“Bei Podcasts muss gar nicht viel Innovation passieren” – Philipp Westermeyer über Nischen und Nuscheln.
15. August 2022
Laber-Laune: An die 750 Podcast-Folgen hat OMR-Chef Philipp Westermeyer schon aufgenommen – und sieht sich als Beweis dafür, dass das Format nicht perfekt sein muss. Mit seiner eigenen Stimme im Ohr will er aber trotzdem nicht einschlafen, sagt er im Interview mit turi2-Redakteurin Nancy Riegel. Außerdem erklärt er, dass sich Podcast-Vermarktung schon bei niedrigen, vierstelligen Hörer-Zahlen lohnen kann, und sagt, auf welche Einnahmen Podcasterinnen hoffen können. Das Gespräch mit Westermeyer bildet den Auftakt der turi2 Podcast-Wochen. Acht Wochen lang geben Podcast-Profis in Interviews, Podcasts und Gastbeiträgen täglich Tipps und Insights zum Trend-Thema Podcasts.
Philipp, hörst du dich eigentlich selbst gerne reden?
Ich habe mich mittlerweile dran gewöhnt. Klar, am Anfang findet man es total irritierend und komisch, aber das geht nach dem dritten, vierten Mal weg. Und ich habe tatsächlich manchmal Spaß daran, einen Podcast noch einmal zu hören, den ich selbst gemacht habe. Ich bin bei der Aufnahme so konzentriert, die Spannung kriecht total in mich rein, dass ich mir gerne später noch einmal anhöre, wie das Gespräch gelaufen ist und ob zum Beispiel das Intro funktioniert hat. Dann kann ich es noch mal ganz anders genießen. Aber ich bin prinzipiell niemand mit einem krassen Sendebewusstsein. Ich habe Bock, Podcasts zu machen, aber bin nicht so eitel, dass ich mit meiner Stimme im Ohr einschlafen will.
Wie viele Podcast-Folgen hast du in deinem Leben schon aufgenommen?
Der OMR Podcast hatte vor Kurzem seine 500. Folge. Dann noch das Aktuelle Sportstudio, für das ich einige Podcast-Folgen gehostet habe, die ersten gut 100 Folgen von unserem Podcast Ohne Aktien wird schwer, und dann gab es einige Sendungen, die nie ausgestrahlt wurden …. In Summe werden es schon an die 750 Podcasts gewesen sein.
Wer war bisher dein Lieblingsgast?
Dieter Bohlen hat damals das Spiel für uns komplett verändert. Er war der erste richtig bekannte Gast im “OMR Podcast” und ich habe gemerkt, dass man auch mit branchenfremden Menschen über Wirtschaft sprechen kann. Es war eine super lustige Folge mit krassen Hörerzahlen, dabei war das Gespräch gar nicht so vertraut. Mit Joko Winterscheidt hat’s auch viel Spaß gemacht, weil er einfach so gut zu uns passt und da auch schon etwas Vertrauen da ist. Und Uli Hoeneß war für mich ein Riesenmoment. Pamela Reif verfolge ich schon lange, und sie hatte jahrelang keine Lust, bis sie irgendwann von sich aus gesagt hat, sie macht mit. Auch das Gespräch war richtig gut.
Schaffst du die großen Namen selber ran?
Klar, da muss man sich drum kümmern. Das Projektteam sucht die Gäste aus, die wir dann als Team besprechen und anfragen. Es gibt aber auch viele, die uns mittlerweile vorgeschlagen werden, das ist am Ende vielleicht jeder fünfte Gast.
Ist es bei der Auswahl der Gäste wichtig, dass sie gut sprechen können?
Nee, ich kann ja selber nicht gut sprechen. Ich bin ja eigentlich der Letzte, bei dem man vermuten würde, dass er einen Podcast hat – ich spreche zu schnell, ich nuschele … Das ist bei den Gästen genauso. Wenn die eine spannende Story zu erzählen haben, können die gerne nuscheln und sich verhaspeln, das ist vollkommen egal.
Können auch Nicht-Promis gute Podcast-Gäste sein?
Hundert Prozent. Meist sind das sogar die besseren Gäste, weil sie spannende Storys zu erzählen haben, die man noch nicht gehört hat.
Wie bringst du deine Gesprächspartner dazu, dir alles zu erzählen?
Schön, wenn es so wäre. Aber ja, das Gegenüber merkt natürlich, wenn der Fragensteller mit hoher Leidenschaft und hohem Interesse dabei ist. Ich bin wirklich interessiert an den Themen, ich will wirklich verstehen, wie Wirtschaft funktioniert. Am Ende bringt das die Leute dazu, mir mehr zu erzählen. Das ist ja auch eine Respektsbekundigung. Selbst jemand wie Uli Hoeneß, der schon Tausende Interviews geführt hat, oder andere ältere Semester, die gar nicht so richtig wissen, was Podcasts eigentlich sind, spüren das, wenn man wirkliches Interesse an Ihnen hat.
Blick ins OMR-Büro im Hamburger Schanzenviertel
Wie oft kommt es vor, dass ihr Folgen dann doch nicht bringt?
