftig ausreichend ist und dem bisherigen akademischen Werdegang entspricht. Für einige scheint die Antwort auf diese Frage negativ auszufallen. Dieser Umstand trifft übrigens auf das Problem, dass Bewerbungen für Volontariate “sehr stark abgenommen” haben, wie von Fintel berichtet. Die Branche hat mancherorts also bereits Schwierigkeiten damit, Nachwuchs zu akquirieren und zu halten.

    Doch mindestens ebenso ernst ist das Thema der Bezahlung auch für diejenigen, die sich für die Arbeit als Freiberufler entschieden haben. “Unsere Beobachtung ist es, dass in den vergangenen Jahren immer mehr Freie mit ihrem Job aufgehört haben”, sagt Anja Reiter von Freischreiber, einem Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten. Zwar verfüge der Verband nicht über repräsentative Zahlen, doch “ein Blick von oben” sei durch den Kontakt zu Kollegen möglich. Und der zeigt: “Die Honorarlage hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten stetig verschlechtert. Ein gutes Leben ist für viele Freie einfach nicht mehr möglich gewesen. Nun kam die Inflation dazu.”

    Branchenexterne Faktoren wie die Corona-Pandemie, die vor allem freien Sport- und Kulturjournalisten das Arbeiten periodisch unmöglich machte, verbinden sich mit brancheninternen Faktoren wie dem vielfachen Redaktionsabbau – zuletzt etwa massiv bei Gruner+Jahr – zu einem Konglomerat misslicher Umstände in misslichen Jahren.

    Ergänzend dazu berichtet von Fintel: “Wir haben die Entwicklung der angestellten Journalisten der letzten 20 Jahre soweit möglich dokumentiert. Daraus ergibt sich, dass in Zeitungen und Zeitschriften etwa ein Viertel der Redakteursstellen verschwunden ist.”

    Mehr Arbeitsverdichtung, mehr Stress
     
    Wegfallende Stellen und abwandernde Kollegen haben wiederum Auswirkungen auf die verbleibenden Redakteurinnen und Redakteure vor Ort. “Wir bekommen von unseren Mitgliedern zugetragen, dass der Stress und die Arbeitsverdichtung große Probleme sind”, sagt Hendrik Zörner vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV). Redakteure, die das Gefühl haben, “ausgebrannt zu sein und kein Land mehr zu sehen”, seien keineswegs Einzelfälle.

    Vielen Journalisten ginge es deshalb nicht nur darum, mehr Geld zu verdienen, sondern auch mehr Arbeits- und Lebensqualität aus dem Beruf zu ziehen. “Da gibt es erhebliche Defizite. Die kommen daher, dass in vielen Medienunternehmen über Jahrzehnte hinweg eine Sparpolitik zulasten des Personals geführt wurde”, sagt Zörner.

    Matthias von Fintel argumentiert ähnlich und führt außerdem an, dass etwa Volontäre dies schon während ihrer Ausbildung beobachten könnten und sich folglich die Frage stellten, ob sie ihren Berufsweg wirklich in einem Verlag fortführen wollen, der keine passende Arbeitszeitregelung – etwa durch eine Arbeitszeiterfassung – bereithält. Dass laut von Fintel Regional- und Lokalzeitungsverlage dem digitalen Journalismus hinterherhinken und ihren Redakteuren nicht ausreichend technische Mittel zur Verfügung stellen, was die Arbeit zusätzlich erschwere, ist ein weiterer Punkt im hier nur ansatzweise umrissenen Problemfeld Journalismus.

    Identitätskrise des Journalismus und KI
     
    Dabei sind zwei weitere wichtige Themen noch nicht einmal angesprochen: zum einen die Identitätskrise des Journalismus, wie sie etwa in Debatten zur Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen immer wieder zu erleben ist. Dort wird offensichtlich, dass Medienunternehmen auch auf Ebene der Führungsetagen oft unklar ist, wie sie ihre Rezipienten in der digitalen Aufmerksamkeitsökonomie ansprechen sollen. Zum anderen wird das Thema der Künstlichen Intelligenz aller Voraussicht nach schnell an Brisanz gewinnen und könnte in der Medienbranche tatsächlich zur viel zitierten “disruptiven Kraft” werden.

    Viele der aktuellen Probleme in der deutschen und schweizerischen Branche, das zeigen die Gespräche, decken sich und hängen mit der Arbeitskultur in den Redaktionen zusammen. Im Kern, da sind sich die vier Experten einig, müsste es angesichts dessen einen Kulturwandel geben. Für Dennis Bühler geht es bei einem solchen Kulturwandel etwa “um Wertschätzung und darum, innovative Ideen – gerade von jungen Mitarbeitern – zuzulassen.” Hendrik Zörner plädiert für mehr Entlastungsmöglichkeiten, Matthias von Fintel für eine Arbeitszeiterfassung, mehr digitale Kompetenz und Bestrebungen hin zu einem branchenweiten, leicht zugänglichen Modell für Bezahljournalismus. “Freie müssten noch stärker in die Redaktionen einbezogen werden und in monetärer wie sozialer Hinsicht von Erfolgen stärker profitieren”, fordert wiederum Anja Reiter.

    Zum jetzigen Stand scheint der Journalismus jedoch gefangen in einer Dauerkrise. Das hat wirtschaftliche und seit Jahren konstante Gründe, wie etwa die stetig sinkenden Auflagenzahlen, steigende Zustell- und Produktionskosten und der weitgehende Einbruch des Werbemarkts. Hinzu kommt die Herausforderung, an kostenfreie Inhalte gewöhnte Leser fürs bezahlte Digitalabo zu gewinnen. Diese Dauerkrise wiederum resultiert in dünn besetzten Redaktionen, nicht wettbewerbsfähigen Gehältern, über Jahre stagnierenden Honoraren für Freiberufler und einer massiven Arbeitsverdichtung. Jungen Kolleginnen und Kollegen stellt sich deshalb nachvollziehbar die Frage und gleichsam die Herausforderung, ob und wie man denn im Journalismus tätig bleiben möchte.

