Der Club der Meinungsmacherinnen.

Pit Gottschalk bei turi2:

  • “Ruhr Nachrichten” starten Podcast über Erfolgsgeschichte von Borussia Dortmund unter Ottmar Hitzfeld.

    Retro-Anstoß: Die “Ruhr Nachrichten” ver­öffentlichen eine Podcast-Serie über den Aufstieg von Borussia Dortmund unter Trainer Ottmar Hitzfeld, berichtet Pit Gottschalk im “Fever Pit’ch”-Newsletter. In sechs Folgen erzählen die Sport­journalisten Oliver Müller und Werner Hansch die Vereins­geschichte von Anfang der 1990er Jahre bis zum Champions-League-Sieg 1997. Sie sprechen mit vielen Weg­gefährten und Hitzfeld selbst.
    feverpitch.de, ruhrnachrichten.de (€, alle Folgen)

  • Video-Tipp: Wie “Wetten, dass..?” mit der Zeit abgestürzt ist.

    Video-Tipp: Der YouTube-Kanal Simplicissimus zeichnet den Untergang von “Wetten, dass..?” nach. Mit dem Aufkommen neuer Show-Konkurrenz Anfang der 2000er habe sich das Konzept totgelaufen. Als “Cringe Made in Germany” wird das Kapitel Markus Lanz be­schrieben, das u.a. an den skurrilen Auftritt von Tom Hanks mit Katzen­mütze erinnert. Der Abgang von Thomas Gottschalk mit Verweis auf Cancel-Culture hinterlasse einen “bitteren Beigeschmack”, weil er jahre­lang teils sexistische und rass­istische Sprüche gebracht habe.
    youtube.com (27-Min-Video)

  • Meistgeklickter männlicher Kopf gestern war Roland Tichy.

    Meistgeklickter männlicher Kopf gestern war Publizist Roland Tichy, den Gabor Steingart als “Zinn­soldaten” der AfD sieht, der zwar bunt leuchte, aber “keine Feuerkraft” habe. Hinter ihm folgen im Ranking Gesundheits­minister Karl Lauterbach, der eine Cannabis-Kampagne plant, sowie der frühere Sport1-Chefredakteur Pit Gottschalk, der am Mittwoch Geburtstag hatte.
    turi2.de/koepfe (meistgeklickte Männer am 9.8.2023)

  • Wir graturilieren: Pit Gottschalk, Ralf Meyke, Dennis Ballwieser.

    Wir graturilieren den Geburtstags­­kindern des Tages: Pit Gottschalk, bis vor Kurzem Chef­redakteur von Sport1, wird 55 Jahre alt. Ralf Meyke, Geschäfts­­führer der Klambt-Programm­­­zeit­schriften, feiert seinen 58. Geburtstag. Dennis Ballwieser, Chef­redakteur der “Apotheken-Umschau”, begeht den 43. Ehren­tag.

  • Sport1 gibt Führungskräfte für neue Profit Center bekannt.

    Mannschafts-Aufstellung: Die Sport1 Medien geben die Führungs­kräfte für die neuen Profit Center bekannt. Tim Schnabel (Foto) und Julian Frost übernehmen die News, Christian Madlindl führt Entertain. Pay-TV mit den Bezahl­sendern Sport1+ und eSports1 führt Andreas Gerhardt. New Biz für die Neu­geschäfts-Aktivitäten leitet künftig Matthias Reichert und bei Plazamedia übernehmen Jens Friedrichs und Hardy Steinweg das Steuer.
    lifepr.de, turi2.de (Background)

  • Meistgeklickter Kopf gestern war Pit Gottschalk.

    Meistgeklickter Kopf gestern war Pit Gottschalk. Am Dienstag war bekannt geworden, dass der Sport1-Chef­redakteur das Unternehmen verlässt. Auf ihn folgen im Ranking die neue DACH-Chefin bei Disney Eun-Kyung Park und “Tagesschau”-Digitalchefin Juliane Leopold, die ihre Bewerbung für die RBB-Intendanz zurückzieht.
    turi2.de/koepfe (meistgeklickte Köpfe am 14.06.2023)

  • Meistgeklickter Kopf gestern war Olaf Schröder.

    Meistgeklickter Kopf gestern war Sport1-Vorstands­chef Olaf Schröder. Das Unternehmen hatte gestern den Weggang von Schröder und Chef­redakteur Pit Gottschalk verkündet, der im Ranking auf Platz 3 landet. Er folgt auf Google-Presse­sprecherin Enita Ramaj, die gestern Geburtstag hatte.
    turi2.de/koepfe (meistgeklickter Kopf am 13.06.2023)

  • Highlight Communications AG prüft Verkauf von Sport1.