Ein paar Mal im Jahr. Meistens dann, wenn Gäste zu viele PR-Antworten oder gar keine Antwort geben. Ich versuche es den Gästen dann natürlich zu erklären, aber natürlich sind die meisten enttäuscht oder sogar verärgert.
Haben die Gäste vielleicht einen gewissen Hang zur Verkaufsveranstaltung, weil OMR eben kein Medienhaus, sondern ein Marketing-Unternehmen ist?
Ich habe nicht den Anspruch, journalistische Fragen zu stellen, aber ich orientiere mich schon daran. Andererseits will ich niemanden vorführen oder vors Schienbein treten – dann machen die Personen schon nach der ersten Frage zu. Es gibt einfach Menschen, die aus allem eine Verkaufsveranstaltung machen.
Wer ist der typische Hörer deines “OMR Podcasts”, den du im Kopf hast?
Ein bisschen mich selbst – und meine Freunde. So zwischen 30 und 40, wahrscheinlich ein paar mehr Männer, im Digitalbusiness, agil, verstehen diese Welt, sind die ersten, die sich neue Tech-Produkte zulegen. Wahrscheinlich ist die Quote der Elektroauto-Fahrer höher als sonst wo und die Quote der iPhone-Besitzer auch.
78 % der Hörer des OMR-Podcasts sind Männer. Was läuft da schief?
Tja, schau dir die Leserschaft vom “Handelsblatt” und “Manager Magazin” an. Das ist glaube ich in unserem Genre so, es wäre wünschenswert, es wäre anders. Wir arbeiten daran.
Auf eurer Website steht “Podcast killed the Radio Star”. Sind Podcasts wirklich so ein Massenmedium wie das Radio?
Der Radio-Star wird schon seit Jahrzehnten gehört – soweit sind Podcast-Stars noch nicht. Aber wir merken, dass neue Zielgruppen hinzukommen. Sport-Fans hören Fußball-Podcasts, Knossi trifft mit seinem Format die Gaming- und Twitch-Community, und schau dir doch mal an, wie viele in der Pandemie Virologen-Podcasts gehört haben. Die Podcast-Landschaft frisst sich immer weiter in die unterschiedlichen Gesellschaftsgruppen rein. Meine Mutter hört auch Podcasts – andere Mütter ihrer Generation noch nicht in dem Maße, aber selbst das dürfte sich noch ändern in den kommenden zehn Jahren.
Philipp Westermeyer bei der Aufnahme einer Podcast-Folge mit Social-Media-Star Jens “Knossi” Knossalla im Podstars-Studio
Wie werden sich Podcasts weiterentwicklen?
Ich weiß gar nicht, ob sie das müssen. Radio ist auch seit Jahrzehnten das Gleiche. Es wird neue Akteure und neue Formate geben, aber ich denke, dass es Podcasts wie den “OMR Podcast” oder Laber-Podcasts wie “Baywatch Berlin” oder “Gemischtes Hack” auch noch in zehn Jahren geben wird, und zwar in der gleichen Form wie heute. Da muss gar nicht so viel Innovation passieren.
Welche Zutaten braucht ein Podcast, damit er sich aus der Masse abhebt?
Aus meiner Sicht ist wichtig, stetig daran zu arbeiten, ein gutes Produkt zu entwickeln, sich seiner Zielgruppe bewusst zu sein und sich zu überlegen, wie man sein Format aktuell und für sein Publikum passend halten kann. Man sollte sich dabei über den Inhalt sowie das Produkt abheben, aber auch die Discovery, also das Aufmerksam machen auf den Podcast, bedenken. Dafür braucht es eine Strategie, die entwickelt und verfolgt wird, um in der Menge nicht unterzugehen. Beim OMR Podcast arbeiten fünf bis sechs Personen dran, die sich regelmäßig besprechen und überlegen, welche Gäste unsere Zielgruppe interessieren könnten, was der nächste Hook oder die nächste Idee sein könnten.
Eure Podcasts sind meist werbefinanziert. In der Regel über Host Reads, da wirst du selbst zum Testimonial für ein Produkt oder eine Dienstleistung. Schon mal Kunden abgelehnt?
Generell finde ich die Host Reads sehr gut und passend. Mittlerweile haben wir bei Podstars auch Producer-Read-Formate. Es ist immer von dem Podcast selbst abhängig, welches Werbeformat besser passt und was der Creator zulässt. Wir halten entsprechend immer Rücksprache mit den jeweiligen Podcastern, ob sie die Partnerschaft als passend und echt im Sinne von “dazu kann ich stehen” empfinden, da sie die Inhalte ja authentisch rüberbringen müssen. Auch beim OMR Podcast kam es schon ein oder zwei Mal vor, dass ich mich schwer getan habe, ein Produkt authentisch rüberzubringen, dann macht man es nicht.
Wie findet man als Podcast-Macherin den richtigen Werbepartner oder Sponsor?