    Eine Form des angesprochenen Kulturwandels in Verlagen und Redaktionen scheint unvermeidbar, will sich die Branche erhalten. Doch dieser Wandel darf nicht an einen vorausgehenden wirtschaftlichen Aufschwung geknüpft sein.

    Höhere Löhne, flexiblere Arbeitszeitmodelle
     
    Verlage haben es nicht leicht damit, sich angesichts der genannten Probleme und auf der Suche nach neuen digitalen Erfolgsmodellen ökonomisch zu behaupten. Doch auch heute noch kann die junge Zielgruppe mit der bekannten Form des Nachrichtenjournalismus in digitaler Aufbereitung erreicht werden. Ebenso gibt es immer noch junge Kolleginnen und Kollegen, die sich dem Journalistenberuf langfristig verschreiben möchten und mit großer Motivation den Herausforderungen der Branche entgegentreten.

    Aber Idealismus allein, den sich Journalisten gern zu Recht nachsagen, reicht oft als Grundlage für ein langfristiges Engagement schlichtweg nicht mehr aus. Das mag der romantisch verklärten Beschreibung des zum Journalisten Berufenen widersprechen, trifft aber auf ökonomische Realitäten und gesellschaftliche Veränderungen. Es gilt, nicht nur dem Nachwuchs, sondern auch erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein attraktives Angebot zu machen. Höhere Löhne, flexiblere Arbeitszeitmodelle und berufliche Perspektiven vermitteln Arbeitnehmern Wertschätzung und Sicherheit. Und diese dürfen nicht von der Entwicklung der Abozahlen abhängen.

    Zumindest laut Anja Reiter und Hendrik Zörner gibt es derzeit immerhin noch keinen Fachkräftemangel in der Branche, respektive eine Flucht aus ihr heraus. Geringe Bewerberzahlen und das Ergebnis von Erhebungen, wie sie “Repulik” vornimmt, sind aber ein erstes und deutliches Warnzeichen, das auch gesamtgesellschaftlich nicht ignoriert werden sollte. Wie sehr Journalismus in einer Demokratie fehlen kann, zeigt sich im schlimmsten Fall erst dann, wenn er verschwunden ist.

    Doch der tristen Analyse zum Trotz gibt es immer noch genügend Gründe, den Schritt in den Journalismus zu wagen. “Einige Journalisten werfen uns, wie ich finde, nicht zu Unrecht, vor, die schönen Seiten des Berufs zu stark auszublenden”, sagt Dennis Bühler bezogen auf die “Republik”-Auswertungen. Es gebe schließlich auch eine geringe Zahl von Rückkehrern. Denen wolle sich das Magazin im kommenden Jahr mit einer Erhebung widmen.

    (Foto: Heike Lyding / epd)

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  • “Es gibt kaum medienkritische Öffentlichkeit” – Carsten Brosda über Debattenkultur und den Wert der “Lindenstraße”.


    Bitte mehr Streit: Braucht der Journalismus eine neue Debatten- und Fehler­kultur? Ja, meint der Medien­senator von Hamburg, Carsten Brosda. Im Inter­view mit Diemut Roether von
    epd Medien sagt der SPD-Politiker und Journalist: “Diese Haltung zu sagen: Was ich mache, ist richtig, verwundert mich manchmal am Journalismus und den Medien.” Zudem spricht er über gutes Marketing für die Öffentlich-Rechtlichen, den gesell­schaftlichen Wert von Sendungen wie der “Linden­straße” oder “Forst­haus Falkenau” und warum Netflix kein absolutes Vorbild sein muss. Mit Krimis zur Primetime machten ARD und ZDF nicht unbedingt alles richtig, aber “auch nicht alles falsch”. Daneben kritisiert Brosda die Publizistik- und Kommunikations­wissen­schaft: Die Disziplin blicke zu sehr in die Ver­gangen­heit und zu wenig nach vorn — ganz anders als eine Luftfahrtingenieurin.

    Von Diemut Roether / epd Medien

    Sie haben einmal gesagt, der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat kein Gefühl, keine Story für sich selbst. Was ist denn die Story der Öffentlich-Rechtlichen, wenn Sie sie erzählen müssten?

    Teile des öffentlich-rechtlichen Systems haben die Haltung: Wir sind dadurch legitimiert, dass wir da sind. Da ist auch was dran, denn mit vielen grundsätzlichen kommunikativen Beiträgen lässt die öffentlich-rechtliche Infrastruktur ein öffentliches Zeitgespräch zustande kommen. Das wird aber von allen Beteiligten fast unreflektiert vorausgesetzt. Und das reicht eben nicht mehr, wenn man von so vielen Seiten infrage gestellt wird. Die Öffentlich-Rechtlichen müssten sich also die Frage stellen: Wie können wir heute – zumal in einer veränderten Medienwelt – begründen, warum es uns gibt? Heute greifen die alten Narrative nicht mehr. Die stammen aus der Zeit, als wir Frequenzknappheit hatten und eine öffentlich-rechtliche Struktur schaffen mussten, die sowohl staatsfern als auch marktfern ist. Später kamen die Urteile des Bundesverfassungsgerichts, die darauf abhoben, dass man den Bürger schützen muss vor der Überwältigung durch das Bild.

    Carsten Brosda, Jahrgang 1974, ist Mitglied der Rundfunkkommission der Bundesländer und sitzt gemeinsam mit der rheinland-pfälzischen Medienstaatssekretärin Heike Raab der Medien- und Netzpolitischen Kommission der SPD vor. Seit 2017 ist er Senator der Behörde für Kultur und Medien in Hamburg. Von 2010 bis 2011 war er Abteilungsleiter Kommunikation beim SPD-Parteivorstand.

    Warum reicht das nicht mehr?