    Neuer Eigentümer? Die Highlight Communications AG prüft den möglichen Verkauf der Sport1 Medien AG. In einer Mitteilung schreibt das Unternehmen, man prüfe “strategische Möglichkeiten zur Weiter­entwicklung oder Veräußerung”. Der Verwaltungs­rat habe beschlossen, einen “strukturierten Prozess bezüglich eines möglichen Verkaufs” einzuleiten. Nur wenige Stunden zuvor war bekannt geworden, dass Vorstands­chef Olaf Schröder und Chef­redakteur Pit Gottschalk die Sport1 Medien AG verlassen.
    dwdl.de, turi2.de (Background)

  • “Neuaufstellung”: Olaf Schröder und Pit Gottschalk verlassen Sport1 Medien AG.


    Trainer-Wechsel: Vorstandschef Olaf Schröder (Foto links) und Chefredakteur Pit Gottschalk verlassen die Sport1 Medien AG, teilt das Unternehmen am Vormittag mit. Die Abgänge erfolgten im Zuge einer “Neuaufstellung” in “fünf Profit Center” für die Sparten Digital, Free-TV, Pay-TV, New Business und Produktion. Die Leitung übernehmen als Co-CEOs Robin Seckler, bisher Digital­vorstand, und Matthias Kirschenhofer, der im Vorstand bisher u.a. Recht, Compliance und Finanzen verantwortet. Eine Nachfolge­regelung für Gottschalks Posten werde “kurzfristig mitgeteilt”. Gottschalk selbst twittert kurz nach Versand der Pressemitteilung nur: “Genug ist genug.” Aufsichtsratschef Bernhard Burgener dankt Schröder, der seit August 2017 an der Spitze stand, dafür, Sport1 “erfolgreich durch herausfordernde Zeiten” geführt zu haben. Ironie des Schicksals: Wenige Stunden nach seiner Demission “mit sofortiger Wirkung” ist Schröder doch noch einmal für Sport1 im Einsatz. In einem aufgezeichneten Talk bei den Screenforce Days fordert er interessierte Werbekunden dazu auf, ihn anzurufen.
    sport1-medien.de, kress.de, dwdl.de (Screenforce-Talk)
    (Fotos: Sport1)

  • “Ideologisch fixiert” – Volker Lilienthal über “Bild” und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.


    Ziemlich bester Feind: Wenn “Bild” über ARD und ZDF berichtet, “werden die Fakten meist selektiv ausgewählt und die Belastungs­zeugen passend zum schon fest­stehenden Urteil ausgewählt”, schreibt Medienwissen­schaftler Volker Lilienthal bei
    epd Medien. Er hat die “Bild”-Bericht­erstattung über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk der vergangenen 60 Jahre analysiert und kommt zu dem Schluss: Der Blick des Blatts auf ARD und ZDF ist “ideologisch fixiert”. turi2 veröffentlicht den Beitrag in der wöchentlichen Reihe Das Beste von epd Medien bei turi2.

    Von Volker Lilienthal / epd Medien

    Kein Aprilscherz: Ab dem 1. April führte “Bild” das Mutterdrama auf. Aus einer (!) unbedachten Formulierung in einem (!) Artikel auf tagesschau.de konstruierte das Boulevardmedium den Vorwurf von Wokeness und Genderwahn. Die Redaktion der “Tagesschau” habe sich zur “selbst ernannten Sprachpolizei” aufgeschwungen, “Mutter” zu sagen sei diskriminierend, daher müsse es jetzt heißen: “gebärende Person”. “Sprachpolizei” mag die wertende Wahrnehmung bei “Bild” sein – aber wie bitte will man das “selbst ernannt” belegen?

    “Entbindende Person” – zwei Wörter, 17 Zeichen. Von diesem Partikelchen, aufgefunden in einer der vielen Onlinepublikationen und Sendungen der ARD, nährte sich “Bild” über Tage. Bild.de machte den Auftakt, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder empörte sich auf Twitter über den “Woke-Wahn”, für den die “Zwangsgebühren” nicht gedacht seien. Das Mutterdrama füllte in “Bild” mehrere Seiten: fast die gesamte Seite 3 am 3. April, nachdem Hans-Jörg Vehlewald, der bei “Bild” den Titel “Chefreporter” trägt (es gibt davon nominell 19), auf Seite 2 den nationalen Tagesbefehl ausgegeben hatte: “Liebe ARD-Kolleginnen und -Kollegen: Sprecht, schreibt, funkt doch einfach wieder in der Sprache derer, die Euch bezahlen und verstehen wollen. In Deutschland heißt das: MUTTERsprache.”

    Drama in Serie
     
    Und so ging es weiter: Aufmacher auf der Titelseite am 4. April, auf Seite 3 dann ein Gastbeitrag der “Bundesfamilienministerin a. D., Unternehmensberaterin und Publizistin” Kristina Schröder (“IHR seid so abgehoben!”), ein Stimmenpotpourri prominenter und unbekannter Frauen (“Wir machen den Mama-Murks nicht mit!)” und zwei kleine Zweispalter über angeblich “noch mehr ÖRR-Irrsinn”.

