Claudia ten Hoevel: “Wir betrachten die News-Lage aus weiblicher Sicht.”
1. Juni 2022
Heiße News: Claudia ten Hoevel, früher Chefredakteurin der Lifestyle-Zeitschrift “Grazia”, serviert seit einem guten Jahr zweimal wöchentlich mittags Hot Bowl, einen Nachrichten-Newsletter für Frauen. “Texte, die knapp und auf den Punkt sind inklusive vertiefender Links”, “interessante neue Blickwinkel anderer Frauen zum Tagesgeschehen” und eine “eher lockere Tonalität” kämen bei den 56.000 Abonnentinnen am besten an, erzählt die Macherin im Interview. Was einmal nicht so gut ankam: das Wort “Goldgrube” in der Betreffzeile. Es katapultierte Teile einer Hot-Bowl-Ausgabe in die Spam-Ordner der Emfängerinnen. Das Interview mit Claudia ten Hoevel erscheint im Rahmen der Newsletter-Wochen zum 15. Geburtstag des turi2-Morgen-Newsletters.
Du bist eigentlich Frauenmagazin-Macherin. Wie bist du zum Newsletter-Schreiben gekommen?
Nach meiner Zeit bei “Grazia” habe ich frei als Journalistin und Beraterin in der Kommunikation gearbeitet. Und hatte dabei natürlich immer öfter auch beruflich mit Newslettern zu tun. Unter anderem während eines mehrmonatigen Work & Travel-Aufenthalts in den Bergen, einem Herzenswunsch von meiner Familie und mir, habe ich mich unter anderem mit dem Newsletter eines meiner Lieblingshotels, des Haus Hirts in Bad Gastein, beschäftigten dürfen. Das war 2018. Es war toll, mit den Möglichkeiten zu spielen, die das Medium bietet. Danach habe ich mich dann immer mehr in das Thema vertieft. Gleichzeitig stieg die Zahl der Newsletter, die ich selbst aus Leidenschaft abonnierte. turi2 war tatsächlich einer meiner ersten, vielleicht sogar der allererste, direkt zum Start damals. Ihr habt mich quasi newslettertechnisch sozialisiert.
Ihr bewerbt Hot Bowl als “Deutschlands ersten aktuellen Newsletter für Frauen”. Ist das nicht ein bisschen übertrieben?
Findest Du? Tatsächlich haben wir noch immer kein vergleichbares Format entdeckt im deutschsprachigen Raum, das sich speziell an Frauen richtet und das tagesaktuelle Themen aufgreift. Gemeinsam mit “Emotion”-Verlegerin Kasia Mol-Wolf, die sofort das Potential gesehen hat, und dem Marketingteam haben wir beschlossen: Wir kommunizieren das jetzt mal so, bis jemand kommt und sagt, wir machen das aber schon länger als ihr. Also gerne melden, wir wollen nicht beanspruchen, was gar nicht stimmt. Aktuell können wir das aber immer noch. Allerdings arbeiten wir auf Social Media mittlerweile viel lieber mit persönlichen Quotes und Shoutouts unserer Leserinnen. Das funktioniert für uns noch etwas besser.
Wie würdest du Hot Bowl in wenigen Worten beschreiben?
Wir benutzen oft den Untertitel “Female Views & News”. Das drückt es in unseren Augen schon sehr gut aus. Wir greifen ja aktuelle News und gesellschaftliche Themen auf, die besonders für Frauen relevant sind. Aber oft auch klassische Frauenzeitschriftenthemen, aus Lifestyle, Kultur, Psychologie. Das reicht dann etwa von Debatten wie zuletzt beim Rücktritt von Anne Spiegel zum Stichwort Vereinbarkeit, einem Spitzenpolitiker, EX-CSU-Generalsekretär Stephan Mayer, der offenbar nicht für seinen unehelichen Sohn zahlt. Themen wie feministische Außenpolitik oder den persönlichen Umgang mit der Inflation, Auswirkungen des Krieges oder des Klimawandel auf unser Leben. Aber auch Leichtes wie Food-Trends, Serien-Tipps oder Mode finden ihren Platz. Netzthemen und nutzwertiger Content sind sehr beliebt. Kurz: Alles, was an unserem Versandtag spannend ist – und hoffentlich ganz neu für die meisten unserer Leser:innen. Oder was einen überraschenden, bisher vernachlässigten Blickwinkel bietet auf ein medial präsentes Thema.
