Der Club der Meinungsmacherinnen.

Thomas Voigt bei turi2:

  • Wir graturilieren den Geburtstagskindern am Wochenende.

    Wir graturilieren den Geburts­tags­kindern des Wochen­endes: Am Samstag feiert Thomas Voigt, Kommunikations­chef der Otto Group, seinen 64. Geburts­tag. Fußball­spieler Mats Hummels wird 35. Julia Klöckner, Wirtschafts­politische Sprecherin der CDU/CSU Bundes­tags­fraktion, begeht ihren 51. Ehren­tag. Die Schnaps­zahl geht an Nikolaus Förster, Verleger und Heraus­geber des Unter­nehmer-Magazins “Impulse”, der am Sonn­tag 55 wird.

  • Aus Liebe zum Radio – Stefan Müller über Musiksendungen zwischen Kuration und KI.


    Von Hand ausgewählt: Vor 40 oder 50 Jahren war Radio “das junge Medium schlechthin”, vor allem wegen der Musik­sendungen, schreibt Stefan Müller bei
    epd Medien. Der freie Radio­journalist und Moderator bedauert, dass die von Musik­redakteuren und Musik-Kennerinnen moderierten und kuratierten Radio­sendungen immer seltener werden – auch bei öffentlich-rechtlichen Wellen. Anlässlich des Jubiläums 100 Jahre Radio in Deutschland blickt Müller auf legendäre Radio-DJs der 70er und 80er zurück, spürt die Perlen der Autoren­sendungen auf und fragt, welche Rolle KI künftig spielen wird. turi2 veröffentlicht seinen Beitrag in der Reihe Das Beste aus epd Medien bei turi2.

    Von Stefan Müller / epd Medien

    Elke Heidenreich denkt noch heute gern zurück an ihre Zeit beim Südwestfunk: “Diese Art von Radio gibt es heute nicht mehr. Und auch nicht mehr diese Art von Zusammenhalt.” Die Moderatorin gehörte Mitte der 70er Jahre zu den Gründungs­mitgliedern der Popwelle SWF3. Als Kind hatte sie das Radio der Nachkriegs­zeit aufgesogen: “Jeder hatte damals seine Lieblingssendung”, sagt sie in dem Buch The Last DJs von Thomas Kraft. Der erste DJ, den sie damals im Radio gehört habe, sei Chris Howland gewesen. Der habe als Mister Pumpernickel nicht nur “witzig moderiert, sondern auch die Songtexte übersetzt, was ich sehr wichtig fand”.

    “Wir müssen Musik als etwas begreifen, das uns ganz tief aus der der Seele, aus der Erfahrung und Historie erzählt”, erzählt Judith Schnaubelt vom “Zündfunk” im BR-Podcast Radio-DJs. Auch Gitti Gülden schwärmt in “The Last DJs” vom Medium Hörfunk: “Als DJ kann man hinter der Musik verschwinden, deshalb ist Radio auch so schön.” Sie saß einige Jahre in Berlin vor dem Mikrofon, die legendäre Show hieß in den 70er Jahren “S-F-Beat”. Bis 2020 war sie später bei den “Nachtclub Classics” auf NDR Blue zu hören.

    Ihre Kollegin Monika Dietl war auf SFB2 Ende der 80er Jahre eine der ersten Radio-DJs, die konsequent elektronische Musik und den frühen Technosound spielten – ihr Erkennungszeichen, vorgetragen mit dezentem fränkischem Akzent: “Shut up and dance”. Das war Kult in West- und Ostberlin.

    Auch der DDR-Jugendsender DT64 mit seiner ganz besonderen Musikauswahl wurde während der Wendezeit als sinnstiftend wahrgenommen. Das zeigten spätestens die Demonstrationen, die sich Anfang der 90er Jahre für seinen Erhalt einsetzten. DT64 brachte skurrile Radio-DJs hervor: Die “lebende Repetiermaschine” Rex Joswig von der Band Herbst in Peking durfte mehrere Jahre lang in der Sendung “Grenzpunkt Null” Dub- und Reggae­klänge mit “spoken words” kombinieren. Sphärische Musik von Adrian Sherwood und Filmsoundtracks trafen dort auf Texte von William S. Burroughs, Dylan Thomas oder Nietzsche. Auch das war Kult. Oder, wie Rex es nannte: “Musik für die geschundene Seele.”