    Ein Drama in Serie, auf dem weiteren Spielplan dies: fünf Leserbriefe am 5. April, alle mit derselben Tendenz: “Zuerst hatte ich diese Aussage für einen schlechten Aprilscherz gehalten. Es wird höchste Zeit, dass diesen Gebührenschmarotzern die Rote Karte gezeigt wird.” Und auf Seite 10 ein Besinnungsaufsatz von Evelyn Holst mit einer wahrhaft dystopischen These (“Wer ‘Mutter’ abschafft, schafft uns alle ab!”) und einer kleinen Beigabe von Louis Hagen (“Ohne Mutter ist alles nichts”).

    Zwei Dutzend Mütter kamen an diesen aufgeregten Tagen zu Wort, Frauen wurden massiv sichtbar wie sonst selten in “Bild”. Man möchte glauben, hier habe die neue Chefredakteurin Marion Horn erstmals ihre Handschrift gezeigt. Es war, als sollte “Bild” weiblicher werden, als wollte Marion Horn mal was für die Leserinnen tun. Aber all die Frauen, die die Redaktion mit Fotos und Zitaten eingesammelt hatte, waren natürlich nichts als “opportune Zeugen” (Lutz M. Hagen), die sich auf Anfrage, quasi auftragsgemäß, empörten über einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, den die Redaktion schon immer in Verdacht hatte.

    Diesmal musste eine Lappalie für die scheinfeminine Protestwelle herhalten. 17 Zeichen, zwei Ausdrücke, über die man in der Tat streiten kann. Aber es war eben nichts als die immergleiche Empörung, die “Bild” mitzuteilen hatte. Auf der einen Seite die unbelegte Behauptung “selbst ernannte Sprachpolizei”, auf der anderen Seite ein Sprachgebot nun wiederum von “Bild” selbst: In Deutschland hat man “Mutter” zu sagen. Viel mehr war es nicht. “Bild” hatte schlicht nichts Neues mitzuteilen, der Nachrichtenwert dieses Mutterdramas sank von Tag zu Tag bis unter null.

    Boulevard sollte sein Publikum bekanntlich nie langweilen. Der Unterhaltungswert dieser Aktion (es Berichterstattung zu nennen, fällt schwer, eher war es Realsatire) lag allein in der hohldrehenden Übertreibung und Zuspitzung, im beständigen Weiterspinnen des Ärgers vom Anfang, bis sich alles so weit vom Tatsachenkern entfernt hatte, dass nur noch inszenierte Fantasien einer angeblichen Mutterfeindschaft der ARD übrig geblieben waren. Medienjournalismus als Verschwörungslegende.

    Über 60 Jahre alt ist die Hassliebe, die “Bild” mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk verbindet. Und das hat grundlegend mit Axel C. Springer zu tun. Seit den 1960er Jahren drängte der Zeitungsverleger zusammen mit anderen ins Fernsehen, antichambrierte bei der konservativen Politik, ihm doch endlich eine Rundfunklizenz zu erteilen. Bekanntlich dauerte das noch ein Vierteljahrhundert, und es waren andere private Medienunternehmer als Springer, die ab Mitte der 1980er Jahre den Zuschlag erhielten.

    Unliebsame Wettbewerber
     
    Aber das konnte Springer damals noch nicht wissen. Immer wieder rannte er gegen die Bastion der gebührenfinanzierten Sender an. ARD und ZDF, unliebsame Wettbewerber, die sie waren, sollten vom Markt verdrängt, ihr Einfluss auf die Meinungsbildung mindestens beschnitten werden. Dafür wurden die eigenen Blätter eingesetzt, aber nicht nur die. Im Jahre 1967 deckte der “Spiegel” gar eine Spionage-Affäre auf, die sich seit Herbst 1966 gegen das ZDF gerichtet hatte, initiiert vom damaligen Springer-Chefjustiziar Hermann Ferdinand Arning: Produktionelle Fehlkalkulationen und andere “Wirtschaftsvergehen” innerhalb der Fernsehanstalt sollten dokumentiert werden, um die Ministerpräsidenten der Länder dazu zu bringen, das ZDF vielleicht doch noch den Zeitungsverlegern zu überlassen. Selbst vor dem Privatleben von ZDF-Mitarbeitern wurde nicht haltgemacht, Auszüge aus Strafregistern sollten besorgt werden.

    Natürlich entsprang diese Feindschaft ökonomischem Kalkül: Springer wollte an die Werbegelder ran, die damals noch reichlich auch an ARD und ZDF flossen. Für dieses medienpolitische und medienwirtschaftliche Ziel setzte Springer ungeniert auch seine Blätter ein, allen voran “Bild”, damals noch ein echtes Massenblatt mit einer Auflage von mehr als vier Millionen Exemplaren täglich. Und da zeigte sich dann in dem Hass, dem kritischen Furor, auch die Liebe, die journalistische Abhängigkeit von den tatsächlichen oder vermeintlichen Fehlleistungen der anderen.