Warum brauchen Frauen überhaupt einen eigenen aktuellen Newsletter?
Wir finden es spannend und relevant, die News-Lage explizit aus weiblicher Sicht zu betrachten. Ob alle Frauen das unbedingt brauchen? Sicher nicht alle. Für news-affine Frauen, denen oft die Zeit fehlt, in unterschiedlichste Medien tiefer einzusteigen, ist unser Angebot jedenfalls so passend, dass sie sich bei uns anmelden, größtenteils dabei bleiben – und uns auch weiterempfehlen.
Worauf kommt es bei Themenauswahl, Sprache und Gestaltung an, wenn man bei Frauen erfolgreich sein will?
Da hatten Kasia Mol-Wolf, das “Emotion”-Team und ich bereits einige Erfahrungen, wie diese Zielgruppen ticken. Wir haben für das Newsletter-Format in der Anfangsphase zunächst ein paar Wochen rumprobiert, gestestet und Feedback eingeholt. Es stellte sich dabei recht schnell heraus, was am besten ankam: Texte, die knapp und auf den Punkt sind inklusive vertiefender Links. Interessante neue Blickwinkel anderer Frauen zum Tagesgeschehen. Eine eher lockere Tonalität. Auch mal überraschende Themen – gerne mit ein bisschen Humor an passenden Stellen. Das waren die Dinge, die in Leserinnenbefragungen zum Konzept am häufigsten lobend erwähnt wurden. Schon der Name Hot Bowl bringt ja ein gewisses Augenzwinkern mit für einen Newsletter, der um die Mittagszeit verschickt wird. Besonders geschätzt werden Themen, die unsere Leser:innen selbst betreffen, aber die in der eigenen Bubble bisher vielleicht zu kurz kamen. Wir informieren daher – und drehen Themen dann am liebsten noch ein Stück weiter. Was bedeutet dieses Ereignis für mich? Welche Haltungen gibt es dazu? Gibt es vielleicht einen Aspekt, der speziell Frauen betrifft, der bisher zu wenig beleuchtet wurde? Nehmen wir die Sache mit der Ohrfeige bei den Oscars. Das kommentieren wir. Und verlinken dann natürlich idealerweise zu einem Artikel der auch Jada Pinketts Perspektive einbezieht. Oder Amy Schumers Reaktionen. Wir interessieren uns eben besonders für die Frauen, aber natürlich nicht nur.
Gab es Ideen oder Themen für den Newsletter, die sich nicht bewährt haben?
Ich fürchte, wir werden teilweise etwas zu lang in unseren Meldungen, weil wir immer noch ein paar Infos unterbringen wollen. Dabei wissen wir genau “Smart Brevity” schätzen unsere Leser:innen besonders. Einmal hatten wir zu einer Meldung zu Investionen bei Biontech das Wort “Goldgrube” in die Betreffzeile geschreiben, so der Name der Straße in Mainz, wo der Firmensitz liegt. Leider keine gute Idee, denn wir sind damit bei zig Providern im Spam gelandet. Anfängerfehler, Worte die in Spam-Mails auftauchen könnten, lieber nicht in die Betreffzeile.
Was hast du seit dem Start von “Hot Bowl” übers Newsletter-Machen gelernt?