    Wir leben heute in einer vielfach fragmentierten, zwischen den verschiedenen Logiken gebrochenen Kommunikationswirklichkeit. Wir müssen deshalb neu begründen, warum es sinnvoll und für eine demokratische Öffentlichkeit auch klug ist, unterschiedliche Produktionslogiken öffentlicher Inhalte zu haben. Es hat Sinn, als Gesellschaft bei den Öffentlich-Rechtlichen den ökonomischen Druck rauszunehmen, der einen bestimmten Effekt auf Berichterstattung haben kann. So bekommen wir eine andere Perspektive, die in Konkurrenz zu der privatwirtschaftlichen Logik ein umfassenderes, breiteres Bild unserer Öffentlichkeit erzeugt. Meine Hoffnung ist, dass man die Legitimation bei Bürgerinnen und Bürgern stärken kann, wenn man den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Instrument einer freien demokratischen Gesellschaft erklärt, das diese sich selbst gibt, um über sich selbst ins Gespräch zu kommen.

    Haben Sie den Eindruck, dass sich die ökonomische Logik im öffentlich-rechtlichen Rundfunk seit dem Aufkommen der Privaten zu sehr durchgesetzt hat und dass die Öffentlich-Rechtlichen auch von außen zu sehr danach beurteilt werden?

    Die Konvergenzthese ist ja uralt. Ob das jetzt daran liegt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk von außen so betrachtet wird oder ob er von innen heraus sagt, wir müssen konkurrenzfähig bleiben, das vermag ich nicht zu beurteilen. Aber zu sagen, kümmert euch nicht darum, würde zu Strukturen führen, wie wir sie aus den USA bei PBS und NPR kennen: qualitativ höchstwertiges Programm, das ziemlich weit in der Nische stattfindet. Wenn wir unsere Fernsehangebote Das Erste und das ZDF nennen, ist es plausibel, in der Reichweite nicht auf Platz 37 oder 48 zu kommen, sondern zumindest oben mitzuspielen. Der Anspruch sollte sein, mit dem ganzen Angebot die Gesamtheit der Gesellschaft zu erreichen.

    Ein Privater kann sagen: Ich bediene eine spitze demografische Zielgruppe. Das ist in Ordnung, das ist ein Beitrag zur Vielfalt. Öffentlich-rechtliche Angebote als Ganzes sind aber programmatisch und staatsvertraglich verpflichtet, die gesamte Gesellschaft zu erreichen. Diesen Anspruch, die res publica, also die öffentlichen Dinge zu verhandeln, muss nur der öffentlich-rechtliche Rundfunk haben. Und in Zeiten, in denen die Soziologen uns sagen, die Singularisierung ist das Signal unserer Zeit, ist es gut, dass wir kommunikative Infrastrukturen haben, die sich programmatisch darauf verpflichten, Allgemeinheit, Öffentlichkeit und Gemeinwohl zu thematisieren.

    Heißt das, der öffentlich-rechtliche Rundfunk macht alles richtig, wenn er auf populäre Programme wie Krimis setzt?

    Nein, das würde ich so nicht sagen, aber er macht auch nicht alles falsch. Wenn jemand fordert, die sollen das bleiben lassen mit der Unterhaltung und dem Krimi, habe ich eine Studie vor Augen, die schon mehr als 20 Jahre alt ist…

    Das wird ja zurzeit auch wieder von einigen Politikern gefordert.

    Forderungen werden nicht dadurch klüger, dass sie wiederholt werden. Andreas Dörner hat in den 90er Jahren den Effekt der Rezeption von “Heute Journal” und “Forsthaus Falkenau” verglichen mit der Frage: Was bleibt beim Publikum an Wissen über die Diskurse in der Gesellschaft hängen, die gerade aktuell sind? Frappierenderweise kam er zu dem Schluss, dass bei “Forsthaus Falkenau” mehr hängen geblieben ist. In der Tat ziehe ich auch aus fiktionalen Programmen Wissen über gesellschaftliche Zustände, sie haben auch eine Sozialisations- und Orientierungsfunktion. Es gibt viele “Tatorte”, die einem eine ganze Menge vermitteln über soziale Strukturen. Der entscheidende Punkt ist: Liefert der öffentlich-rechtliche Rundfunk da nur Eskapismus oder liefert er auch Orientierung und sozialisierende Informationen? Und sind die eingebettet in ein Gesamtprogramm, in dem wir auch anderes finden? Der hohe Zuschauerzuspruch für die Talkshow am Sonntagabend hat auch damit zu tun, dass die Leute bereits vor dem Fernseher sitzen und den “Tatort” gucken, der eine hohe Einschaltquote hat. Da sagen sich einige nach dem Krimi: Das ist ja spannend, heute reden die in der Talkshow über die Wärmepumpe, da bleib ich dabei. Damit erreichen wir Leute, die wir sonst nie bekommen hätten.

    War es so gesehen ein Fehler, dass die ARD die “Lindenstraße” eingestellt hat?

    Ich will das nicht an einzelnen Formaten festmachen, aber ich glaube, dass solche Formate wie die “Lindenstraße” sinnvoll sind. Man kann sagen, das war in der Ästhetik und der Produktionslogik nicht mehr auf der Höhe der Zeit, aber ich sehe einiges, was in der Entwicklung ist. Nicht so viel, wie ich mir wünschen würde, da wäre mehr Mut und mehr Formwille in der redaktionellen Gestaltung möglich. Der WDR hat in den 70er Jahren über seine Fernsehredaktion definiert, wie visuelles Erzählen in 90 Minuten aussehen kann. Dazu hätte der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch heute die Kraft, und ich würde mir wünschen, dass er uns mehr herausfordert, dass er uns zeigt: Wie geht serielles Erzählen heute? Wie breche ich Rezeptionserwartungen? Ich würde mir eine Entfesselung der kreativen Potenziale in den Anstalten wünschen.

    Sie haben gerade den Audience Flow im Programm beschrieben: Die Leute gucken “Tatort” und dann kommt “Anne Will” und sie bleiben dran. Das ist das System-Programm. Zurzeit verabschieden wir uns aber durch die Digitalisierung vom System-Programm. Alles wird entbündelt, aber dadurch gehen solche Effekte, wie Sie sie gerade beschrieben haben, verloren.