Diese Rolle übernehmen hauptsächlich die Vermarkter, deshalb ist es wichtig mit starken Vermarktern zusammenzuarbeiten, die einen an den richtigen Stellen empfehlen und mit dem richtigen Sponsor zusammenbringen. Wenn man es authentisch haben will, sollte man sich vorher gemeinsam Gedanken machen, was zu einem passt.
Wie groß muss das Publikum mindestens sein, damit sich Werbevermarktung lohnt?
Das ist sehr unterschiedlich und individuell. Podstars vermarktet einige Formate mit wenigen tausend Hörern bzw. einer niedrigen vierstelligen Hörerzahl, wo es sich auch schon lohnt, weil diese sehr speziell und nischig sind. Es kann sein, dass diese Nische dann auf anderen Kanälen oder mit anderen Formaten nur schwer zu erreichen ist und es sich dann bereits bei Podcasts mit kleinerem Publikum auszahlt – deshalb kann man das nicht pauschal sagen. Bei Unterhaltungsformaten mit einer breiteren Zielgruppe sind es ca. 50.000, wo es anfängt, Sinn zu machen.
Welche Preise ruft ihr dann ungefähr auf?
Dies ist ebenfalls sehr individuell. Wir haben bei uns im Portfolio eine TKP-Range von 50 bis 500 Euro. Bei kleineren, nischigeren Formaten mit einer sehr wertvollen Zielgruppe liegt der TKP höher, bei den Unterhaltungsformaten mit einer weiter gefassten Zielgruppe eher niedriger.
Wann bietet es sich als Marke an, einen passenden Podcast mit Werbung zu belegen? Wann lohnt es sich, einen eigenen Marken-Podcast zu starten?
Das ist eine individuelle Entscheidung. Bei der Podcast-Werbung kann man performance-orientierter sein und denken. Bei Content-Marketing liegt der Fokus eher darauf, guten Content zu erstellen und mit dem Kunden lange in Kontakt zu sein – das ist eine ganz andere Ebene. Es ist natürlich möglich, auch beides zu machen. Ein Branded Podcast ist eher etwas Langfristiges und ergänzt oder ersetzt ein Magazin oder einen Social-Media-Kanal, wo wir Geschichten erzählen können, wo wir das Publikum über guten Content binden können und auf die Marke im Subtext aufmerksam machen. Bei Podcast-Werbung sind es eher aktuelle Kampagnen, teilweise mit dem Fokus auf Performance oder auch feste Zeiträume, in denen gewisse Sachen kommuniziert werden sollen.
Inzwischen lassen sich auch einige Firmenchefs und -chefinnen regelmäßig interviewen oder treten als Interviewerin auf – Beispiel: “Salon Funke” mit Julia Becker. Funktionieren Podcasts als PR-Instrument?
Warum nicht ausprobieren? Es ist ja auch ein Kanal bei großen Konzernen, die eigenen Leute zu erreichen und sich als Führungsperson regelmäßig tiefer und persönlicher zu zeigen als via Social Media. Dazu kann man vielleicht über Gasteinladungen Mitarbeitern Sichtbarkeit verleihen. Wenn man es mit Leidenschaft macht und nicht aus einer PR-Haltung und mit “Plastik-Sprech” wird es sein Publikum finden und positiv beeindruckt zurücklassen. Das Format mit Julia Becker konkret hab ich bislang noch nicht gehört, aber werde das jetzt checken, danke für den Hinweis, bin gespannt!
Gerne. Welche Fehler sollte man vermeiden?
Am besten nicht zu viel schneiden und verfälschen und aus einem authentischen Stück dann am Ende doch wieder PR machen.
Gibt es nicht irgendwann mal genug Podcasts?
Ich sehe es wie bei Musik oder wie bei Büchern, da gibt es auch ständig was Neues. Niemand kann alle Bücher lesen, aber es gibt sie trotzdem. Ich höre gerne Nischen-Podcasts aus den USA, die hören weltweit vielleicht 10.000 Leute.
Was ist dein Lieblings-Podcast?
Ich bin großer US-Sport-Fan. Ich höre zum Beispiel den Podcast von Bill Simmons. Der Typ hat mich zum Podcasten gebracht, das war der erste, den ich damals gehört habe. Und ich mag Recode Media von Peter Kafka.
Und deutsche?
Da traue ich mich jetzt nicht, einen expliziten zu nennen, weil ich mit so vielen verbunden bin und niemand sagen soll: “Warum nennt er mich nicht?”
Zum Thema Audio erscheint ein ganzes Buch: die turi2 edition #19 Audio – Erscheinungstermin: 12. Oktober 2022. Du kannst die Buchreihe turi2 edition kostenfrei lesen und als E-Paper hier kostenlos abonnieren.
Nutze die turi2 Podcast-Wochen auch als Bühne für dich, deine Marke oder Dienstleistung. Du erreichst die 20.000 wichtigsten Entscheiderinnen in Deutschland aus Medien, Wirtschaft und Politik auf turi2.de und im turi2-Newsletter. Das turi2-Media-Team berät Dich gerne zu unseren Werbemöglichkeiten. Melde Dich einfach unter media@turi2.de.