    Der ehemalige Radio-DJ Roderich Fabian sagt von sich, er sei 1987 der Erste gewesen, “der eine ganze Stunde Hip-Hop gemacht hat”. Nach 35 Jahren im “Zündfunk” des Bayerischen Rundfunks hat sich Fabian im Juni in den Ruhestand verabschiedet. Radio sei für ihn schon im Alter von zehn Jahren das wichtigste Medium gewesen, sagte Fabian in der Abschiedssendung. Zum BR kam er über seine Plattensammlung.

    Bemerkenswert ist, dass der BR auch nach der Einführung des jungen Radiosenders Puls noch an der täglichen jugend- und popkulturellen Sendestrecke Zündfunk bei Bayern 2 festhielt. Derzeit wird dort über Änderungen im Programmschema diskutiert. Nach epd-Informationen könnte der “Nachtmix”, der vom “Zündfunk”-Team gestaltet wird, gestrichen werden. Hintergrund ist eine ARD-interne Planung, nach der ab Juli 2024 zwischen 20 und 24 Uhr jeweils vier Stunden musikjournalistisches Radio von vier Sendern gemeinsam gestaltet werden soll. Nach epd-Informationen handelt es sich um Radioeins vom RBB, MDR Kultur, Bayern 2 sowie Bremen Zwei. Die Details, welche Autoren­sendungen dadurch gestrichen werden könnten, sind noch nicht bekannt.

    München war seit den 60er und 70er Jahren ein Mekka für Radio-DJs: Blacky Fuchsberger und Ingeborg Schober moderierten beim BR, später auch Thomas Gottschalk. Im BR-Retropodcast über “70 Jahre Radio-Djs im Bayerischen Rundfunk” lassen sich die Anfänge dieser und anderer Diskjockeys nachhören, gespickt mit Anekdoten der Frauen und Männer am Mikrofon.

    Im Deutschland der Nachkriegszeit waren die Klänge der britischen und amerikanischen Soldatensender AFN (American Forces Network) und BFN – später BFBS (British Forces Broadcasting Service) – essenziell. “Die Art und Weise, wie besonders die amerikanischen Radio-DJs ihre Sendungen moderierten und dabei eine vorher nie gehörte Musik spielten, war aufregend und sensationell neu”, analysiert der Münchener Autor und Radiofan Thomas Kraft in seinem im Oktober 2022 erschienenen Buch “The Last DJs. Wie die Musik ins Radio kam”.

    Werner Reinke erinnert sich in dem Buch an die frühen Jahre des Moderatoren­radios in Deutschland. Wie er zunächst, beeinflusst vom BFBS, in einer Delmenhorster Diskothek Singles auflegte, um dann bei Radio Bremen die Frühsendung als Urlaubsvertretung zu moderieren. Reinke wurde in den 70er Jahren vom damaligen HR-Unterhaltungschef Hanns Verres nach Frankfurt geholt. Sein Markenzeichen war ab 1974 die “Hitparade International” – verewigt auf Tausenden von mitgeschnittenen Kassetten der Babyboomer. Erzählt wird diese Geschichte im Dokumentarfilm Die alte Liebe – oder warum Herr Reinke zum Radio ging von Andreas Heller von 2020.

    Über seine Radioshows im “ARD-Nachtrock” und später im “Nightflight” war der gebürtige Brite Alan Bangs viele Jahre jungen deutschen Radiohörern ein Begriff. Er moderierte mit coolem englischen Akzent. Seinen eklektischen Stil umriss er so: “Ich möchte Leute hören, die sich für bestimmte Sachen interessieren, die sich die Mühe machen, Sachen zu finden, die ich vielleicht sonst nicht hören würde. Die Stücke spielen, weil sie meinen, dass andere Menschen sie einfach hören müssen.”