    Angesichts der demografischen Schichtung des Publikums des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, gibt es noch viel Publikum, das vergleichsweise linear ist. Das führt bei manchen in der Debatte zu der Fehlwahrnehmung, dass sie denken, sie müssten nichts ändern. Aber die, die künftig alt werden, gucken in dem Alter nicht mehr linear, die werden sich weiterhin über die Mediatheken informieren. Und da brauchen wir eine Personalisierung. Was jetzt das Lineare schafft, wird künftig in den Mediatheken nur gelingen, wenn wir das angeboten bekommen, was uns auch interessiert. Natürlich sollten öffentlich-rechtliche Angebote auch da immer dem Allgemeinheitsanspruch genügen. Aber sie müssen mehr ausprobieren: Eine öffentlich-rechtliche Mediathek muss keine Eins-zu-eins-Nachbildung von Netflix sein. Da müssen wir auch medienpolitisch die Handbremse lösen, um das Ausprobieren beim Rezipieren von öffentlich-rechtlichen Inhalten zu ermöglichen. Natürlich brauchen wir Regeln, aber die Regel kann nicht sein: Ihr bleibt im Linearen und da seid ihr so schön contained, dass ihr niemandem in die Quere kommt.

    Was Sie beschreiben, klingt nach der Vision einer gemeinsamen öffentlich-rechtlichen Mediathek…

    Ich weiß nicht, ob es eine gemeinsame Mediathek sein muss. Ich glaube, dass auch ein kluges wechselseitiges Verschränken der Angebote möglich ist. Ich fände es spannend, wenn wir über die ARD-App auch mehr ZDF-Inhalte bekämen oder Inhalte von France TV oder spanische Inhalte. Ich würde nicht zwingend sagen, wir brauchen DIE deutsche oder europäische Plattform. Da würde man sich zehn Jahre streiten, wie sie heißt, wer sie überwacht, wer sie leitet und hätte beim Markteintritt wahrscheinlich viel Geld verbrannt, bis man überhaupt an den Start kommt. Wenn jemand das Vertrauen aufgebaut hat zur ZDF-App und darüber die anderen Inhalte bekommt, ist das doch super. Man könnte das noch weiterdenken und sagen: Mein Eintrittspunkt in die digitale Welt ist “Zeit.de”, dann könnte ich auch über Zeit.de öffentlich-rechtliche Inhalte bekommen. Die Monetarisierung ließe sich lösen in digitalen Zeiten.

    Also keine gemeinsame europäische Plattform, für die BR-Intendant Ulrich Wilhelm einst warb?

    In Europa haben wir das Problem, dass wir aufgrund von Vielfalt und Dezentralität an der Skalierung scheitern. Wir haben aufgrund der Unterschiede der europäischen Medienmärkte immer jeweils 30 oder 40 Anbieter am Markt. Wir müssen also eine Skalierung in der Vielfalt hinbekommen. Das heißt, wir müssen die Inhalte vernetzen. Da gibt es spannende Modelle wie die Beyond Platforms Initiative, die wir in Hamburg gefördert haben. Die Öffentlich-Rechtlichen fangen jetzt an mit dem Streamingnetzwerk, die ARD könnte das vormachen zwischen den neun Landesrundfunkanstalten. Kooperationsfähigkeiten nutzen, Ressourcen bündeln, wo es sinnvoll ist, aber nicht auf Zwang etwas Neues bauen. Einfach machen.

    Eine Plattform, die eine solche Vernetzung für die Kultur leisten soll, ist ARD-Kultur…

    Das habe ich auch so verstanden, der Idee kann ich auch etwas abgewinnen. Die ARD macht jetzt das, was das ZDF schon länger macht, sie gründet eine Plattformredaktion, die unabhängig vom Ausspielweg die Ressourcen vorhält und damit auch Qualität des Programms gewährleistet.

    Nutzen Sie das Portal ARD-Kultur?

    Ich nutze die Inhalte, aber ich nutze das Portal nicht gezielt täglich. Meistens erreichen mich Inhalte aus diesem Portal über andere Wege. Die “Kulturzeit” schaue ich über die 3sat-App.

    Sie haben früher selbst in einer Lokalredaktion Kulturberichterstattung gemacht und wissen daher, dass im Lokalen und Regionalen sehr viel Kultur stattfindet. Ist bei einem gemeinsamen Portal nicht die Gefahr, dass man nur noch die nationale Kultur abbildet oder die Großereignisse?

    Im Digitalen kann man ja gerade ein Programm viel genauer auf die Zuschauerinnen und Zuschauer zuschneiden und ihnen die Inhalte ausspielen, die sie auch in ihren regionalen Lebensumfeldern abholen. Sie müssen eben nicht die zentrale Entscheidung für oder gegen regionale Inhalte treffen, weil der eine Kanal voll belegt ist. Daher darf und wird das kein Entweder-oder sein. Über die lokale Kultur berichten lokale Redaktionen, hier in Hamburg ist es das Landesfunkhaus des NDR. Die machen Berichte für die Welle NDR Kultur, deren Redaktion in Hannover sitzt. Trotzdem gibt es natürlich eine lokale Kulturberichterstattung in Hamburg, genauso wie in Schleswig-Holstein oder in Mecklenburg-Vorpommern und in Niedersachsen. Produktionsseitig ist das kluge Zusammenspiel entscheidend. Es braucht nicht zugespitzt gesagt neun Leute, die nach Bayreuth fahren, um neun Berichte zu machen über das gleiche Ereignis. Wenn das neun Kritiker wären, wäre das schön, aber unter Umständen entstehen sieben Features und zwei Kritiken. Und dann würde ich sagen, ich nehme lieber nur ein Feature und dafür mehr Kritikkompetenz.

    Zu Recht wird bemängelt, dass in der Kulturberichterstattung die Auseinandersetzung mit den ästhetischen Positionen verloren geht und wir uns immer nur mit den Arbeitsbedingungen beschäftigen oder damit, wo sich gerade ein Intendant danebenbenommen hat. Die Befassung mit der künstlerischen Produktion gerät unter die Räder. Das liegt auch daran, dass die Redaktionen so klein werden, dass Spezialisierung nicht mehr möglich ist. Wenn man Ressourcen poolen würde, wäre sie aber wieder möglich. Ich finde es plausibel zu überlegen, ob nicht eine Redaktion mit 20 Leuten sinnvoller ist als zehn mit zwei.