    “Der Fernseher ist der Dumme” – mit dieser Schlagzeile vom 19. Dezember 1960 begann eine Kampagne, mit der “Bild” die Fernsehambitionen des Verlegers zu unterstützen suchte. Die Zeitung spielte sich als “Anwalt des Zuschauers” auf, der von ARD und ZDF betrogen werde. “Diese publizistische Linie war gekennzeichnet von Verzerrungen, Übertreibungen und Falschdarstellungen und einem allgemeinen Mangel an Differenziertheit.” Nicht von ungefähr erinnert dieses präzise beschreibende Zitat an das aktuell aufgeführte Mutterdrama und die gewöhnliche “Bild”-Berichterstattung über den “ÖRR”, wie “Bild” gern abkürzt, offenbar, um ein angebliches Bürokratiemonster zu markieren. Doch das Zitat stammt aus einem zwanzig Jahre alten pressehistorischen Fachbuch “Das Privatfernsehen, der Axel Springer Verlag und die deutsche Presse”. Autor ist Florian Kain, heute ironischerweise leitender Politikredakteur bei “Bild”. Auf ihn wird zurückzukommen sein.

    Eine ähnliche wettbewerbspolitische Instrumentalisierung von “Bild” wie in den 1960er Jahren konnte beobachtet werden, seit der ehemalige Chefredakteur Julian Reichelt ab Anfang 2020 “Bild Live” aufzubauen versuchte. Meine Befragung von 43 “Bild”-Journalistinnen und -Journalisten hat gezeigt, dass die Neulinge natürlich stark mit dem Platzhirsch, dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen, beschäftigt waren, im Negativen wie im Positiven.

    Phantomschmerz der Redaktion
     
    Kritisch wurde auf das geblickt, was ARD und ZDF in der Krisenberichterstattung leisten oder eher nicht leisten. Die Verständlichkeit der “Tagesschau” wurde von einem in Zweifel gezogen, ein anderer aber fühlte sich von dieser Nachrichtensendung immer noch besser informiert als von “Bild Live”. Ein Dritter schließlich träumte davon, “Bild”-exklusive Politiker-O-Töne eines schönen Tages an die “Tagesschau” verkaufen zu können.

    Nun, wir wissen, was daraus geworden ist. Laut “Manager Magazin” hat Springer allein 2021 25 Millionen Euro bei “Bild Live” verbrannt. Heute werden nur noch fünf Minuten lange “Bild News” ausgestrahlt, das übrige Programm besteht aus angekauften Dokumentationen, vorzugsweise aus der Welt von Technik (“Gigant aus Stahl”) und Krieg (“Die Welt in Flammen”).

    Eine Resterampe also, die man beim TV-Publikum und auf dem Werbemarkt nicht mehr durchsetzen kann. Axel Springers alter Traum vom Fernsehen ist also wieder mal geplatzt. Dennoch schießt “Bild” weiterhin scharf auf den Nicht-mehr-Konkurrenten (und tut dies auch auf seinem YouTube-Kanal mit immerhin 1,44 Millionen Abonnenten). Warum das? Wir können nur spekulieren. Vielleicht ist es eine Art Phantomschmerz der Redaktion, die mit ihrer von Reichelt oktroyierten Fernsehambition so krachend gescheitert ist.

    Aber es gibt noch einen zweiten, handfesteren Grund. Er nennt sich Boulevardjournalismus. Denn “Bild” konnte über die Jahrzehnte immer vorzüglich mit und vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen leben, weil dieses immer wieder für boulevardtaugliche Stoffe sorgte, die sich vorzüglich ausschlachten ließen – Stars und Sternchen, ihre Erfolge, Affären und gern auch Schicksalsschläge und dann natürlich das Agieren der Anstalten und ihrer Hierarchen, der Rotfunk und die sogenannte Gebührenverschwendung.

    “Protest-Welle gegen das Fernsehen!” / “Stoppt den Hochmut der Fernseh-Sender!” / “Fernsehen macht keinen Spaß mehr!” / “Finger weg vom Fernseh-Geld!” / “Das Fernsehen spart falsch” / “Freie Wahl auch am Fernsehschirm!” / “Wo bleibt das private Fernsehen?”

    Diese Schlagzeilen, so alt sie sind, ähneln mit ihrer Färbung und Stoßrichtung ganz stark dem, was man heute bei “Bild” über ARD und ZDF zu lesen bekommt. Wieder entnehmen wir sie dem 2003 erschienenen Buch von Florian Kain. Eigentlich haben sich Medienkritik und Medienjournalismus ja während der vergangenen 50 Jahre modernisiert, Recherche ist heute wichtiger als das bloße Meinen, belegbare Fakten zählen mehr als willkürliche Geschmacksurteile über gutes oder schlechtes Fernsehen. Bei “Bild” ist das anders. Das Boulevardmedium bleibt sich gleich und hat die journalistische Modernisierung nicht mitgemacht. Es ist noch immer ganz alten Mustern verhaftet.