    Jazz, Reggae, Rhythm and Blues, Rock, Punk, Grunge und später Elektronik: Breit angelegte populäre Musik auch jenseits der Charts zu spielen und zu übertragen, war jahrzehntelang eine unverzichtbare Angelegenheit im Hörfunk. Auf den populären Wellen erreichten Sendungen wie “Rock’n’Jazz” von Guenter Hottmann oder “Der Ball ist rund” mit Klaus Walter sowie der “Kramladen” von Volker Rebell am Abend im HR3-Popformat mehr Hörerinnen und Hörer als auf einer Kulturwelle. Es gibt keine Zahlen dazu, wie viele Menschen über die Jahrzehnte musikalisch von den engagierten Radio-DJs sozialisiert worden sind. Aber es gab viele bleibende Hörerlebnisse und vielleicht so etwas wie “Hörkompetenz”.

    Die Genres wurden vielfältiger, die Radiosender ebenfalls. Die 60er und 70er Jahre waren im Rückblick betrachtet die produktivsten und wichtigsten für die Autoren­sendungen von Radio-DJs. In den 80ern gingen in Deutschland die Privatradios an den Start, aber auch Dutzende nicht­kommerzielle Lokalradios. Deren Macherinnen und Macher füllten musikalische Lücken im vorhandenen Angebot.

    Ab Ende der 90er Jahre erlebten Webradios von engagierten Musikfans einen Boom, angetrieben durch das Format MP3 sowie immer schnellere Internet­übertragungen. Inzwischen gibt es unzählige Webformate, darunter auch qualitativ hochwertige Angebote wie Bandcamp Radio vom gleichnamigen Musik-Digitalshop.

    Spezialisierte Angebot lassen sich auch bei DAB+ finden, dazu zählt unter anderem der Mannheimer Anbieter Sunshine Live, der von der Medien Union Ludwigshafen betrieben wird, mit elektronischer Musik sowie das 80s80s Radio von Regiocast, dessen “80s80s Listening Session” mit Sebastian Voigt und Christian Panck in der neuen Kategorie “Bestes Musikformat” für den Deutschen Radiopreis nominiert war.

    100 Jahre nach der ersten Hörfunksendung aus dem Berliner Vox-Haus im Oktober 1923 wünscht sich eine Leipziger Initiative einen neuen bundesweiten öffentlich-rechtlichen Musiksender. Motto und zugleich Fragestellung von Melanie Gollin und Martin Hommel: Wo ist hier der Krach? Ihr Wunsch: ein Musikradio nach dem Vorbild von BBC Radio 6 in Großbritannien oder auch FM4 in Österreich: “Ein Sender, dessen Aufgabe es ist, das Land mit interessanter Musik zu versorgen, Hörkompetenz zu bilden und Hörgewohnheiten herauszufordern.”

    Aber gibt es solche Sender nicht längst mit Deutschlandfunk Kultur und Deutschlandfunk Nova, Zündfunk, WDR 3, Radioeins oder dem vor allem aus Mitgliedsbeiträgen finanzierten ByteFM? Gollin und Hommel sind skeptisch: “Die wenigsten Radiosender erlauben sich noch Autorensendungen”, sagen sie, “also Sendungen, in denen die Moderatoren selbst aussuchen, was sie spielen. Daher wird persönliche Kuration immer seltener. Und das, obwohl sie relevanter denn je sein sollte.”

    Anke Mai, Programmdirektorin Kultur, Wissen, Junge Formate beim SWR und derzeit Vorsitzende der ARD-Audio­programm­konferenz, verweist auf die zahlreichen ARD-Hörfunk­angebote. Generell sei dort “viel Musikprogramm abseits des Mainstreams zu finden”, sagte sie dem epd. Die Frage, ob die ARD einen bundesweiten Musiksender betreiben solle, stelle sich dem Senderverbund nicht, solange der Medien­staats­vertrag die ARD nur mit regionalen Radio­angeboten beauftrage.

    Als ByteFM vor 16 Jahren gegründet wurde, war der Sender zunächst ausschließlich im Internet zu hören. Inzwischen sendet das Musikradio in Hamburg auch auf UKW sowie in Hamburg und Berlin auf DAB+. Gründer Ruben Jonas Schnell, ein Musikjournalist, sagte dem epd, es gebe keinen anderen Sender, der sich ähnlich intensiv und rund um die Uhr mit Musik unterschiedlichster Genres beschäftige, neue und alte Bands in Relation stelle sowie Bekanntes neben Unbekanntem präsentiere.