    Die Chefs der Staatskanzleien haben Anfang des Jahres einen Beschluss gefasst und die Öffentlich-Rechtlichen aufgefordert, eine gemeinsame Plattform aufzubauen. Mit dem Begriff Plattform kann sehr viel gemeint sein: Mediatheken, soziale Netzwerke und anderes. Was genau wollen Sie als Medienpolitiker? Ist da eine Plattform gemeint, über die auch ein Austausch der Nutzer mit den Machern möglich werden soll?

    Tatsächlich hat der Plattformbegriff eine Unschärfe, mit der wir uns seit Jahr und Tag rumschlagen. Rein medienrechtlich ist es keine Plattform, dann müssten sie verschiedene audiovisuelle Angebote Dritter zu einem Gesamtangebot zusammenfassen. Wie gesagt, für mich muss es nicht die eine Mediathek sein. Wenn man das gut miteinander vernetzt, wäre schon viel gewonnen. Dass man Formate und Ventile für den Austausch zwischen Publikum und Machern schafft, halte ich für sinnvoll, denn die Nutzerinnen und Nutzer kennen es mittlerweile, sich aktiv in Diskussionen einzubringen.

    Wenn wir so etwas machen, müssen wir es aber auch nutzen. Es müssen Communitys aufgebaut, betreut und moderiert werden. Das ist aufwendig und auch nicht immer erfolgversprechend. Wir wissen ja: Diejenigen, die zufrieden sind, melden sich nicht, sondern es melden sich die, die unzufrieden sind. Die Gründe dafür sind mannigfach. Man muss also Bürgerinnen und Bürgern ein Angebot machen, sich mit den Anbietern gemeinsam über das Programm und seine Inhalte auseinanderzusetzen.

    Sollte das nur im Internet stattfinden?

    Ich weiß nicht, ob das in erster Linie ein digitales Forum sein muss, es gibt auch andere Ideen für regelmäßige Partizipationsformate wie Programmbeiräte und vieles andere mehr. Da sollten die Anstalten mehr ausprobieren und lernen, was das Publikum eigentlich will. Der Journalismus, das Medienschaffen generell steht bei der Nutzung dieses Feedback-Kanals, sowohl digital als auch analog, noch ziemlich am Anfang. Journalisten hängen immer noch der Haltung an: Ich habe was publiziert, jetzt setzt euch damit auseinander, ich habe meine Markierung gesetzt. Ich wäre für Ausprobieren. Ich hielte es für falsch, wenn die Rundfunkkommission sagen würde: Ihr müsst Facebook oder TikTok nachbauen. Aber die Dimension des Austausches mit dem Publikum mitzudenken und dafür Vorschläge zu machen, halte ich für unerlässlich.

    Als ich in den 90er Jahren bei ARD-Aktuell gearbeitet habe, wurden uns nach den “Tagesthemen” die Zuschaueranrufe per Telefon in die Redaktion durchgestellt. Wir wurden fast nur beschimpft. Besonders schlimm war es während des Bosnienkriegs…

    Interessant, das war ein Feedback, das für die Öffentlichkeit nicht beobachtbar war. Ich glaube, ein Teil der Diskussion, die wir heute über die vermeintliche Nichtakzeptanz von öffentlich-rechtlichen Angeboten haben, kommt daher, dass man das heute beobachten kann. Es findet statt in Foren, die man einsehen kann. Ob das mehr sind als in den 90er Jahren bei Ihnen angerufen haben, weiß keiner, weil ein paar Dutzend ausreichen. Ich fände es spannend, neue Formate für den Austausch zu entwickeln. Da hat öffentlich-rechtlicher Rundfunk eine Chance, mehr zu machen, weil er den ökonomischen Druck nicht hat. Beim ORF hieß das in den 70er Jahren “Planquadrat”-Journalismus. Da sind die Redaktionen in die Großraumsiedlungen am Stadtrand gegangen und haben gesagt, wir produzieren mal was mit den Leuten. Was sind heute die Pendants dazu? Im Boulevard gibt es die Leserreporter, das ist ein voyeuristisches Instrument, aber man kann das auch anders betrachten und nutzen. Da bin ich fast wieder bei Lenin mit seiner Idee des Volkskorrespondenten damals in der Sowjetunion…

    …oder bei Brecht…

    Oder bei Brecht mit der Radiotheorie: Wie mache ich aus dem Distributionsapparat einen Kommunikationsapparat? Wie nutze ich das aufklärerisch? Daran zu arbeiten, wäre ein schönes Projekt für öffentlich-rechtliche Anstalten.

    Der WDR hatte mal “Hallo Ü-Wagen”. Das wurde dann leider nicht weiterentwickelt, sondern eingestellt.

    Carmen Thomas, großartig! Die Morgenmagazine fahren ab und zu in einzelne Städte und senden vom Marktplatz, aber das ist nur punktuell. Die Frage, wie kommt ein Sender systematisch anders in den Kontakt mit dem Publikum, ist eine wichtige Aufgabe.

    Eine große Aufgabe für die Medienpolitik bleibt die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der Dritte Medienänderungsstaatsvertrag tritt am 1. Juli in Kraft. Da bekommen die Aufsichtsgremien mehr Verantwortung. Haben Sie das Gefühl, dass die so wie sie jetzt verfasst sind, diesen neuen Anforderungen gewachsen sind?

    Das hängt davon ab, ob sie sich dem gewachsen fühlen wollen. Es sind de facto ehrenamtliche Gremien. Menschen, die etwas anderes machen und auch etwas anderes tun sollen. Es sind keine hauptamtlichen Aufsichtsgremien, sondern theoretische Diskursräume. Und ob man so einen Raum als einen Diskursraum zum Programm schaffen will, liegt an denen, die drinsitzen.

    Beim RBB hat man gesehen, dass das auch gewaltig schiefgehen kann.