    Der RBB-Skandal als Steilvorlage
     
    Als Anfang August vergangenen Jahres die Schlesinger-Affäre rund um den RBB losbrach, war “Bild” in der Empörungswelle vorne mit dabei. Verständlicherweise übrigens, um hier nicht missverstanden zu werden: Denn die zunächst von der Springer-Onlinepublikation “Business Insider” aufgedeckten Fälle von Missmanagement und Geldverschwendung waren ja wirklich so erheblich, dass die größtmögliche medienkritische Empörung eine notwendige Reaktion war. Und es war nur natürlich, dass “Bild” die krassen Fälle individuellen Fehlverhaltens auf der Führungsebene des RBB boulevardtypisch skandalisierte: “Hemmungslose Luxus-Gier” und “Raffen Bereichern Belügen” – so zwei Schlagzeilen vom 8. August 2022, die zweite, Achtung Wortspiel, war natürlich dem Kürzel RBB nachempfunden.

    Diese Skandalberichte waren also das Gebot der Stunde, sie sind auch in ihrer Schärfe nicht zu beanstanden und von der Pressefreiheit sowieso gedeckt. Aber man sollte auf die Details blicken, auf Sprache, Machart und Funktion. “Bild” nutzt in solchen Fällen gern angestaubte und moralinsaure Vokabeln wie “pikant”, “peinlich”, “absurd” und überhöht die eigene Rolle als Rächerin der betrogenen “GEZ”-Zahler:innen. “Nachdem ‘Bild’ gestern den RBB und Frau Schlesinger mit ihrer Protz-Liste konfrontierte, um Antworten bat, trat sie von ihrem RBB-Posten ab”, prahlte Florian Kain in einem Kommentar vom 8. August. Ganz so, als habe die “Bild”-Anfrage, vor deren Wucht Schlesinger nur erzittern konnte, unmittelbar zur Rücktrittsentscheidung geführt.

    Da war er also wieder, der frühere Autor eines Springer-kritischen Buches. Kain hat eine erstaunliche Karriere hingelegt: Nach journalistischen Anfängen bei der “Hörzu” promovierte er an der Universität Hamburg in Medienwissenschaft. Seine Dissertation schrieb er – pikanterweise, wie es in “Bild” wohl heißen würde – über die Geschichte des ZDF 1977 bis 1982, dabei gefördert von einem Dieter-Stolte-Stipendium.

    Der Mann kennt sich also aus, sollte man meinen. Zumindest kann er, über die skandalisierten Einzelfälle von Fehlverhalten hinaus, auch grundsätzlich werden. Das tat er am 22. März in einem Vierspalter, der überschrieben war: “ARD und ZDF sollen Milliarden einsparen”. Der Artikel knüpfte an die Reformdebatte um den ORF an. Daraus leiten bei Kain drei Politiker die sinngemäße Forderung ab, wenn der ORF mit weniger Geld auskomme, müsse dergleichen auch in Deutschland möglich sein. Drei Politiker, zwei aus der FDP, einer aus der CSU. Auch das ist eine inhaltsanalytische Konstante und sicher kein Ausweis politischer Vielfalt: Wenn sich “Bild” nach opportunen Zeugen für eine steile These umsieht, wird vorzugsweise bei Repräsentanten von Union und FDP gesucht. SPD, Grüne, die Linke gar scheinen in Sachen Medienpolitik nicht sprechfähig zu sein.

    Manipulative Befragung
     
    “TV-Gebühren runter – wie in Österreich!” forderte am 25. März auch Albert Link und bediente wie so häufig in “Bild” den populistischen Kampfbegriff “Zwangsgebühren”.

    “Fette Schelle für die Zwangsgebühr” – die am 11. April auf Bild.de und am 12. April in der Zeitung präsentierten Ergebnisse einer von “Bild” in Auftrag gegebenen INSA-Umfrage sollten belegen, dass “die große Mehrheit der Deutschen” deutlich weniger bis gar nichts für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zahlen will. War die Umfrage repräsentativ? Keine Angabe dazu. Die aufgezählten Einzelabfragen (“13 Prozent würden bis zu 4,99 Euro berappen”) lassen jedoch erahnen, wie manipulativ hier gefragt wurde.

    Drohung am Horizont: Die “Rundfunkführer” (sic!) planten trotzdem, den “Zwangsbeitrag” auf bis zu 25,19 Euro nach oben “zu schrauben”. Dass da eine unabhängige Kommission namens KEF ein Wörtchen mitzureden hat, weiß man natürlich auch in der “Bild”-Redaktion. Doch passt dieses Detail hier nicht ins Konzept.

    “Runter mit den Gebühren!” forderte denn auch Hans-Jörg Vehlewald, beginnend mit einer kleinen Anerkennung und dann bei einem Schreibfehler endend: “Manches ist gut gemacht. Anderes überflüssig, belehrend, sprachpolizeilich und auffallend regierungstreu. Darauf achten schon die 16 Länder-Regenten und ihre Aufpasser in den Greminen.” Staatsfunk also, rechtes Narrativ.

    Rückblende Januar 1962: “Bild” ging damals zu einem “offensiven Feldzug gegen das öffentlich-rechtliche Fernsehen über, für den ein signifikant appellativer Impetus und die Aneinanderreihung negativ konnotierter Termini charakteristisch waren. Was Bild betrieb, war eine hochwirksame Form von Meinungs- und Mobilisierungsjournalismus”. Das könnten wir für die heutige Zeit nicht besser sagen. Das Zitat stammt wiederum vom heutigen “Bild”-Redakteur Kain aus seinem noch immer lesenswerten Fachbuch von 2003.