    Schnell hat selbst lange für öffentlich-rechtliche Sender gearbeitet. Er sagt: “Für konventionelles, werbe­finanziertes Radio ist die persönliche Musikauswahl der Moderatoren nicht relevant.” Auch aus öffentlich-rechtlichen Sendern seien einige Radio-DJs mittlerweile zu ByteFM umgezogen. Entweder weil die öffentlich-rechtlichen Wellen Shows wie “Der Ball ist rund” von Klaus Walter trotz massiver Proteste einstellten. Oder weil sie das Projekt von Schnell brillant finden und zweigleisig fahren.

    Volker Rebell streamt seinen “Kramladen” (früher HR 3, jetzt ByteFM) inzwischen auch als Nonstop-Sendung im Internet. Sein jüngstes Thema: Die Tragödie um Sinéad O’Connor – Porträt und Nachruf. Als Podcast und im linearen Radio ist auch die Autoren­sendung Ex & Pop von Klaus Walter und Diviam Hoffmann bei WDR 3 zu hören. Sie beschäftigt sich unter anderem mit Themen wie “Sex positivity” oder “Sexploitation”. Eine der jüngeren Sendungen zu Musik und Groupies war laut Walter “unmöglich im Sinne von massen­kompatiblem Radio”. Er dankt seinem Redakteur Markus Heuger für den “Riesen­glücksfall”.

    Der ehemalige Musiker und langjährige Radio-DJ Klaus Fiehe gestaltet beim Jugendsender Einslive vom WDR seit 1996 eine sonntägliche dreistündige Sendung, die inzwischen auch in der ARD-Audiothek zu finden ist: Einslive Fiehe. Er setzt bei seiner Musikauswahl und Moderation auf den “Wundertüten­effekt” und spricht auch mal “Dinge an, die ich gar nicht auf dem Plan hatte”.

    Laut Fiehe gibt es in Sachen Musik “keine Wissens­vorsprünge mehr. Wir müssen anders glänzen!” Sein musikalischer Schatz besteht aus mindestens 40.000 Vinyl­platten. Er bestückt damit aber nur einen kleinen Teil seiner Sendungen, meist stellt er Neuerscheinungen vor, viele aus Großbritannien. Die ARD-Audiothek bewirbt Fiehes Sendung mit dem Satz: “Für viele ist er der deutsche John Peel, er selbst fühlt sich als ‘der Typ, der korrektes Zeug auflegt’.”

    Leider sind solche Sendungen in der ARD selten geworden. Das führt dazu, dass popkulturell sozialisierte Menschen abwandern und ihre Heimat immer häufiger in Musik­streaming­diensten mit ihren ausgeklügelten Algorithmen finden.

    Die ARD-Audiothek ist vor fast sechs Jahren angetreten, um den kommerziellen Streaming­anbietern wie Spotify, Apple Music, Tidal und Deezer Paroli zu bieten. Die Musiksendungen sind unter der Themenkachel Musik entdecken gebündelt. Dahinter verbergen sich viele Schätze von Hip-Hop bis Klassik und Jazz, aber die Kuration und die Auffindarkeit ist mitunter gewöhnungs­bedürftig und ausbaufähig. Auch Melanie Gollin und Martin Hommel finden die ARD-Audiothek zu umständlich. Dort sei es zwar möglich, Musikthemen zu finden, leider brauche es dafür aber zu viele Klicks. Die “BBC Sounds App” funktioniere da besser: “Mit nur einem Klick findet man den aktuellen Musik-Content.”

    Es gebe ein großes Interesse an gut gemachten Musik-Podcasts, an den Geschichten hinter den Alben, den Bands, den Musikerinnen und Musikern, sagt Anke Mai vom SWR. Mit dem Projekt “Audiothek Next” solle die App weiter­entwickelt werden. Ziel sei es, die ARD-Audiothek “zu einer der wichtigsten Audio­plattformen zu machen, was angesichts unseres großartigen und vielfältigen Contents eigentlich kein Problem sein sollte”. Aber natürlich hängt der Erfolg einer solchen Plattform auch von technischen Details und der Publikums­ansprache ab. Anke Mai gibt auch zu bedenken: “Lineares Radio spricht nach wie vor die meisten Menschen an.”