Dass es wichtig ist, dass die Macher und Autoren für ihre Themen brennen. Dass die Qualität immer stimmt. Und natürlich im Blick zu haben, welcher Content unsere User:innen am meisten anspricht. Dass kleine Überraschungen, Abweichungen vom gelernten Schema ab und zu gut tun. Sei es thematisch, optisch oder beim Aufbau. Wir sind, genau wie unsere Leserinnen Frauen, die mitten im Leben stehen, politisch interessiert und gerne gut informiert – und wenn wir dann mal im Netz in das Rabbithole rund um Mats Hummels Liebesleben geraten, dann stehen wir auch dazu. Und liefern gerne die News und den Link, unter dem das alles am schlausten oder lustigsten zusammengefasst wird. Neben vielen Ukraine-Themen, konkreten Tipps und Servicethemen eine unserer zuletzt mit am meisten geklickten Geschichten: Mit wem Mats Hummels seine Abende verbringt. Hat uns auch überrascht, aber es gibt ja mittlerweile viele Themen, die wir auf Social Media Kanälen mitbekommen, ohne so richtig zu verstehen, worum es eigentlich geht. Z.B. bei dem Offenen Brief von Alice Schwarzer und ihren prominenten Mitstreitern, bekommt man im Zweifelsfall erst die Reaktionen auf Instagram oder Twitter mit, bevor man überhaupt richtig versteht, was eigentlich los war.
Wie hoch ist die Zahl der Abonnentinnen und was war Eure beste Idee, um die Zahl zu steigern?
Aktuell sind es 56.000. Tatsächlich funktioniert es gut, dass unsere Leser:innen uns weiterempfehlen. Auch mit Gewinnspielen haben wir gute Erfahrungen. Oder mit der Verknüpfung von beidem. Außerdem gibt es Influencer:innen, die uns auf ihren Kanälen empfehlen. Bisher sind wir bis auf ein paar kleine Paid-Tests und Kooperationen komplett organisch gewachsen. Unsere Investitionen stecken wir aktuell ins Produkt, also vor allem in Personalkosten für tolle Journalist:innen, die neben dem Emotion-Team mitarbeiten
Wie profitiert die Marke “Emotion” wirtschaftlich von dem Newsletter?
Wir haben unter Wencke von der Heydt eine tolle Vermarktung im Haus, die das Produkt liebt, versteht und gemeinsam mit ihrem Team einen großartigen Job macht. Wir hatten bereits im ersten Jahr namhafte Partner auch aus dem Luxussegment, die bei uns geschaltet haben. Außerdem Kunden aus dem FMCG-Bereich, Finanzbranche und Entertainment. Im Moment zieht das weiter an. Und tatsächlich bekomme ich von Kasia Mol-Wolf, von Wencke von der Heydt und den Kolleg:innen die Rückmeldung, dass Hot Bowl auch sehr gut für die Marke arbeitet, weil es als schnell, innovativ und inspirierend wahrgenommen wird. Unser Ziel ist es, mit Hot Bowl unabhängig von den Social-Media-Kanälen, neue Frauen zu erreichen und sie in den “Emotion”-Kosmos zu bringen und die Marke “Emotion” mit Hot Bowl als schnelles, newsgetriebenes, innovatives und inspirierendes Produkt weiter aufzuladen. Meine Kolleg:innen bestätigen, dass wir dieses Ziel erreichen. Quasi einer der aktuellen Anknüpfungspunkte neben Website und Social Media zu unserer starken Marke und dem Print-Heft, das monatlich erscheint.
Welche anderen Newsletter für Frauen kannst du empfehlen?
Der monatliche Working Woman Newsletter unserer Kollegin Julia Möhn ist sehr toll, unglaublich kenntnisreich und voll mit spannenden Themen. Unbedingt natürlich, und damit möchte ich euch nicht schmeicheln, wenn man was mit Medien zu tun hat: turi2, Was für ein Tag von Christoph Amend der “Zeit”. Als Hamburgerin natürlich die Elbvertiefung, aber ebenfalls der Checkpoint, seit meiner leider zu kurzen Zeit in Berlin. What Happened last week, The Lily von der “Washington Post” ist für speziell Frauen und immer spannend. Auch die US-Journalistinnen Katie Couric oder Jessica Yellin lese ich gerne, the Daily Good ist nett für Lifestyle & Psycho-Themen, The Skimm ist als US-Erfolgsgeschichte, die aus einem Newsletter entstand, nicht unwichtig für unsere weiteren Pläne.
Was würdest du anderen Redaktionen raten, die auch einen Newsletter starten wollen?
Unbedingt ein Thema suchen, für das Ihr absolut brennt, denn es ist gar nicht so einfach, regelmäßig auf hohem Niveau abzuliefern. Frühzeitig Feedback einholen, gute Technik.