    Beitrag zur Neiddebatte
     
    Seit dem RBB-Skandalsommer 2022, 60 Jahre später also, lebt “Bild” wieder gut vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Der liefert ja tatsächlich den Stoff, aus dem die starken Boulevarstorys gemacht sind. Die Berliner Steilvorlage wird seither in Serie verwandelt. Also wurde auch der NDR durchgenommen, der angebliche politische Filter im Funkhaus Kiel (“Der nächste ARD-Skandal!”, 2. September 2022), die mutmaßliche Vetternwirtschaft in Hamburg (“Mitarbeiter-Aufstand gegen NDR-Intendant”, 8. August 2022). Für “Bild” war klar: Hier musste Remedur geschaffen werden.

    Im Weiteren ging es auch um die Dienstlimousinen anderer Chefs und um ihre Chauffeure (25. August 2022), um die üppigen Pensionen und vieles andere mehr. Beim “Pensions-Paradies ARD” (17. September 2022) wurde das textliche Framing (Überversorgung) illustrativ verstärkt: Die “Bild”-Leserschaft bekam Lutz Marmor, Jörg Schönenborn, Tom Buhrow und Karola Wille ausschließlich in festlicher Kleidung und gelöster Stimmung zu sehen. Keine Text-Bild-Schere also, denn man sollte offenbar sehen: Die genießen ihr Leben! ÖRR-Kritik bei “Bild” ist eben immer auch ein Beitrag zur Neiddebatte. Passend dazu wurden Leserbriefe ausgewählt: “Es wird allerhöchste Zeit, diesem Selbstbedienungsladen den Garaus zu machen.”

    Den Garaus! So geht es bis in die jüngste Zeit. Immer wieder geht es dabei um die überhöhten Hierarchengehälter. Schlesinger “will mehr Rente als Angela Merkel“, rechnete “Bild” am 25. Februar vor und lieferte am 4. März eine tabellarische Übersicht zu Intendantengehältern: “ARD-Sparkurs? Viele Chef-Gehälter stiegen!” “Gefeuerter RBB-Direktor will 1,2 Mio. von unseren Gebühren!”, empörte sich “Bild” am 28. März über den Fall Augenstein. “Prüfer sicher: Luxusreisen auf Gebührenzahler-Kosten”, hieß es am 8. April.

    Gunnar Schupelius (“Halbiert die Gehälter der ARD-Bosse!”) empörte sich am 3. März über das Gehalt von Kai Gniffke, der in einer (wenig gelungenen) Diskussion bei “Zapp” gesagt hatte, er zerreiße sich das letzte Hemd für den SWR: “Nun zerreißen sich allerdings auch andere das letzte Hemd und sind immer im Job und verdienen dennoch keine 361.000 Euro pro Jahr, sondern zehnmal weniger. Warum also regnet bei Gniffke das Geld vom Himmel, mit welchem Recht bekommt er es? Gniffke schweigt, lenkt ab: ‘Da müssen Sie den Verwaltungsrat fragen.'” Am selben Tag war auch Filipp Piatov, unter Julian Reichelt noch Meinungschef, jetzt laut Impressum “Ltd. Redakteur Digital”, auf Gniffke eingestiegen: “ARD-Chef rastet im TV aus!” TV stimmt nicht so richtig, diesen “Zapp Talk” gibt es nur auf YouTube.

    Wirbel im Kopf des Autors
     
    Aber mit solchen Feinheiten muss sich “Bild” nicht aufhalten. Schon seit absehbar war, dass Gniffke neuer ARD-Vorsitzender werden würde, schoss sich “Bild” auf ihn ein: “So blamierte sich der neue ARD-Chef”, war ein Dreispalter am 16. September 2022 überschrieben. Im Bild zu sehen: ein lachender Gniffke zusammen mit Judith Rakers, Foto sechs Jahre alt. An drei Beispielen aus Gniffkes Zeit als Chefredakteur von ARD Aktuell wurden journalistische Fehlentscheidungen behauptet – Chefkritik aus dem Archiv.

    Dass Gniffke SPD-Mitglied ist, wurde vom Nikolaus Harbusch, “Chefreporter”, am 17. September 2022 zu einem “Wirbel” erklärt. “Wirbel” ist der typische Anlauf eines “Bild”-Aufregers. Damit man nicht erkennt, dass der Wirbel oft nur im Kopf des Autors stattfand, werden garnierend die schon erwähnten opportunen Zeugen gesucht, die das angebliche Skandalon bezeugen. In diesem Fall war es ein früherer FDP-Politiker und Ex-Landesbeauftragter der rechtslastigen Schill-Partei, der heute einem wenig bekannten Verein namens Cleanstate vorsteht. Der Mann ist von Haus aus Ingenieur und war mal vor einem Vierteljahrhundert Honorarprofessor an der Universität Hannover – den Titel “Prof.” nimmt “Bild” immer noch gern, um vorzuspiegeln: Der Mann hat Ahnung.