    Zugleich wächst aber auch das Interesse an der Audiothek. Die Zugriffszahlen stiegen nach Angaben von Mai von 5,56 Millionen Visits im Juli 2022 auf 8,49 Millionen im Juli dieses Jahres. Wenn die ARD die Audiothek auf das nächste Level heben will, ist dem Team um den Kanalverantwortlichen Thomas Müller vom SWR zu empfehlen, bei dieser Herkulesaufgabe auch Expertise von außen einzuholen.

    Die Audiothek des Deutschlandfunks setzt derzeit eher auf inhaltliche und magazinartige Empfehlungen sowie auf kleine Herzen, über die man zum Beispiel diverse “Musikthemen” abonnieren kann. Die persönliche Liste findet sich dann unter “Meine Podcasts”.

    Der Hamburger Radiomacher Marcus Maack, der auch als Programmierer tätig ist, wünscht sich “eine Audiothek, die Autoren­sendungen sender­über­greifend anbietet und dabei gut zu bedienen und leicht zu filtern ist. Neben den Sendungen sollten auch Informationen wie Titel­listen angeboten werden. Außerdem sollte die Möglichkeit bestehen, die Sendungen offline hören zu können”, sagte Maack dem epd.

    Musiksendungen nonlinear als Podcast anzubieten, war jahrelang aus rechtlichen Gründen eine schwierige Angelegenheit. Gema und GVL haben dazu inzwischen vertragliche Regeln vorgelegt, seither gibt es mehr moderierte Musik-Podcasts. Streaming-Platzhirsche wie Spotify haben trotzdem in ihrem umfangreichen Podcast-Portfolio keine kompletten Musiksendungen von Radio-DJs im Angebot. Dort wird stattdessen jetzt zunehmend mit künstlich erzeugten, KI-generierten Stimmen experimentiert.

    Der Erfolg von Spotify beruht auf Empfehlungs­algorithmen und den so erstellten Playlists. Durch Künstliche Intelligenz wird aus der Playlist eine “moderierte” Radioshow. Ein KI-DJ moderiert den nächsten Track an und gibt “persönliche Empfehlungen”. Das Feature ist bei Spotify in Deutschland derzeit noch nicht verfügbar, aber es wird die Nutzungs­gewohnheiten insbesondere der jüngeren Musikfans noch einmal grundsätzlich verändern.

    Für die Audioproduktion ist Künstliche Intelligenz ein wichtiges Thema, obwohl die Entwicklung noch ziemlich am Anfang steht. Mit frei im Internet verfügbarer Software wie Elevenlabs lassen sich Stimmen klonen. Könnte also eine markante Radiostimme wie die von Werner Reinke in Zukunft als KI-DJ zum Einsatz kommen, falls sich der Moderator irgendwann in den Ruhestand verabschiedet? Machbar wäre es. Er würde in diesem Fall rechtlich gegen den Einsatz seiner Stimme vorgehen, sagte Reinke dem epd.

    Die Technik, mit der sich synthetische Stimmen von existierenden Menschen erzeugen lassen, hat sich in den vergangenen Monaten rasant verbessert. Häufig genügt mittlerweile eine Viertelstunde Material, um eine Stimme zu klonen. Firmen wie Aflorithmic haben sich auf solche KI-Klone spezialisiert. Das Londoner Start-up von Unternehmer Björn Ühss hat für Entwickler “Audiostack” aufgesetzt, einen eigenen Wissenskanal. “Wir sind mitten in einer technischen Revolution”, heißt es in der Selbstdarstellung der Firma. Björn Ühss schwärmt bereits von synthetischen Moderatorinnen und Moderatoren, die ähnlich wie der KI-DJ von Spotify eine persönliche Musikauswahl für die Nutzer generieren.

    Das wirft neue rechtliche und ethische Fragen auf: Wie bemisst sich das Honorar für DJs sowie für Profi­sprecherinnen und -sprecher, wenn ihre mit Hilfe von KI generierte Stimme in Moderationen, Podcasts oder auch Werbeclips als Klon verwendet wird? Was passiert, wenn für das KI-Cloning keine Erlaubnis vorlag?