    Absolut. Wenn man es nicht will, sorgt institutionell keiner dafür, dass es klappt. Das ist aber bei Diskursräumen immer so. Jürgen Habermas sagt, den Kerngehalt der freien Kommunikation können wir nicht durch eine Institutionalisierung erzwingen, weil sie dann nicht mehr frei wäre. Die Frage ist eher: Sitzen die richtigen Leute in den Gremien? Stimmen die Besetzungsstrukturen? Ehrlicherweise bilden die Gremien oft die Bundesrepublik der 50er Jahre ab und nicht unseren jetzigen gesellschaftlichen Zustand.

    Sind Sie als politischer Beobachter der Ansicht, dass die Aufsichtsgremien des RBB ausreichend Verantwortung übernommen haben für das, was da passiert ist?

    Das kann ich beim RBB zu wenig beurteilen. Solche Vorgänge stellen immer auch Fragen an die Aufsichtsstruktur. Es ist nicht damit getan, jemand Neues in die Intendanz zu holen und zu fordern: Räum da mal auf, sondern es muss auch darum gehen, sich in den Aufsichtsgremien zu hinterfragen, ob die Routinen richtig sind.

    Die Gremienstrukturen sind in den vergangenen Jahren häufiger geändert worden, da hätte die Politik andere Strukturen schaffen können.

    Hamburg hat damals zusammen mit Rheinland-Pfalz gegen den ZDF-Staatsvertrag geklagt und wir haben Recht bekommen. Wir haben die Staatsverträge liebend gern neu geschrieben. Da gab es auch deutlich avanciertere Vorschläge, aber einige Länder haben gesagt: Diese Dinge sind unverhandelbar, wir können nur noch über den Rest reden. Eine Stunde null des Neuaufstellens der Aufsicht – das hat bisher noch nie geklappt. Selbst beim RBB hat das nach der Katastrophe des letzten Jahres und den Schwierigkeiten der dortigen Aufsicht nicht funktioniert.

    Woran liegt das?

    In den politischen Entscheidungsprozessen muss man immer mit den korporatistischen Akteuren, die da drinsitzen, als Vetomächten rechnen. Es gibt Menschen, die sagen, lass uns losen. Ich war noch nie ein Fan dieser Losverfahren, verstehe aber das Argument dahinter. Das kann gern mal jemand machen, ich würde es nur nicht selbst verantworten wollen. Die alte Idee, die das Bundesverfassungsgericht beschrieben hat: Wir suchen uns idealtypisch ein paar Organisationen und Institutionen der Gesellschaft aus, die jemanden in die Gremien entsenden, und in dem Moment, in dem die Person Gremienmitglied geworden ist, verliert sie all ihre Rückbezüge zu der sie entsendenden Organisation, weil sie nur als stellvertretender Teil der allgemeinen Öffentlichkeit in dem Gremium sitzt, ist als Fiktion schön, funktioniert aber offensichtlich nicht in der Realität und wird nicht gelebt.

    Ein schönes Idealbild.

    Die entscheidende Frage ist: Interessiert uns als Gesellschaft noch, was da passiert? Führen wir eine öffentliche Diskussion? Im ZDF-Fernsehrat gab es eine Riesendiskussion darüber, ob die Sitzungen gestreamt werden, ob man Öffentlichkeit zulässt. Das geht alles inzwischen, aber wenn man sich anschaut, wie groß das Interesse ist, wird man schnell wieder sehr demütig. Es ist mitnichten so, dass die Menschen elektrisiert sind von dem, was da passiert. Es gibt ja kaum eine medienpolitische Debatte oder eine medienkritische Öffentlichkeit. Wir diskutieren nicht regelhaft darüber, wie wir uns demokratisch verständigen wollen, obwohl sich das gesamte strukturelle Gefüge momentan in einer atemberaubenden Geschwindigkeit und Dramatik verändert. Aus demokratiepolitischer Sicht haben wir kaum ein wichtigeres Thema: Wie bekommen wir es hin, auch in fünf oder zehn Jahren noch über alle Belange kommunikationsfähig zu sein? Tatsächlich werden heute aber Medienredaktionen abgebaut, verschwinden Medienseiten, und diejenigen, die sich mit den Strukturen von Medien auch journalistisch selbst- und fremdbeobachtend auseinandersetzen, können wir mittlerweile an zwei Händen abzählen. In den 70er Jahren hat die SPD einen ganzen Parteitag zum Thema Medienpolitik gemacht. Die Medienkommission der SPD wird in diesem Jahr 50…

    Es gibt die Medienkommission der SPD also noch?

    Natürlich gibt es die noch, genauer gesagt heißt sie jetzt Medien- und Netzpolitische Kommission. Ich leite sie gemeinsam mit Heike Raab und dort wird intensiv gearbeitet. Wir haben erst vor wenigen Wochen einen Beschluss zum Thema KI-Regulierung veröffentlicht.

    Ich nehme wahr, dass sich viele Politiker zu medienpolitischen Themen äußern, die erstaunlich wenig Ahnung haben. Da werden Dinge gefordert, die rechtlich gar nicht umsetzbar sind. Sie haben erwähnt, wie schwierig es ist, im Länderkreis einen Konsens zu finden bei wichtigen Fragen wie die Organisation der Aufsicht über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Ist die Medienpolitik tatsächlich noch gut aufgehoben bei den Ländern?

    Was wäre denn die Alternative? Ob das beim Bund besser aufgehoben wäre? Da habe ich nach vielen Jahren meine Zweifel. Wir hatten eine gemeinsame Bund-Länder-Kommission, die Konfliktlösungsmechanismen entwickeln sollte für Fälle, in denen Konflikte zwischen Bundesrecht, Landesrecht und Europarecht entstehen. Der Bund war in diesen Fällen maximal desinteressiert an medienvielfaltsbezogenen Fragestellungen und hat das rein technik- und wirtschaftsrechtlich betrachtet.

    Ist deswegen die Bund-Länder-Kommission wieder eingeschlafen?

    Die Bund-Länder-Kommission hat damals einen Abschlussbericht gemacht und es gibt im Koalitionsvertrag den Auftrag, dass eine neue entstehen soll.