    Nachdem Gniffke gegen Jahresende 2022 in einem “Spiegel”-Interview über das nahende Ende des linearen Fernsehens und eine Zukunft als öffentlich-rechtliche Streamingplattform nachgedacht hatte, machte “Bild” daraus eine “TV-Kapitulation” und knüpfte in der weiteren Wortwahl an die Erinnerung seiner älteren Leserschaft an: “Neuer ARD-Chef sagt Ende der Flimmerkiste voraus”. So weit boulevardtypisch und erlaubt. Aber es folgte mal wieder ein Beispiel für schlechten Journalismus. Denn noch vor jedem Gniffke-Zitat zur Sache kommentierte Autor Harbusch, das dann folgende Zitat quasi anmoderierend: “Er möchte die TV- und Radiosender zu einer politisch korrekten Internetbude ummodeln – als Gegenmodell zu Amazon, Tiktok und Spotify”.

    Medienjournalismus bei “Bild” ist also durch und durch tendenziös. Wird über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk berichtet, werden die Fakten meist selektiv ausgewählt und die Belastungszeugen passend zum schon feststehenden gestrengen Urteil ausgewählt. Das ideologische Framing in Sprache und Illustrierung sorgt für eine Konfektionierung, damit es auch noch der letzte versteht und keine Zweifel bleiben.

    Dabei braucht es gar nicht mal Größte Anzunehmende Unfälle wie die zahlreichen Skandale rund um den RBB. Der fundamentalen Opposition von “Bild” gegen ARD und ZDF genügen auch geringere Anlässe – ein missglückter Welke-Sketch, Böhmermanns Provokationen, angebliche Regierungshörigkeit in der Corona-Berichterstattung, “Gender-Gaga”, Wokeness und Gutgläubigkeit gegenüber Klima-Aktivisten, herbeifantasierte Manipulationen in der Wahlkampfberichterstattung, Durchlässigkeit für islamistische Propaganda und Kritik an der Polizei (“Gebührenfinanzierter Hass”, 17. August 2020) – über die Jahre lassen sich hier mannigfaltige und wiederkehrende Beispiele finden. Der Blick von “Bild” auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist ideologisch fixiert, Nuancen interessieren nicht, die Schlagzeile gipfelt am besten in einem Pejorativum.

    Die Freunde
     
    Aber berichtet “Bild” denn wirklich nur negativ über das Management und die Programmangebote des öffentlich-rechtlichen Systems? Nein. Das Unterhaltungsfernsehen und seine Protagonisten bekommen immer mal wieder hübsche Ankündigungsgeschichten vor der Sendung. Thomas Gottschalk gehört sowieso zu den “Freunden des Hauses”, wie das redaktionsintern genannt wird. Die “TV-Legende” wurde schon am 19. Mai 2021 als rundfunkpolitischer Experte eingeschaltet: “Gottschalk sieht letzte Chance für ARD und ZDF”.

    Das ZDF übrigens wird tendenziell besser behandelt als die ARD, was möglicherweise auch auf die jahrzehntelange Kooperation bei der Spendenshow “Ein Herz für Kinder” zurückzuführen ist. Nur Jan Böhmermann wird, wo immer möglich, frontal attackiert.

    Manchmal haben sogar ARD-Intendanten gute Presse. Nach seiner sogenannten Privatmann-Rede im Hamburger Übersee-Club hat “Bild” zustimmend über Tom Buhrow berichtet. Für ihn gab es sogar, wohl auf Anfrage, “Lob vom Finanzminister!”. Follow-up am 5. November 2022: “Zustimmung zum Vorstoß von ARD-Chef Buhrow”. In einer wohlgemerkt: nicht repräsentativen Umfrage unter “Bild”-Lesern hatten angeblich vier von fünf geäußert: Ja, ARD und ZDF zusammenlegen! In Wahrheit hatte Buhrow einer Fusion so explizit nicht das Wort geredet.

    Schon etwas mehr als vier Wochen später war Buhrow zum “Verlierer des Tages” auf Seite eins abgerutscht, weil er bei einer Anhörung im Berliner Abgeordnetenhaus gesagt haben soll, die Rundfunkbeiträge würden auch in Zukunft steigen. Daraus machte “Bild”, Buhrow wolle “die Bürger bei den öffentlich-rechtlichen Zwangsgebühren noch weiter schröpfen” (15. Dezember 2022). Und auf der Berlin-Seite derselben Ausgabe: “ARD-Boss verteidigt Mega-Gehälter”. Das erinnert an das Springer-Chef Mathias Döpfner zugeschriebene Bonmot: Wer mit “Bild” im Aufzug nach oben fährt, der fährt mit ihr im Aufzug auch nach unten. Tom Buhrow hat es erlebt.