    Erste Versuche, ganze Radiosender mit Künstlicher Intelligenz on air zu bringen, laufen bereits in Deutschland. Die Nase vorn hatte das kleine Radio Helgoland, als eine Art Bürgerradio und vom Programmierer Thore Laufenberg als KI-Radio ins Netz gestellt. Im Juli startete Antenne Deutschland im Internet das Programm Absolut Radio AI, der KI-Sender wird inzwischen auch über DABplus in Braunschweig verbreitet. BigGPT aus Mannheim folgte Mitte August 2023. Der Radiomacher und DJ Michael Rütten, der unter anderem Sendungen für den Frankfurter nicht­kommerziellen Lokal­sender Radio X gestaltet, warnt jedoch davor, dass Leidenschaft und persönliche Kuration durch Künstliche Intelligenz komplett verloren gehen.

    Beim Deutschlandfunk kann man die Vor- und Nachteile der Automation schon jetzt studieren: Während das für seine eklektische Musikauswahl gelobte junge Programm Deutschlandfunk Nova Sonntags ab 20 Uhr in der “Lounge” die – unmoderierte – Devise ausgibt: “Let the music do the talking”, dürfen Radio-DJs im Programm von Deutschlandfunk Kultur nachts ab 1 Uhr in der “Tonart” alles von Klassik über Jazz, Americana und Rock sowie Global und Urban in den bundesweiten Äther schicken.

    Die beiden auch für Deutschlandfunk Kultur tätigen Berliner Radio-DJs Martin Böttcher und Andreas Müller haben mit Pop nach 8 vor einem Jahr einen unabhängigen Musik-Podcast gestartet, in dem sie nicht nur über Musik reden. Ihn gibt es auf allen Podcast-Plattformen zu hören, nicht jedoch im linearen Radio oder der DLF-Audiothek.

    All diesen Entwicklungen zum Trotz plant die ARD derzeit, die Abend- und Nachtprogramme der Infowellen und Kulturwellen zu vereinheitlichen. Klaus Walter sieht den guten alten Radio-DJ daher als aussterbende Spezies. Die verantwortlichen Programmmacher sähen Musiksendungen als “irrelevant” an.

    Radio war – vor allem wegen der Musiksendungen – vor 40 oder 50 Jahren das junge Medium schlechthin. Wandern die Jungen jetzt zu den algorithmen­basierten Streaming­angeboten ab? Klaus Walter sieht das differenziert: “Ich glaube, es wird in jeder Generation immer relevante Minderheiten geben, Betonung auf relevant, die sich für auch vermeintlich archaische oder überkommene Formen medialer Praxis interessieren und die darin vielleicht das finden, was sie suchen oder von dem sie gar nicht wissen, dass sie es suchen.” Das klingt hoffnungsvoll.

    Über den Autor
    Stefan Müller ist Moderator, Hörfunkredakteur, Podcaster und Medientrainer. Er hat die Sender Radio X in Frankfurt und HR-XXL mit aufgebaut und dort mehrere Sendungen konzipiert und moderiert. Zudem wirkt er als Kurator und Moderator beim Filmfestival Lichter Frankfurt International.

    Fotos: Picture Alliance und Heike Kreutuer, Montage: turi2

    Alle Beiträge aus der Reihe “Das Beste aus epd Medien bei turi2” >>>

  • Hör-Tipp: CEOs sollten sich nicht übermäßig politisch äußern, meint Thomas Voigt.

    Hör-Tipp: CEOs sollten darauf achten, dass politische Themen in der externen Kommunikation nicht Überhand nehmen, sagt Thomas Voigt im pr.promi.podcast. Der Otto-Kommunikationschef begrüßt es zwar, dass Chefs wie der ehemalige Siemens-Manager Joe Kaeser in dieser Hinsicht deutlicher kommunizieren als früher. Gleichzeitig sieht Voigt die Gefahr, dass dies “wieder unseriös” werden könnte, weil es “nicht den Kern des Geschäfts betrifft”. Dass Otto seine “Werte nicht an der Garderobe der Digitalisierung abgibt”, spiele bei der Mitarbeitergewinnung inzwischen eine entscheidende Rolle.
    open.spotify.com (53-Min-Audio)

  • turi2.de/termine: Ask me anything mit Thomas Voigt.