    Noch ist nichts passiert…

    Ich bin gespannt. Ich habe noch nichts gehört. Das Problem ist nicht, dass die Medienpolitik schlecht aufgestellt wäre. Es gibt etliche Akteure aus allen Parteien, die sich darum kümmern. Viele, die sich öffentlich äußern, sind aber schlichtweg nicht zuständig. Und viele, die zuständig sind, äußern sich nicht so laut oder sie werden nicht so berücksichtigt wie ein Bundestagsabgeordneter, der mal einen raushaut…

    Oder ein Finanzminister…

    Früher sind die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten gemeinsam in die Auseinandersetzung über diese Themen gegangen. Das fehlt heute. Als Medienpolitiker wünscht man sich, dass mehr Leute Lust darauf haben, diese Debatten zu führen.

    War Medienpolitik früher wichtiger? Konnte man sich früher als Medienpolitiker besser profilieren?

    Das glaube ich nicht. Medienpolitik war häufig eher ein exekutiv-administratives Ding. Dadurch, dass wir zwischen den Landesregierungen die Staatsverträge verhandeln, kommen die zu einem Zeitpunkt in die Landesparlamente, an dem wir als Regierungen sagen: Es wäre schön, wenn ihr zustimmt, denn das ist ja schon ausgehandelt. Der vorlaufende Diskurs gehört in die allgemeine Öffentlichkeit und das gelingt uns momentan nicht. Das war früher anders. Wir hatten früher große medienpolitische Debatten – ob das alles intellektuell anschlussfähig war, sei dahingestellt. Aber es war zumindest eine Auseinandersetzung mit medialen Inhalten. Die letzte Debatte dieser Art ging vermutlich um Paul Noltes degoutante Formulierung vom Unterschichtenfernsehen. Danach haben wir keine strukturell informierte Debatte über öffentliche Kommunikation mehr geführt, jenseits von einzelnen Aufregungen über einzelne Verfehlungen. Das zu ändern ist auch eine Aufgabe für die Politik.

    Liegt das an der Fragmentierung der Öffentlichkeit, dass die großen Debatten nicht mehr geführt werden?

    Auch. Aber so groß ist die Fragmentierung bei uns noch nicht. Wir haben noch die großen Leitmedien, über die das funktionieren könnte. Wenn ich mir den Zuspruch für öffentlich-rechtliche Informationsangebote anschaue, ist das möglich. In den Formaten, die die Öffentlich-Rechtlichen in den letzten Jahren entwickelt haben, sitzt ein Intendant, der sich Bürgerfragen stellt – das ist kein Debattenforum. Ich erinnere mich noch an die Sendung von Markus Lanz im vergangenen Jahr mit Harald Welzer, Richard David Precht, Melanie Amann und Robin Alexander, das war wie bei einem Autounfall, wo man nicht weggucken kann. Ich fand das Buch von Precht und Welzer nicht gelungen, aber die Selbstverständlichkeit, mit der die beiden Journalisten jede Form von Kritik an sich weggeschoben haben, zeigt einen Unwillen zur Reflexion des eigenen Tuns.

    Fehlt es im Journalismus an Selbstkritik?

    Es war auf beiden Seiten eine Unfähigkeit, miteinander zu sprechen, man hat sich mit dem Kern der Kritik, mit der Ursache für den allgemeinen Vertrauensverlust, gar nicht auseinandergesetzt. Diese Haltung zu sagen: Was ich mache, ist richtig, verwundert mich manchmal am Journalismus und den Medien. Früher hat man gesagt, die notorische Beschäftigung mit sich und den eigenen Verfehlungen wäre das Problem. Georg Mascolo hat mal gesagt, der Journalismus braucht eine andere Fehlerkultur, damit die Medien Vertrauen wiedergewinnen. Er müsse in der Lage sein, Fehler transparent zu machen und öffentlich zu verhandeln. Das gebe ihm die Gelegenheit, besser zu werden. Das wäre ein Modus des öffentlichen Umgangs miteinander, der auch die öffentliche Verständigung anders in den Blick nimmt.

    Die öffentlich-rechtlichen Anstalten haben Ende April ihren Finanzbedarf bei der Finanzkommission KEF angemeldet und gehen von einer Erhöhung des Bedarfs um zwei bis knapp drei Prozent aus. Das würde auf eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags hinauslaufen. Wie sehen Sie das als Medienpolitiker: Ist eine Beitragserhöhung durchsetzbar?

    Ich halte mich an den KEF-Vorsitzenden, der gesagt hat, momentan sind Prognosen nicht seriös, weil wir zum Beispiel auch noch Rücklagen in den Anstalten haben, die man gegenrechnen muss. Ich schaue etwas irritiert auf die energischen Vorfestlegungen aus dem politischen Raum, dass es keine Erhöhung geben darf. Aus meinem Verständnis haben wir ein Verfahren, in dem die Anstalten einen Bedarf anmelden, und die KEF berechnet, was der anerkannte Bedarf in der Finanzierung bedeutet. Dann ist es an der Politik, das nachzuvollziehen. Wenn man das aber nicht nachvollziehen kann, kann man nicht einfach sagen, ihr müsst das Gleiche mit weniger Geld machen. Dann müsste man auch sagen, was die Anstalten bleiben lassen müssen. Und das geht erfahrungsgemäß immer aus wie das Hornberger Schießen, weil die Gleichen, die heute noch fordern, dass der Beitrag nicht steigen darf, morgen, wenn bei ihnen deswegen einzelne Infrastrukturen der Öffentlich-Rechtlichen verkleinert werden sollen, sagen: Das darf nicht sein. Ich bin dafür, dass wir das Verfahren perspektivisch verändern. Wir hatten Vorschläge, wie man das ändern könnte, ich habe auch mal einen Vorschlag gemacht für eine indexierte Budgetierung. Aber jetzt müssen wir alle miteinander die Coolness besitzen, das Verfahren in seiner Legitimation nicht in Zweifel zu ziehen.

    Sie haben das Desinteresse des Bundes am Thema Medienpolitik angesprochen. Seit drei Jahren kommt das Thema Presseförderung nicht voran. Die Ministerien schieben sich das gegenseitig zu wie eine heiße Kartoffel.