    Zur Kasse gezwungen
     
    Der Rundfunkbeitrag wird von “Bild” konsequent als Belastung der Bürgerinnen und Bürger geframt. Als seine Erhöhung 2020 auch CDU-intern umstritten war und beinahe die Landesregierung von Sachsen-Anhalt gesprengt hätte, fragte “Bild” am 6. Dezember 2020: “Zerlegt sich die CDU wegen 86 Cent?” Die Überschrift war gar nicht gut gewählt, denn natürlich wollte “Bild” gerade nicht den Eindruck von Peanuts erwecken. Bild.de verwandte sogar mehr als 7.000 Zeichen darauf, dem eigenen Publikum den parteiinternen Streit zu erklären. Die ganz untypische Länge des Berichts zeigte die Wichtigkeit an, die die Redaktion dem Thema beimaß.

    Für Boulevardjournalismus ist typisch, dass er es an Respekt auch für höhere Instanzen fehlen lässt. Nachdem das Bundesverfassungsgericht im Sommer 2021 einer Klage von ARD, ZDF und Deutschlandradio gegen die von Sachsen-Anhalt verweigerte Zustimmung zur Beitragsanhebung stattgegeben hatte, schoss “Bild” gegen das Bundesverfassungsgericht: “Von diesem Richter werden wir zu Kasse GEZwungen”, hieß es wortspielerisch am 6. August 2021.

    Autor Hans-Jörg Vehlewald sah voraus: “Dieses Urteil kostet uns alle viel Geld (zusätzlich rund 400 Mio. Euro/Jahr). Und es wird noch hohe Wellen schlagen!” Die negative Bewertung folgte sofort danach, noch vor weiterer Sachinformation: “Verfassungsexperten wie Ex-Bundesminister Rupert Scholz (84) halten den Richterspruch für ‘nicht schlüssig’, sehen darin sogar eine Gefahr für die deutsche Demokratie!” Eine Nummer kleiner ging es wohl nicht. Und natürlich ist der Plural “Verfassungsexperten wie” eine unbewiesene Behauptung, denn “Bild” führte ja nur einen an.

    Man trifft das System am besten, wenn man auf die Menschen zielt – auch das eine alte Technik des Boulevardjournalismus. Vehlewald ging denn auch Stephan Harbarth, den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, persönlich an. Abschätzig nannte er ihn “Merkels Mann in Karlsruhe”, suggerierte, er sei ein Abgesandter im Regierungsauftrag, seine richterliche Unabhängigkeit fragwürdig: “Richter sollten den Eindruck von Befangenheit stets vermeiden. Leider gelingt das dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth (49, CDU), nicht immer. Der Ex-Unions-Vize im Bundestag gilt bis heute als Merkel-Fan. Er besuchte die Kanzlerin noch Ende Juni mit Richtern beider Senate im Kanzleramt zum Dinner. Harbarth schmetterte sämtliche Anträge gegen Merkels Ausgangssperren (‘Bundesnotbremse’) ab.”

    Der Presserat hat diesen Artikel als Verstoß gegen Ziffer 1 des Pressekodex (wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit) gerügt (und immerhin steht diese Rüge heute als Disclaimer unter dem online verfügbaren Artikel). Tatsächlich handelte es sich hierbei um ein besonders bedenkliches Beispiel für die grassierende populistische Diskreditierung des Ansehens von gesellschaftlichen Instanzen und Autoritäten. In der deutschen Rundfunkpolitik wird ja seit Längerem gefragt, was eigentlich geschieht, wenn höchstrichterliche Urteile aus Karlsruhe nicht mehr respektiert werden oder unter dem Druck des politischen Klimas auch mal anders ausfallen.

    “Bild” hat schon mal vorgefühlt und am Lack des Bundesverfassungsgerichts gekratzt. Die Harbarth-Invektive nahm fast die gesamte Seite 2 ein und wurde von zwei weiteren Artikeln flankiert. Einer war “Von wegen ausgewogen! So tendenziös berichten ARD und ZDF” überschrieben. Die Belege in diesem rot unterlegten Sechsspalter waren fast nur verunglückte Tweets einzelner Redaktionen oder gar nur einzelner Journalist:innen – nichts aus dem Programm. Dieses Beispiel zeigt die inhaltliche Schwäche der “Bild”-typischen ÖRR-Kritik: Zufällig aufgefundene Partikel ohne Relevanz sollen herhalten für einen fragwürdigen Kulturkampf.

    Tonlage eines Wutbürgers
     
    Peter Tiede, auch er ein Chefreporter wie Harbusch und Vehlewald, machte am nächsten Tag gleich weiter und schäumte in der Tonlage eines Wutbürgers gegen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts: “16 Orchester, Gender-Gaga, Schlagseite nach links … Und das alles und noch viel mehr ist jetzt: HEILIG, HEILIG, HEILIG? Ich habe Puls bis an die Schädelplatte …” (7. August 2021).

    Vermutlich glaubte Tiede, seinen Lesern aus dem Herzen zu sprechen. Ganz im Sinne des schon zitierten Leserbriefs: “Es wird allerhöchste Zeit, diesem Selbstbedienungsladen den Garaus zu machen.”

    Foto: Jörg Carstensen / dpa / Picture Alliance)

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