    Termine: DAPR-Chef Nils Hille lädt um 12 Uhr zum Ask me anything mit Thomas Voigt. Zuschauerinnen können Frage an den Kommunikations-Chef der Otto Group stellen. Der Termin ist online und kostenlos.
    Termine für PR-Leute – zielgenau unter turi2.de/termine

  • Zitat: Thomas Voigt spricht von Kompromissen bei der Corporate-Zeitschrift “Now”.

    “Beide Seiten mussten Kompromisse eingehen.”

    Thomas Voigt, Kommunikationschef der Otto Group, erklärt im Interview mit dem “Journalist” die Produktion der Corporate-Zeitschrift “Now”: Gemeinsam mit der “Geo”-Redaktion sei ein “nahbares und spannendes” Heft entstanden, alle Beteiligten würden aber auch “die Grenzen dieser Zusammenarbeit” kennen.
    journalist.de, turi2.de (Background “Now”)

  • “Geo” produziert Corporate-Zeitschrift für Otto Group.


    Grüner Grenzgänger: Das G+J-Magazin “Geo” liefert nun auch Auftrags-Kommunikation. Gemeinsam mit der Otto Group legt “Geo”-Chefredakteur Jens Schröder (Foto) das Heft Now vor. Thema des 108-Seiten-Magazins sind die Nachhaltigkeits-Bemühungen des Hamburger Handelsriesen, Zielgruppe sind Multiplikatorinnen aus Medien, Politik und Gesellschaft – und Otto-Beschäftigte. Das Heft kommt mit 100.000 Auflage, 20.000 davon in englischer Sprache. Eine Verletzung der Trennung zwischen Redaktion und Werbung sieht Schröder, der presserechtlich verantwortlich ist, im “Horizont”-Interview nicht. Er betont den journalistischen Anspruch, “alle Facetten einer Geschichte ausgewogen darzustellen”. Laut Verlag habe nicht die Magazin-Redaktion das Heft produziert, sondern “erfahrene Journalisten aus dem Umfeld von ‘Geo'”.

    Als Herausgeber von “Now” agiert die Otto Group mit Kommunikationschef Thomas Voigt als Verantwortlichem. “‘Geo’ als einer von mehreren möglichen Partnern hat uns mit einem anspruchsvollen und kritischen journalistischen Konzept überzeugt”, sagt Voigt. In dem Magazin gehe es nicht darum, “auf Hochglanzpapier die Schokoladenseiten des eigenen Tuns abzufeiern”, man habe sich “bewusst für den Weg einer kritischen Berichterstattung entschieden”.

    Demnächst könnten ähnliche Projekte erscheinen – Jens Schröder spricht in “Horizont” von Gesprächen mit einigen Unternehmen: “Wir suchen nach Partnern, die ebenso wie wir den Schutz unserer Welt vorantreiben wollen.” “Horizont”-Autor Roland Pimpl fühlt sich an den aktivistischen Kurs des “stern” erinnert und mutmaßt, dass künftig womöglich auch das Flaggschiff von Gruner + Jahr seine Marke für Corporate Publishing hergeben könnte. Der Bertelsmann-Vermarkter Ad Alliance und G+Js CP-Tochter Territory haben nach Verlagsangaben in der Kooperation zwischen “Geo” und Otto keine Aktien.
    horizont.net (Paid), ottogroup.com (E-Paper/Download), ottogroup.com (Pressemitteilung)

  • Wie viel Mitschuld tragen Werbungtreibende am Clickbaiting? So lief das turi2 Clubsandwich.