    Als wir angefangen haben, über das Thema zu reden, war Andrea Nahles noch Bundesarbeitsministerin. Mein Stand ist, dass es bisher keine Zuständigkeit gibt. Ich kann es mir nur so erklären, dass man in den laufenden Haushaltsverhandlungen des Bundes nicht “Hier” schreien will, weil man Sorge hat, dass die Mittel auf das eigene Konto angerechnet werden. Ich finde das dramatisch, weil wir aktuell die Umbrüche an den Medienmärkten erleben. Ich verstehe nicht, wie man so ungerührt zugucken kann, dass in Deutschland Landstriche entstehen, die dem entsprechen, was wir in den USA “News Deserts” nennen. Das kann nur der Bund regeln, es kann nur eine Wirtschaftsförderung sein, keine inhaltsbezogene Förderung. Wenn man das an die Zustellung koppelt, wäre das aus meiner Sicht eine Aufgabe des Wirtschaftsressorts. Das sieht das Wirtschaftsressort offensichtlich anders. Aber selbst in dem Moment, in dem die Zuständigkeit entschieden ist, bleibt die Frage, wer gefördert wird. Sind es die Regionalzeitungen oder fördert man die gesamte Printbranche? Letzteres würde ich präferieren.

    Sie würden also auch Zeitschriften einschließen wollen?

    Auch die stehen unter einem unfassbaren Transformationsdruck. Das kriegt man nur nicht so mit. In vielen Bereichen geht die Fachexpertise in dem Moment weg, in dem die Zeitschriften verschwinden. Es gibt viele, die in ihren Erlösen noch komplett analog sind.

    Im Februar hat RTL Deutschland angekündigt, dass der Konzern bis zu 1.000 Stellen abbauen will, die meisten davon hier in Hamburg, am Standort des Zeitschriftenverlags Gruner + Jahr, der im vergangenen Jahr von RTL Deutschland übernommen wurde. Sie haben als Hamburger Mediensenator damals geschrieben, eigentlich war Gruner + Jahr vor 20 Jahren, was die Digitalisierung angeht, ganz gut aufgestellt. Was ist da schiefgelaufen bei der Transformation?

    Um Gruner + Jahr herum waren zu Beginn der 00er Jahre eine Menge digitale Unternehmen entstanden. Dann platzte die Dotcom-Bubble und man hat sehr schnell den Schluss daraus gezogen, alles wieder einzustampfen und zu sagen, das war ein Fehler mit diesem Internet, das stabile Geschäftsmodell bleibt das klassische publizistische Angebot auf Papier. Hätte man damals weitergemacht und einen längeren Atem gehabt, sähe das jetzt wahrscheinlich anders aus. Als die zweite Welle der Digitalisierung kam, hat hier in Hamburg nicht mehr so viel stattgefunden. Die aus der alten Bundesrepublik stammende Haltung, die einzige große Medienstadt ist Hamburg, hat sich relativiert. Die Branche steht unter einem enormen Innovationsdruck, aber glaubt komischerweise immer noch, sie könnte die Innovation allein schaffen. Ich kenne keine andere Branche, die in einem solchen Transformationsprozess so wenig auf wissenschaftliche Begleitung zurückgreift wie die Medienbranche.

    Müssten Medienunternehmen mehr kooperieren? Ist das Konkurrenzdenken noch zu stark ausgeprägt?

    Das kriegen wir in Hamburg über Netzwerke wie Nextmedia.Hamburg ganz gut hin. Man sieht ein, dass man vom gemeinsamen Verstehen der dramatischen Veränderung der Märkte einen individuellen unternehmerischen Vorteil hat. Aber das Heranziehen von Forschung klappt zu wenig. Wie sieht klassische Forschung und Entwicklung aus? Wie nutzen wir Laborkontexte? Ausprobieren von neuen Darstellungsformen und Distributionsangeboten nicht unter Marktbedingungen.

    Findet diese Art von Forschung in der Kommunikationswissenschaft überhaupt statt? Die beschäftigt sich doch eher mit Produkten, die schon da sind.

    Das ist in der Tat eine Herausforderung. Ich habe vor ein paar Jahren einen Vortrag gehalten bei der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft, da habe ich gesagt: Während der Luftfahrtingenieur, wenn ein Flugzeug abstürzt, von seinem Lehrstuhl aus gemeinsam mit dem Unternehmen daran arbeitet, dass das Flugzeug beim nächsten Mal in der Luft bleibt, schreibt der Kommunikationswissenschaftler einen klugen Aufsatz darüber, warum es abgestürzt ist. Das ist in einem so demokratierelevanten Bereich zu wenig. Man fordert sich wechselseitig nicht ausreichend heraus. Man hat es nicht geschafft, eine gemeinsame Innovationskultur zu entwickeln. Es gibt schöne Ausnahmen wie die Hamburg Media School, wo die Medienunternehmen mit in die Verantwortung gehen und mit der Schule zusammen Ausbildungsangebote entwickeln. So etwas müsste man viel mehr machen, um die Lust auf Veränderung zu befördern in diesem Feld, das sich gerade so dramatisch verändert.

    Alle Beiträge aus der Reihe “Das Beste aus epd Medien bei turi2” >>>

    Foto: Hernandez für Behörde für Kultur und Medien

  • SWR stellt den Mainzer “Tatort” mit Heike Makatsch aus finanziellen Gründen ein.

    Kriminell teuer: Der SWR beendet den “Tatort” aus Mainz mit Hauptdarstellerin Heike Makatsch wegen “spürbaren Kosten­steig­erungen”, sagt SWR-Programm­direktor Clemens Bratzler. Zudem müsse der Sender “im Rahmen unseres digitalen Umbaus Geld umschichten, um mehr Serien für die ARD-Mediathek realisieren zu können”. Seit 2016 sind vier Folgen der Krimireihe mit Makatsch zu sehen gewesen, der Starttermin für die fünfte und letzte steht noch aus.
    dwdl.de, horizont.net