    Media und Verantwortung: “Wirtschaft sollte sich nicht zum Richter über guten oder schlechten Journalismus aufspielen”, sagt
    Thomas Voigt im “turi2 Clubsandwich”, dem gemeinsamen Media-Talk am Mittag von turi2 und Mediascale. Der Kommunikationschef der Otto Group hat am Mittwochmittag gemeinsam mit Daimler-Kommunikationschef Jörg Howe, Mediascale-Chef Wolfgang Bscheid und – gegen Ende des Talks – auch mit Moderatorin Dunja Hayali über die Frage diskutiert, ob Werbekunden eine Mitverantwortung für Clickbaitung und übergeigte Überschriften haben. “Ich tue mich wahnsinnig schwer damit, zu sagen, wer gut und wer böse ist”, sagt auch Howe und fragt sich, wo die Grenze zu ziehen ist. Bscheid hat eine aktuelle Umfrage im Gepäck, in der sich 80 % von mehr als 200 befragten Marketing-Entscheiderinnen einen verantwortungsbewussteren Einsatz von Werbegeldern wünscht. Auch das Thema soziale Nachhaltigkeit, also u.a. der Kampf gegen Hate Speech, werde für die Verantwortlichen wichtiger.

    Auch Moderatorin Dunja Hayali, die sich gegen Ende des Talks in die Diskussion einschaltet, sieht einen Zusammenhang zwischen Media-Geld und Verantwortung. Es gebe Medien, die einen Auftrag haben und politisch klar verortet sind. Unternehmen, die dort Werbung buchen, müssten sich die Frage stellen lassen, ob die Haltung dieser Medien mit ihren gesellschaftlichen Werten vereinbar ist. Thomas Voigt etwa kann sich eine unabhängige Stiftung vorstellen, die Empfehlungen für bzw. gegen Media-Investitionen gibt – analog zu Presserat und Pressekodex und auf Basis objektiver Kriterien.

    Zu Beginn des Talks geht es zunächst um die Frage, wie es um die Qualität im Journalismus bestellt ist. Daimler-Kommunikator Howe etwa beklagt sich über Journalistinnen, die ihre Geschichten schon fertig haben, wenn sie sich an die Pressestelle wenden und ihn nur noch als Stichwortgeber brauchen. Andere kämen mit komplexen Fragenkatalogen “im Kasernenhofstil” und absurden Fristen für deren Beantwortung. Otto-Mann Voigt erlebt die Situation weniger negativ: Er erlebt zwar auch ausgedünnte Redaktionen und Hektik, trotzdem gebe es noch einen vertrauensvollen Umgang zwischen Kommunikatorinnen und Journalisten.
    turi2.tv, (69-Min-Video/-Podcast) turi2.de/Podcast, spotify.com, podcast.apple.com, deezer.com, audionow.de, turi2.de/clubraum (weiteres Programm)

  • Zitat: Thomas Voigt würde seinen Chef gern in Talkshows schicken.

    “Wenn die deutsche Wirtschaft weiter den Herren Frank Thelen und Wolfgang Grupp die Fernsehshows überlässt, ist das zu wenig.”

    Otto-Kommunikationschef Thomas Voigt wünscht sich, dass mehr “CEOs aus Fleisch und Blut” in die Talkshows gehen. Otto-Chef Alexander Birken scheut dies allerdings – “was ich sehr bedauere”.
    PR-Report 5/20, S. 38-46 (Paid), turi2.de/koepfe (Profil Voigt), turi2.de/koepfe (Profil Birken)

  • Meinung: Otto-Kommunikator Thomas Voigt findet “manager magazin”-Bericht “unappetitlich”.

    Wirstchaftsjournalismus: Thomas Voigt, Kommunikationschef der Otto-Group, findet den jüngsten Beitrag des “manager magazins” über Otto “unappetitlich”. Die reißerisch angekündigte Geschichte über Lieferprobleme, verschleppte Sanierung und die Trennung von Tochterfirmen enthalte außer “einer Menge wolkiger Gerüchte” nichts Neues, “dafür in Summe viel Falsches”. An Wirtschafts­journalisten appelliert Voigt, ihre Haltung und Erzählweisen zu prüfen.
    ottogroupunterwegs.com, manager-magazin.de (kritisierter Artikel, Paid)

  • Zitat: Otto-Kommunikationschef Voigt beobachtet Marketing-Zeitenwende.

    “Das Marketing hat seine Stellung als wirtschaftliche und kulturelle Avantgarde an die internationale Digitale abgetreten. Und die gibt sie nicht wieder her.”

    Thomas Voigt, Kommunikationschef der Otto Group, spricht im Interview mit Horizont.net über den Stellenwert von Kommunikation für gesellschaftlichen Zusammenhalt.
    horizont.net